Milton Friedman

Milton Friedman
Milton Friedman

Milton Friedman (* 31. Juli 1912 in Brooklyn, New York City; † 16. November 2006 in San Francisco) war ein US-amerikanischer Ökonom, der fundamentale Arbeiten auf den Gebieten der Makroökonomie, der Mikroökonomie, der Wirtschaftsgeschichte und der Statistik verfasste. Er erhielt 1976 den sogenannten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Leistungen auf dem Gebiet der Analyse des Konsums, der Geschichte und der Theorie des Geldes und für seine Demonstration der Komplexität der Stabilitätspolitik.[1] Friedman wird neben John Maynard Keynes als der einflussreichste Ökonom des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen.[2]

Friedman, der sich als klassischen Liberalen betrachtete[3], hob besonders die Vorteile eines freien Marktes und die Nachteile staatlicher Eingriffe hervor. Seine Grundhaltung kommt in seinem Bestseller Kapitalismus und Freiheit (1962) zum Ausdruck. Darin forderte er die Minimierung der Rolle des Staates, um somit politische und gesellschaftliche Freiheit zu fördern. In seiner Fernsehserie Free to Choose, die PBS im Jahre 1980 sendete, erklärte Friedman die Funktionsweisen des freien Marktes und unterstrich besonders, dass andere wirtschaftliche Systeme die sozialen und politischen Probleme einer Gesellschaft nicht adäquat lösen könnten.[4]

Friedman war Professor an der University of Chicago. Er war Schüler von Frank Knight. Der Rechtswissenschaftler David D. Friedman ist sein Sohn, Patri Friedman sein Enkel.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Friedman wurde als Sohn ungarischer, jüdischer Einwanderer in New York geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Rahway, New Jersey. Bereits im Alter von 16 Jahren begann er ein Mathematik- und Ökonomiestudium an der Rutgers University in New Jersey. 1932 schloss er es mit einem Bachelor of Arts ab. Er entschloss sich, sein Studium an der University of Chicago mit dem Fokus auf Ökonomie weiterzuführen. Dort erhielt er den Titel Master of Arts.

Friedman veröffentlichte in der Folgezeit mehrere Artikel in Fachzeitschriften, u. a. im Quarterly Journal of Economics der Harvard University. Die Columbia University bot ihm schließlich ein großzügiges Stipendium an, weshalb er sich dazu entschied, dort seine Dissertation zu schreiben. Die Arbeit mit dem Titel Income from Independent Professional Practice beschäftigt sich mit der ökonomischen Situation von Angehörigen freier Berufe. 1941–1943 war er für die Steuerforschungsabteilung des US-Finanzministeriums (National Bureau of Economic Research) tätig. Zu diesem Zeitpunkt war seine Doktorarbeit bereits abgeschlossen; er musste sie aber bis 1946 wegen ihrer politischen Sprengkraft unter Verschluss halten.

1938 heiratete er die Ökonomin Rose Director. Ihre Tochter wurde 1943 geboren, 1945 ihr Sohn David, der Rechtswissenschaftler wurde. 1946 begann er seine Lehrtätigkeit an der University of Chicago, die er bis 1976 ausübte. In dieser Zeit bildete sich in der Ökonomie der Begriff „Chicagoer Schule“, den Friedman inhaltlich maßgeblich prägte.

Friedman war einer der Teilnehmer des Gründungstreffen im April 1947 der Mont Pelerin Society, einem Zusammenschluss liberaler Intellektueller. Von 1970 bis 1972 war er Präsident dieser von Friedrich August von Hayek initiierten Organisation. In den 1950er Jahren beschäftigte er sich mit der Lehre der Nachfragepolitik von John Maynard Keynes. Seine Kritik derselben erschien 1957 unter dem Titel A Theory of the Consumption Function. In den 70er Jahren trat seine angebotsorientierte Wirtschaftstheorie in Konkurrenz zum Modell des Keynesianismus.

Als sein Hauptwerk wird das 1963 erschienene A Monetary History of the United States, 1867–1960, das er mit der Ökonomin Anna Schwartz verfasste, angesehen. Darin beschrieb Friedman die großen Auswirkungen der Geldmengenänderung auf Konjunkturzyklen und bestritt damit die keynesianische Erklärung der Weltwirtschaftskrise. Diese ist nach Friedman nicht auf die Instabilität des privaten Sektors, sondern auf die Geldmengenreduktion des Federal Reserve Systems zurückzuführen. In der Folgezeit wurde Friedman durch populärwissenschaftliche Abhandlungen, insbesondere durch das 1963 erschienene Buch Kapitalismus und Freiheit, einem breiten Publikum bekannt. Zudem war er in den 1960er/1970er Jahren als Kolumnist für das bekannte Magazin Newsweek tätig. In den 1980er Jahren gestaltete Friedman zusammen mit seiner Frau unter dem Titel Free to Choose mehrere Sendungen über wirtschaftliche Themen, die im Fernsehen zu sehen waren.[4]

