Geschichte der Stadt Kalisz

Geschichte der Stadt Kalisz

Kalisz (deutsch Kalisch) ist seit Entstehung des Landes Polen die älteste Stadt Polens und war tausend Jahre zuvor eine von vielen schon in griechischen und römischen Quellen benannten Siedlungen östlich der Elbe.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die Stadt wurde (neben weiteren im heutigen Polen liegenden Siedlungsplätzen) als Calisia um das Jahr 150 n. Chr. vom alexandrinischen Geographen Claudius Ptolemäus in seinem Werke „Abriss der Geographie“ erwähnt, das Gebiet war aber bereits um das Jahr 1200 v. Chr. von der Bevölkerung der Lausitzer Kultur bewohnt, was man durch zahlreiche Ausgrabungen feststellen zu können glaubt. Aber, ob der Namen Calisia wirklich Kalisch betraf, ist heutzutage fraglich, weil viele Historiker der Meinung sind, dass ptolemäussche Calisia im Bezug auf die mährische Olomouc erwähnt wurde.

In der Zeit von Ptolemäus lag Kalisch im Gebiet Magna Germania als Knotenpunkt an einer der wichtigsten Handelsstraßen Zentraleuropas, Bernsteinstraße genannt, die das Römische Imperium im Süden mit der Ostseeküste verband.

Calisia war damals wahrscheinlich von Lugiern (griechisch: Lygiern) bewohnt, die nach der Ansicht deutscher Historiker eine Kultgemeinschaft wandalischer, also germanischer Völker in Schlesien und im späteren Westpolen waren, während polnische Gelehrte sie dem slawischen Stamme zuführen. Dieses altertümliche Calisia lag indessen nicht im Tal der Prosna, wie der heutige Stadtkern, sondern ein paar Kilometer weiter östlich auf dem Gebiet der heutigen Alten Stadt. Später, in der frühen piastischen Zeit bestand dieses Kalisch aus der herzoglichen Burg mit der Paulskirche, der Handwerkersiedlung mit der Adalbertkirche, noch einer benachbarten Siedlung mit der Gotthardkirche und einer Judenstadt, die ebenfalls in der Nähe der Burg lag.

Mittelalter

Der frühesten Erwähnung von Kalisch im Mittelalter begegnen wir 1106 in der Chronik des Gallus Anonymus, der die Kämpfe zwischen zwei Söhnen des Herzogs Władysław I. Herman, Bolesław III. Schiefmund und Zbigniew beschreibt: Kalisch geriet in die Machtsphäre Zbigniews, der 1102–1106 Herr der Stadt war.

Zum zweiten Mal erwähnt wird Kalisch im Jahre 1136 in der Bulla des Papstes Innozenz II., der über Kalisch als eine der wichtigsten Kastellaneien auf dem Gebiet Polens spricht. Nach Ansicht mancher Historiker war Kalisch damals auch Hauptstadt der Mittelpolnischen Provinz, die die Kastellaneien von Kalisch, Sieradz und Łęczyca umfasste.

