Verbraucherschutz

Verbraucherschutz

Verbraucherschutz (österr. und schweiz.: Konsumentenschutz, siehe österr. Konsumentenschutzgesetz) bezeichnet die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher von Gütern oder Dienstleistungen schützen sollen. Dieser Schutzbedarf beruht auf der Sicht, dass Verbraucher gegenüber den Herstellern und Vertreibern von Waren und gegenüber Dienstleistungsanbietern strukturell unterlegen sind, das heißt infolge mangelnder Fachkenntnis, Information und/oder Erfahrung benachteiligt werden können. Dieses Ungleichgewicht sinnvoll auszugleichen ist Anliegen und Aufgabe des Verbraucherschutzes.

In einem weiteren Sinne wird der Begriff auch gebraucht, um den von gesetzlichen Vorschriften gewährleisteten Schutz vor Gesundheitsgefahren zu bezeichnen (siehe Sicherheitshinweis), die Verbrauchern typischerweise drohen (z. B. durch Verunreinigungen im Trinkwasser). Insoweit ist der Sprachgebrauch uneinheitlich; manche sprechen von Verbraucherschutz, manche von Gesundheitsschutz oder auch „gesundheitlichem Verbraucherschutz“.

Inhaltsverzeichnis

Leitbild

Das traditionelle ökonomische Leitbild unterscheidet nicht zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Beide sollen „mündig“, selbst zu Entscheidungen willens und in der Lage sein (Homo oeconomicus).

Hingegen zeichnet das Verbraucherleitbild ein anderes Bild. Denn legt man Studien über das tatsächliche Verbraucherverhalten zugrunde, so wird deutlich, dass der Verbraucher nicht nur auf Informationen des Unternehmers angewiesen ist, sondern auch nur eine bestimmte Menge an Information verarbeiten kann (information overload) und zudem auch nicht immer rational handelt. Diese Erkenntnisse nutzt die Anbieterseite, indem sie in ihrer Werbung nicht umfassend und objektiv über ihre Produkte informiert, sondern unter Nutzung psychologischer Erkenntnisse bestrebt ist, sachlich nicht begründete Kaufanreize unterschwellig zu transportieren.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes begründet sich das Leitbild des schutzbedürftigen Verbrauchers, weil dieser den Anbietern von Produkten und Dienstleistungen strukturell unterlegen sei. Dieses Leitbild hat sich auch in der Arbeit des Gesetzgebers weitgehend durchgesetzt (siehe unten).

Das Treffen bewusster Verbraucherentscheidungen hängt weiterhin weitgehend davon ab, dass Verbraucherinformation verfügbar und transparent ist („informierter Verbraucher“). In einigen Bereichen wird versucht, dies durch Gesetze zu gewährleisten, zum Beispiel bei den Inhaltsangaben, die für verpackte Lebensmittel vorgeschrieben sind. In anderen Bereichen, beispielsweise bei Textilien, fehlen für viele Verbraucher weitergehende Informationen.

Neuere Ergebnisse der Hirnforschung lassen deutliche Zweifel am Modell des homo oeconomicus aufkommen. In der weitaus größten Zahl der Fälle werden (auch wirtschaftliche) Entscheidungen unbewusst getroffen. Im Rahmen von Strategien des Neuromarketing will man sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zunutze machen und über gezielte Sinnesreize bestimmte Reaktionen im Gehirn erzeugen. Kritiker sehen hierin eindeutige Ansätze für Manipulation.

Träger und Themen

Träger des Verbraucherschutzes sind staatliche Institutionen, private Vereine und Verbrauchermedien.

Themen des Verbraucherschutzes sind unter anderen:

Deutschland

Verbraucherrecht

Im deutschen Recht gibt es kein gesondertes „Verbraucherschutzgesetz“, das alle Fragen des Verbraucherrechts regeln würde. Rechtsnormen, die hauptsächlich oder „nebenbei“ Zielen des Verbraucherschutzes dienen, gibt es in sehr vielen Einzelgesetzen. Oft überschneidet sich die Zielsetzung des Verbraucherschutzes auch mit anderen Zielsetzungen. Dies liegt daran, dass der Konsument nur in bestimmten sozialen Zusammenhängen als „Verbraucher“ betrachtet wird. Die gleichen Personen können der gleichen Gefährdung auch in einem anderen Zusammenhang ausgesetzt sein, z. B. als Arbeitnehmer. Eine Vorschrift, die den Umgang mit einer Chemikalie regelt, kann deswegen sowohl dem Arbeitsschutz dienen als auch dem Verbraucherschutz und womöglich auch noch dem Umweltschutz. Als Rechtsgebiet ist der Verbraucherschutz nicht eindeutig abgrenzbar. Die folgende Aufzählung von Verbraucherschutzvorschriften des deutschen Rechts ist deshalb nicht abschließend und enthält insbesondere im öffentlichen Recht auch Normen, die zugleich andere Zielsetzungen verfolgen.

  • Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gehören dazu die Vorschriften über Haustürgeschäfte§ 312, 312a), Fernabsatzverträge§ 312b bis 312d), Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e), den Verbrauchsgüterkauf§ 474 bis 479), Teilzeit-Wohnrechteverträge§ 481 bis 487) den Verbraucherdarlehensvertrag§ 491 bis 498), über Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 499 bis 504) und über Ratenlieferverträge (§ 505). Sogar die Vorschriften über die Wohnraummiete§ 549 bis 577a) zählen zum Verbraucherrecht im weiteren Sinn. Viele weitere Vorschriften des Bürgerlichen Rechts lassen sich nicht eindeutig dem Verbraucherschutz zuordnen, weil sie den Ausgleich typischer Interessengegensätze zwischen Vertragsparteien bezwecken und damit nicht ausschließlich Schutznormen zugunsten des Verbrauchers sind, sondern generell den Vertragspartner schützen wollen. Zu diesen Vorschriften gehören z. B. diejenigen über Allgemeine Geschäftsbedingungen§ 305 bis 310).
  • Viele Formvorschriften sind auch vom Verbraucherschutz motiviert, z. B. die Notwendigkeit, einen Grundstückskaufvertrag von einem Notar beurkunden zu lassen (§ 311b Abs. 1 BGB). Damit soll für Verträge, die typischerweise zu hohen Summen und mit der Absicht dauerhaften Eigentumserwerbs geschlossen werden, die fachkundige Beratung durch den beurkundenden Notar sichergestellt werden. Daneben bestehen eindeutig dem Verbraucherrecht zuzuordnende Formvorschriften wie z. B. die Schriftform für Teilzeitwohnrecht- und Verbraucherdarlehensverträge, aber auch die Textform für Belehrungen des Verbrauchers über das bei bestimmten Vertragsarten (Verbraucherdarlehen, Teilzeit-Wohnrechteverträg) bzw. Vertriebswegen (z. B. Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge) bestehende Widerrufsrecht.
  • Viele Vorschriften des öffentlichen Rechts, die auf zahlreiche Gesetze verstreut sind, dienen dem (meist gesundheitlichen) Verbraucherschutz. Diese Gesetze verpflichten in der Regel Hersteller und Händler von Waren zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Hinblick auf Rohstoffe, sonstige Ausgangsmaterialien oder Zusatzstoffe oder auch im Hinblick auf Herstellungsverfahren oder Verpackungen. Im deutschen Recht ist die wichtigste derartige Rechtsnorm das Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz - LMBG) bzw. dessen Nachfolgeregelung, das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Aufgrund dieses Gesetzes wurden zahlreiche Verordnungen mit sehr detaillierten Vorschriften erlassen, z. B. die Kosmetikverordnung. Weitere wichtige Gesetze aus diesem Bereich sind beispielsweise das (inzwischen aufgehobene) Fleischhygienegesetz und das Arzneimittelgesetz.
  • Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) Anfang 1999 besteht eine Möglichkeit zur Zahlungs-Entpflichtung (Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO) durch Gerichtsbeschluss für überschuldete Verbraucher nach Abschluss eines mindestens sechsjährigen Verbraucher-Insolvenzverfahrens.
  • Auch das Wettbewerbsrecht (geregelt vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG), das früher nur die Mitbewerber untereinander schützte und die Belange des Verbrauchers nur indirekt (reflexartig) in den Blick nahm, hat nach heutiger Rechtslage eine verbraucherschützende Aufgabe (so ausdrücklich § 1 UWG).

Aktivitäten

In den vergangenen Jahren hat die öffentliche Wahrnehmung des Verbraucherschutzes stark zugenommen. Lebensmittelskandale, gefährliche Haushaltsgeräte, Deregulierung ehemals staatlicher Monopole (z. B. Post, Telefon, Bahn) bzw. von Gebietskartellen (z. B. Strom), neue Vertragsformen (z. B. Mobilfunkverträge) stellen neue Herausforderungen für Verbraucher dar. Politik und Gesetzgebung in EU, Bund und Ländern wenden sich vermehrt dem Thema zu. Im Zuge von Lebensmittelskandalen wurde etwa das vormalige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2001 in ein Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft umbenannt. In den letzten Jahren entwickeln sich insbesondere auch die teilweise unseriösen Geschäftspraktiken von Telekommunikationsunternehmen zu einem Schwerpunktthema im Verbraucherschutz.

In Berlin trägt seit 2002 eine Senatsverwaltung den Begriff Verbraucherschutz im Namen. Die in der Stadt tätigen ca. 200 Verbraucherschutzorganisationen sind in einem Netzwerk Verbraucherschutz zusammengefasst und präsentieren sich in einem Verbraucherwegweiser, einer Art Gelben Seiten im Internet. Mit einer Langen Nacht des Verbraucherschutzes, einer Publikumsveranstaltung mit Tausenden Besuchern, wurde ein Auftakt gesetzt. Seither veranstaltet die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz regelmäßig Verbrauchermärkte zum Weltverbrauchertag, hat deutschlandweit erstmalig Jugendverbraucherschutztage und Seniorenkonferenzen veranstaltet, bringt Verbrauchereinrichtungen in Stadtquartiere mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und präsentiert mit dem Berliner Verbraucherfest eine Gesamtschau aller Beratungs- und Hilfsangebote für Verbraucherinnen und Verbraucher als Straßenfest am Kurfürstendamm, der Berliner Shoppingmeile schlechthin.