Friedman war auch an politischen Entscheidungen beteiligt. So schaffte die US-Regierung 1971 nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems auf seinen Rat hin die feste Wechselkursbindung des Dollars an andere Währungen ab. Die von Friedman vorausgesagte konjunkturstabilisierende Wirkung stellte sich bald ein. Er unterstützte außerdem aktiv zahlreiche Volksabstimmungen zur Senkung von Steuern. 2005 befürwortete er, zusammen mit 500 anderen Unterzeichnern, in einem offenen Brief an die US-Regierung die Legalisierung von Marihuana.

Friedman war Mentor einer Gruppe von chilenischen Ökonomen, den nach der Chicagoer Schule benannten Chicago Boys. Diese bestimmten unter der Militär-Diktatur Pinochets in Chile maßgeblich eine neue liberale Wirtschaftsordnung, die auf den Ideen Friedmans aufbaute. Die Tatsache, dass eine Militär-Diktatur eine liberale Marktwirtschaft einführte, bezeichnete Friedman später als "Wunder von Chile" [5]. Bei seinem Besuch 1975 in Chile traf Friedman auch kurz mit Pinochet zusammen. Dafür, dass er Pinochet keine Vorwürfe wegen der Diktatur und Menschenrechtsverletzungen machte, wurde Friedman heftig kritisiert.[6], und es kam zu Protesten anlässlich der Verleihung des Nobelpreises 1976 an ihn. Orlando Letelier, ein ehemaliger Minister der von Pinochet gestürzten Allende-Regierung, warf Friedman in einem Beitrag für The Nation 1976 Doppelmoral bei seinem Verständnis von „Freiheit“ in Hinblick auf Chile vor [7]. Friedman erklärte später, die Militärdiktatur Pinochets sei ein schreckliches ("terrible") Regime gewesen. [8]. In der Entwicklung Chiles zur Demokratie sah er seine Überzeugung, dass freie Märkte eine freie Gesellschaft hervorbringen, bestätigt.[9]

Friedman stand der Republikanischen Partei nahe. Er bezeichnete sich selbst als Vertreter des klassischen Liberalismus. [10]

1977, nach seiner Emeritierung in Chicago, wechselte Friedman zur Hoover Institution der Stanford University, für das er bis zu seinem Tod tätig war. 1988 überreichte US-Präsident Ronald Reagan Friedman die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung in den USA. Friedman starb im November 2006 an Herzversagen.

Werk

Kapitalismus und Freiheit (1962)

Als Vertreter des Liberalismus stand die Freiheit des Einzelnen im Zentrum der Argumentation Friedmans. Er hielt die freie Wahl des Einzelnen für nutzbringender als staatliche Regelungen. Daher unterstützt er eine Reduktion der Staatsquote, freie Wechselkurse, den Wegfall staatlicher Handelsbeschränkungen, die Aufhebung der Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Berufsgruppen und eine Reduktion staatlicher Fürsorge. Friedman stellte auch die Luxusguthypothese des Geldes auf.

Die Aufgaben des Staates beschrieb er folgendermaßen:[11]

„Ein Staat, der Recht und Ordnung aufrecht erhielte, Eigentumsrechte definierte, als Medium diente, durch welches wir Eigentumsrechte und andere Regeln des ökonomischen Spiels ändern könnten, Streitigkeiten über die Interpretation der Regeln entschiede, die Erfüllung von Verträgen durchsetzte, den Wettbewerb förderte, eine Währungsverfassung bereitstellte, Aktivitäten entfaltete, um technischen Monopolen entgegenzuwirken und solche Nachbarschaftseffekte zu bewältigen, die weithin als hinreichend erachtet werden, um staatliche Intervention zu rechtfertigen, und der private Wohltätigkeit ergänzte wie die Familie bei dem Bemühen, den Unmündigen, ob geistig Behinderten oder Kind zu schützen - solch ein Staat hätte eindeutig wichtige Funktionen zu erfüllen.“

Milton Friedman

Er griff in den 1960er Jahren die Idee der negativen Einkommensteuer von Juliet Rhys-Williams aus den 1940er Jahren auf. Danach würde das Finanzamt jedem Steuerpflichtigen, dessen Einkommenssteuerschuld unter einem festzulegenden Minimum liegt, die Differenz ohne weitere Prüfungen überweisen.