Wichtige Jahreszahlen in der späteren Geschichte von Kalisch

Piastenzeit

  • 1138: Im Testament Boleslaw III. wird Kalisch dem Senior-Herzogtum Krakau zugeteilt
  • 1146: Aufruhr der jüngeren Brüder gegen Władysław II. den Vertriebenen, sein Sturz; Kalisch kommt zum Herzogtum Großpolen, wo Mieszko III., genannt der Alte, regiert.
  • Um 1155: Mieszko III. stiftet die romanische Schlosskirche zum Heiligen Paul, wo 1193 sein Sohn Mieszko und 1202 er selbst bestattet werden. Die Fundamente dieser Kirche mit dem Grabstein Mieszkos wurden erst um 1960 auf dem Gebiet der sog. Schwedenschanze gefunden.
  • Ab 1193: Kalisch wird zur Hauptstadt des gleichnamigen piastischen Herzogtums, das seine Grenzen oft ändert und wo verschiedene Nachkommen Mieszkos III. regieren.
  • 1233: Der schlesische Herzog Henrich I. der Bärtige führt Krieg gegen den großpolnischen Vetter Władysław Odon, belagert die Kalischer Burg, erobert und zerstört sie. Das Herzogtum Kalisch geht an die schlesischen Piasten über.
  • Um 1234: Heinrich I. verlegt die Burg und die Stadt an die heutige Stelle – eine Insel zwischen drei Armen der Prosna. Das alte Kalisch, nunmehr Alte Stadt genannt, sinkt zu einem Bauerndorf herab.
  • Um 1235: (Die genaue Jahreszahl ist nicht bekannt) – Kalisch erhält das Magdeburger Recht und wird nach dem Muster der schlesischen Städte in strenger Gitterform mit rechteckigem Marktplatz (Ring) aufgebaut. Das Gebiet der Stadt umfasst 18 ha, alle Gebäude, außer zwei Kirchen – Nikolaus- und Franziskanerkirche – sind aus Holz.
  • 1264: Die „Alte Stadt“ erhält das Dorfrecht.
  • 1305: Verwaltungsreform nach der Wiedervereinigung Polens unter König Władysław I. Ellenlang. Neue Verwaltungseinheiten, Woiwodschaften genannt, werden geschaffen. Kalisch wird zur Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft, die (mit gewissen Grenzänderungen) zum Jahre 1793, der 2. Teilung Polens bestehen soll. Sie umfasst Süd-und Ostgroßpolen mit Kalisch, Gnesen, Pyzdry/Peisern, Konin und Środa/Schroda und außerdem Nakło nad Notecią/Nakel an der Netze.
  • 1331: Am 21. September belagert das Heer des Deutschen Ordens unter dem Oberstmarschall Dietrich von Altenburg die Stadt Kalisch, zieht jedoch nach ein paar Tagen ab, ohne Erfolge erzielt zu haben.
  • 1343: Im Juli laufen Vorbereitungen zum „Kalischer Frieden“ zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden, große Tagung in Kalisch, an der König Kasimir III. der Große persönlich teilnimmt. Mehrere damals bedeutende polnische Städte, unter ihnen Kalisch selber, sind Unterzeichner des Vertrags von Kalisch, der am 23. Juli in Kraft tritt und strittige Fragen regelt
  • 1333 bis 1370: Regierung des letzten Piastenkönigs, Kasimir III. des Großen, die einen großen Fortschritt in der Entwicklung der Stadt Kalisch bedeutet: Um 1361 erbaut man aus Ziegeln die Wehrmauer der Stadt, um 1363 erweitert man das alte Schloss Heinrichs des Bärtigen. Es entstehen neue Vorstädte, die Breslauer Vorstadt am Breslauer Tor und die Thorner Vorstadt am Thorner Tor und eine neue Pfarrkirche, zur Mariae Himmelfahrt. Außer dem alten Franziskanerkloster gibt es nun zwei gemauerte neue Klöster in der Stadt, das der Kanoniker zum Hl. Geist und das der Kanoniker vom Lateran. 1353 wird auch das erste Palais der Gnesener Erzbischöfe in der Stadt errichtet.
  • 1372: Die erste Städtische Schule entsteht.

Jagiellonenzeit

  • 1410: Truppen aus der Woiwodschaft Kalisch nehmen unter eigener Fahne an der großen Schlacht gegen den Deutschen Orden bei Tannenberg (in polnischer Geschichte als „Schlacht bei Grunwald“ bekannt) teil.
  • 1425: Wladyslaw II. Jagiello befreit die Salzhändler aus der Stadt von Steuern auf dem Territorium Polens und Litauens. Gleichzeitig empfängt er den dänischen und schwedischen König Erich X. von Pommern im Kalischer Schloss.
  • 1426: Das erste Rathaus mit einem Turm wird errichtet. Um diese Zeit entsteht auch die zweite Städtische Schule an der Himmelfahrtskirche, die gewisse akademische Rechte hat und unter der Obhut der Krakauer Universität steht.
  • 1454: Während des Dreizehnjährigen Krieges des Königs Kasimir IV. gegen den Deutschen Orden nehmen Kalischer Truppen an der Belagerung Marienburgs teil.
  • 1461: Das Hospital zur Heiligen Dreieinigkeit in der Breslauer Vorstadt entsteht.
  • 1489: Das hölzerne Bernhardiner Kloster und -kirche in der Thorner Vorstadt werden erbaut.