Wissenschaftlich ist der Verbraucherschutz mittlerweile an verschiedenen Universitäten verankert. Der erste entsprechende Lehrstuhl (in Kombination mit Bank- und Kapitalmarktrecht) wurde 2008 an der Universität Hamburg eingerichtet.[1]. 2010 hat die Universität Bayreuth einen Stiftungslehrstuhl für Verbraucherrecht etabliert, der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanziert wird.

Kritik am Verbraucherschutz

An einzelnen Konzepten und Maßnahmen des Verbraucherschutzes wird grundsätzliche Kritik geübt.

Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit

Vielfach beschränkt Verbraucherschutz die Vertragsfreiheit. Von bestimmten rechtlich vorgegebenen Regelungen darf nicht zu Ungunsten des Verbrauchers abgewichen werden. Beispielsweise führte der Gesetzgeber als Verbraucherschutzmaßnahme eine Gewährleistungspflicht auch für gebrauchte Waren (z. B. Gebrauchtautos) ein. Kauft ein Verbraucher Waren von einem gewerblichen Anbieter (etwa von einem Gebrauchtwagenhändler), so darf der Verkäufer dem Käufer vertraglich nicht den Verzicht auf die Gewährleistung abverlangen.

Diese Beschränkung der Vertragsfreiheit soll zu Umgehungs- und Vermeidungsprozessen führen: In Deutschland sind aufgrund dieser Gesetzeslage Händler bestrebt, Gebrauchtwagen nicht mehr auf eigene Rechnung zu verkaufen, da sie meinen, dass das Risiko nicht tragbar ist. Stattdessen tritt der Händler heute üblicherweise als Vermittler eines Kaufs von Privat an Privat auf. Inwieweit diese Praxis zulässig ist oder gegen das gesetzliche Verbot von „Umgehungsgeschäften“ (§ 475 Absatz 1 Satz 2 BGB) verstößt, hat der Bundesgerichtshof noch nicht endgültig entschieden.

Aushebelung des Verursacherprinzips

Die Anbieterseite beklagt, dass verbraucherschützende Gesetzesregelungen (z. B. das AGB-Gesetz, das inzwischen in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurde) vielfach dazu führen, dass Kosten nicht mehr verursachergerecht belastet werden dürfen. Zum Beispiel dürfen Banken ihren Kunden keine Kosten für die Rückgabe von Lastschriften oder für die Bearbeitung von Kontopfändungen in Rechnung stellen.

Durchsetzung von Verbraucherrecht

Ein weiteres Problem besteht darin, das gesetzlich geregelte Verbraucherrecht juristisch durchzusetzen. Gerade wenn einem Verbraucher kein oder nur ein geringer finanzieller Schaden entsteht, lohnt sich eine Klage für ihn nicht bzw. birgt unverhältnismäßige Risiken. Da häufig keine Interessenvertretung existiert, die für Verbraucher Sammelklagen organisiert oder sie kostenlos in rechtlichen Fragen berät, bleiben Verstöße gegen das Verbraucherrecht häufig ungeahndet. Gerade Firmen in der Telekommunikationsbranche – auch die Deutsche Telekom, an der die öffentliche Hand nennenswerte Anteile hält – setzen sich daher immer wieder über Gesetze zum Verbraucherschutz hinweg, etwa durch unerwünschte Werbeanrufe.

Milton Friedman Verbraucherschutz

Milton Friedman kritisiert[2] Verbraucherschutz am Beispiel des Arzneimittelzulassungssystems. Er kritisiert insbesondere, dass Verbraucherschutzeinrichtungen dazu tendieren, lieber zurückhaltend auf Neuerungen zu reagieren und beispielsweise vor der Zulassung neuer Arzneimittel unangemessen viele Tests verlangen, um schädliche (Neben-)Wirkungen auszuschließen. Friedman erklärt, es gäbe "starke Indizien" dafür, dass mehr Menschen durch eine zu späte Zulassung zu Schaden kommen oder sterben, als durch (Neben-)Wirkungen zu Schaden kommen.

Verbraucherorganisationen

International

Europa

  • Bureau Européen des Unions de Consommateurs (BEUC)[4]

Deutschland

Österreich

Schweiz

Behörden und Ausschüsse

Europäische Union

Deutschland

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Verbraucherschutz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikinews Wikinews: Portal:Verbraucherschutz – in den Nachrichten
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Einzelnachweise

  1. Lehrstuhl für Zivil- und Wirtschaftsrecht, insbesondere Bank-, Kapitalmarkt- und Verbraucherrecht
  2. Milton Friedman on Libertarianism
  3. Consumers International - The Global Voice of Consumers, Homepage (online)
  4. BEUC, the European Consumers’ Organisation, Homepage (online)
  5. Bund für Anleger- und Verbraucherschutz e.V., Homepage (online)

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