Neben den Kernbereichen der Wirtschaftswissenschaft trat Friedman auch für mehr Freiheit in anderen Bereichen ein. Er setzte sich stets für die Abschaffung der Wehrpflicht in Friedenszeiten ein, plädierte für die Legalisierung von Marihuana und kämpfte für ein Bildungsgutscheinmodell.

Murray Rothbard kommt in dem 1971 veröffentlichten Aufsatz Milton Friedman Unraveled zu dem Schluss, dass es schwierig sei, Friedman als Vertreter der Freien Marktwirtschaft anzusehen. [12]

Die Rolle der Geldpolitik (1968)

Friedmans Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote postuliert für jede Volkswirtschaft eine „natural rate of unemployment“, welche durch die institutionellen Gegebenheiten determiniert sei: friktionelle und strukturelle Faktoren sowie Unvollkommenheiten des Marktes wie Informationsmängel, Mobilitätshemmnisse, Anpassungskosten und demografischer Wandel. Langfristig lasse sich die Rate der natürlichen Arbeitslosigkeit indes durch Strukturreformen reduzieren. Im Idealfall, also in einem vollkommenen Markt, betrage sie null.

Es existiere demzufolge in Wirklichkeit kein Trade-off zwischen Inflationsbekämpfung und Beschäftigungspolitik, wie die Wirtschaftstheorie früher behauptet hatte. Eine Geldpolitik mit dem Ziel der Vollbeschäftigung sei damit zum Scheitern verurteilt und führe schlimmstenfalls zur Steigerung der Inflation.

Die optimale Geldmenge (1969)

Milton Friedman gilt als führender Vertreter des Monetarismus. Im Zentrum seiner geldtheoretischen Überlegungen steht die These, dass es eine feste langfristige Beziehung zwischen Geldmenge und Inflation (oder auch Deflation) gebe. Damit ist für ihn Inflation ein rein monetäres Phänomen, dem die Zentralbank durch eine strikte Kontrolle der Geldmenge begegnen könne. Er griff die Idee Walter Euckens auf, Kreditinstituten eine 100-prozentige Mindestreserve vorzuschreiben.

Zugleich lehnte er die Finanzpolitik als Instrument der Nachfragesteuerung ab. Inflation entsteht nach seiner Theorie immer dann, wenn die Geldmenge schneller wächst als die Wertschöpfung in der Realwirtschaft. Staatliche Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft würden mittelfristig verpuffen. Die häufig Keynes zugeschriebene antizyklische Fiskalpolitik zur Abfederung der Konjunkturschwankungen könne deshalb nicht funktionieren. Zwei seiner wesentlichen Beiträge zur ökonomischen Debatte sind Die quantitative Theorie des Geldes und The expectations-augmented Phillips Curve (zur Phillips-Kurve).

Chancen, die ich meine (1980)

In dem Werk von Rose und Milton Friedman Chancen, die ich meine (1980) bezeichnet er den Wohlfahrtsstaat und die Inflation als die größten Feinde der Wirtschaft.

Für Friedman ist der Wohlfahrtsstaat ein Betrug an den Leuten, die noch arbeiten und Steuern zahlen. Hierzu zeigte er die Methoden auf, in welcher Art und Weise Geld ausgegeben wird:

  1. eigenes Geld für sich selbst ausgeben, zum Beispiel beim Einkaufen im Schuhladen
  2. eigenes Geld für andere ausgeben, was vor allem zu Weihnachten geschieht
  3. anderer Leute Geld für sich selbst ausgeben, indem man auf Kosten der Firma speist oder mit dem Taxi fährt
  4. anderer Leute Geld für andere ausgeben, was vornehmlich der Wohlfahrtsstaat macht

Für ihn gibt es ein klares Gefälle zwischen den Methoden von eins nach vier. Die Leichtfertigkeit, mit der der Mensch mit Geld umgeht, nehme von eins bis vier eindeutig zu. Für Friedman sind die Methoden drei und vier der Grund für die Inflation und die Ursache für den Verfall der westlichen Industrienationen. Mit der Behauptung, die Armen zu unterstützen, ziehe der Sozialstaat mit seiner mächtigen Wohlfahrts-Bürokratie dem Mann im Büro und an der Werkbank das Geld aus der Tasche. Teile man aber den Betrag, der bis kurz vor 1980 in den USA zur Bekämpfung der Armut ausgegeben wurde, durch die Zahl der Menschen, die nach amtlicher Statistik bedürftig sind, dann müsste das Einkommen dieser Bedürftigen eineinhalb- bis zweimal so groß sein wie das durchschnittliche Einkommen der Bevölkerung. In Wirklichkeit bliebe für die Bedürftigen wenig übrig. Denn das Geld werde vor allem für die Bürokratie und Personalkosten verwendet.