Wasazeit und Schwedische Kriege

  • 1583: Der Bischof Stanislaus Karnkowski holt die Jesuiten nach Kalisch.
  • 1584: Die Jesuiten beginnen ihre Lehrtätigkeit in einem provisorischen Schulgebäude. (1584: 200 Schüler, 1586: schon 500 Schüler.)
  • 1585 bis 1591: Die barocke Jesuitenkirche zum Hl. Stanislaus und Hl. Adalbert mit dazugehörigem Kloster und Kollegium wird aus Karnkowskis Privatmitteln errichtet. Die Architekten sind italienische Jesuiten.
  • 1592: Das Jesuitentheater am Kollegium beginnt seine Tätigkeit. Zuerst werden nur lateinische Stücke inszeniert, später auch polnische.
  • 1603: Die erste Buchdruckerei in Kalisch (Besitzer: Meister Johann Wohlraab, danach bis 1632 Adalbert Gedelius) wird eröffnet, es werden aber ausschließlich Werke von religiösem Inhalt verlegt. Nach dem Tode von Gedelius (um 1636) wird die Druckerei von den Jesuiten übernommen, die sie bis 1773 betreiben.
  • 1655: Der „Polnische Krieg“ des Schwedenkönigs Karl X. Gustav beginnt. Schwedische Truppen unter Feldmarschall Arvid Wittenberg besetzen Posen und erreichen am 7. August Kalisch. Der Kalischer Magistrat huldigt dem König von Schweden und zahlt eine Kontribution von 6.000 Gulden.
  • 1656: Am 10. und 11. August verheert ein großer Brand die Stadt. Erhalten bleiben nur gemauerte Gebäude: Kirchen, Rathaus, eine Ringseite und ein paar Häuser in der Breslauer Vorstadt.
  • 1657: König Johann II. Kasimir nimmt die Schäden in Augenschein und befreit die Stadt und die ihr zugehörigen Dörfer von allen Steuerlasten. Dies hilft jedoch wenig, der Aufbau der Stadt dauert sehr lange.
  • 1700: Der Große Nordische Krieg beginnt. Dänemark, Polen, Russland und Sachsen kämpfen gegen den Schwedenkönig Karl XII., der Subsidien aus Frankreich erhält.
  • 1706: Am 29. Oktober wird die Schlacht bei Kalisch zwischen den Schweden und den polnischen Anhängern des Königs Stanislaus I. Leszczyński (zusammen 15.000 Mann) und Sachsen, Russen und Polen (Anhängern August II. des Starken – zusammen 35.000 Mann) ausgefochten. Die Schweden verlieren, ihr Befehlshaber Arvid Axel Mardefelt wird gefangengenommen.
  • 1707: Nach der schwedischen Okkupation zählt die Stadt nur 1.000 Einwohner.
  • 1726: Das schwer beschädigte Kalischer Schloss wird wiederaufgebaut (die Arbeiten dauern bis 1730).

Ausklang der Adelsrepublik

  • 1769: Kriegshandlungen während der Konföderation von Bar zerstören die Stadt noch mehr.
  • 1776: Der Aufbau der Stadt unter der Leitung der „Kalischer Kommission für gute Ordnung“, die von Grundbesitzern der Woiwodschaft gebildet wurde. Wiederbelebung des Handels und Handwerks.
  • 1792: Durch den großen Brand vom 13. September, der in der Breslauer Vorstadt beginnt, gehen alle Häuser der Stadt außer Kirchen und Klöstern zugrunde. Der große Wirbelwind am 14. Dezember vollendet den Untergang von Kalisch.