Veröffentlichungen

  • A Theory of the Consumption Function. 1957, ISBN 0-691-04182-2
  • Geldangebot, Preis- und Produktionsänderungen. In: ORDO 11, 1958, S. 193-216, ISSN 0048-2129
  • Echter und unechter Goldstandard. In: ORDO 13, 1960, S. 121-140
  • Capitalism and Freedom. 1962
    • Kapitalismus und Freiheit. Seewald, Stuttgart-Degerloch 1971; zuletzt Piper, München/Zürich 2004, ISBN 3-492-23962-5
    • Radikale Idee, Rezension von Isabelle Körner in der Zeit, 1999 (ZEIT Bibliothek der Ökonomie)
  • A Monetary History of the United States, 1867–1960. 1964, ISBN 0-691-00350-5
  • The Optimum Quantity of Money and other Essays. 1969, ISBN 0-202-06030-6
    • Die optimale Geldmenge und andere Essays. Verlag Moderne Industrie, München 1970, ISBN 3-478-34332-1
  • Die Gegenrevolution in der Geldtheorie. In: Peter Kalmbach: Der neue Monetarismus. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1973, ISBN 3-485-03212-3
  • There’s no such thing as a free lunch. 1975
    • Es gibt nichts umsonst. Warum in einer Volkswirtschaft jede Mark verdient werden muss. Verlag Moderne Industrie, München 1979, ISBN 3-478-37090-6
  • Price Theory. 1976
  • mit Rose Friedman: Free to Choose. 1980, ISBN 0-15-633460-7
    • Chancen, die ich meine. Ein persönliches Bekenntnis. Ullstein, Berlin/Frankfurt/Wien 1980, ISBN 3-550-07930-3
  • mit Rose Friedman: Tyranny of the Status Quo. 1984
    • Die Tyrannei des Status Quo. Wirtschaftsverlag Langen-Müller/Herbig, München 1985, ISBN 3-7844-7152-8
  • Money Mischief. 1992
    • Geld regiert die Welt. Neue Provokationen vom Vordenker der modernen Wirtschaftspolitik. ECON-Verlag, Düsseldorf [u.a.] 1992, ISBN 3-430-12985-0
    • Rezension von Alan Reynolds in der National Review, 3. August 1992

Literatur

Einzelnachweise

  1. Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1976 an Milton Friedman (englisch)
  2. „If John Maynard Keynes was the most influential economist of the first half of the 20th century, then Milton Friedman was the most influential economist of the second half.“ (Lawrence Summers in der New York Times: The Great Liberator. 19. November 2006)
  3. Taylor C. Boss und Jordan Gans-Morse: Neoliberalism: From New Liberal Philosophy to Anti-Liberal Slogan. In: Studies in Comparative International Development. 44, Nr. 2, 2009, ISSN 0039-3606, S. 150, doi:10.1007/s12116-009-9040-5
  4. a b Free to Choose als Streaming Media
  5. „The real miracle is that a military junta was willing to let them do it. As I said to begin with, the principle of the military is from the top down. The principle of a market is from the bottom up. It's a real miracle that a mititary group was willing to let a bottom-up approach take over.“ The Drug War as a Socialist Enterprise by Milton Friedman November 1991
  6. Brian Doherty: The Life and Times of Milton Friedman, Reason, März 2007
  7. Orlando Letelier: The Chicago Boys in Chile: Economic Freedom's Awfull Toll, The Nation, 28. August 1976
  8. Milton Friedman: Economic Freedom, Human Freedom, Political Freedom
  9. Interview mit Milton Friedman, PBS, 1. Oktober 2000
  10. http://pages.sbcglobal.net/tboas/neoliberalism.pdf S.14
  11. Milton Friedman, Capitalism and Freedom (1962), Seite 34, zitiert nach Manfred E Streit, Der Neoliberalismus - Ein fragwürdiges Ideensystem?, in ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Band 57, Lucius & Lucius DE, 2006, ISBN 3-8282-0327-2, Seite 94
  12. „And so, as we examine Milton Friedman’s credentials to be the leader of free-market economics, we arrive at the chilling conclusion that it is difficult to consider him a free-market economist at all.“ (Milton Friedman Unraveled. In: The Individualist. 1971; wiederveröffentlicht in Journal of Libertarian Studies. Herbst 2002)

Weblinks

 Commons: Milton Friedman – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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