Preußische und napoleonische Zeit

  • 1793: Am 23. Januar unterschreiben Preußen und Russland den Vertrag über die 2. Teilung Polens. Woiwodschaften Posen und Kalisch werden Preußen zugesprochen. Bis Mai 1793 steht Kalisch unter preußischer Militärverwaltung. Am 7. Mai huldigen die Stände Großpolens dem König von Preußen Friedrich Wilhelm II.. Die annektierten Gebiete erhalten den Namen Südpreußen. Kalisch wird dem Regierungsbezirk Posen unterstellt. Im Oktober desselben Jahres entsendet Berlin nach Kalisch eine Aufbaukommission unter der Leitung des Majors von Schack, die die Aufgabe erhält, das alte Jesuitenkollegium zu einer Kadettenschule umzubauen. In demselben Jahre kommt auch die erste Welle der deutschen Übersiedler, vor allem aus der Mark Brandenburg und Niederschlesien. Die Zahl der deutschsprachigen Einwohner von Kalisch beträgt in diesem Jahre 120 Personen. Gesamtanzahl der Einwohner in diesem Jahre: 3.832.
  • 1794: Da die ehemaligen polnischen Beamten keine Deutschkenntnisse haben, beginnt man Beamte aus Berlin und Ostpreußen zu importieren, was zu Reibungen führt, da die neuen Beamten die polnische Sprache nicht beherrschen und lokale Juden, deren Sprache Jiddisch ein deutscher Dialekt ist, als Dolmetscher verwenden müssen.
  • 1795: Kalisch wird zur Hauptstadt des neuen südpreußischen Regierungsbezirks Kalisch erhoben, der die Kreise Kalisch, Sieradz, Leczyca samt Wieluń und Tschenstochau umfasst. Im selben Jahr kauft die deutsche evangelische Gemeinde die ehemalige Jesuitenkirche. Sie soll bis 1945 als evangelisches Gotteshaus dienen.
  • 1796: Das baufällig gewordene Kalischer Schloss wird abgerissen. Im nächsten Jahr trägt man auch das schwer beschädigte gotische Rathaus ab.
  • 1797: Feierliche Eröffnung der Kalischer Kadettenanstalt. Die Schüler sind Söhne des ärmeren Adels aus der Gegend im Alter von 8 bis 10 Jahren (1797: 125 Schüler, 1799 schon 200). Der Unterricht umfasst einen Deutschkursus, Preußens Geschichte, Grundlagen der Mathematik und militärische Themen. Die Absolventen der Anstalt werden zum weiteren Studium im Kadettenkorps nach Berlin geschickt.
  • 1798: Karl Wilhelm Mehwald († 1824) wandert aus Jauer ein, lässt sich in Kalisch nieder und eröffnet seine Druckerei, die bis 1914 überleben sollte.
  • 1805: Mehwalds Verlag beginnt, die erste Kalischer Zeitung, die zweisprachige „Chronik der Stadt Kalisch/Kronika Miasta Kalisza“ herauszugeben. Später im gleichen Jahr beginnt auch das zweisprachige „Kalischer Wochenblatt/Pismo Tygodniowe Kaliskie“ zu erscheinen, ebenfalls bei Mehwald.
  • 1805: Die preußischen Behörden lassen den Stadtpark und die großzügig geplante „Königin-Luise-Allee“ anlegen, die längs der Prosna vom Breslauer Tor zum Park läuft. Später hieß sie „Kaiserin Joséphine-Allee“ und ist bis heute der Prachtboulevard von Kalisch.
  • 1806: Kalisch hat schon etwa 1.800 deutsche Einwohner, die Zahl der Deutschen ist größer als die der Juden.
  • 1806: November-nach der Niederlage Preußens bei Jena-Auerstedt werden die preußischen Truppen in Kalisch von der Bürgerwehr entwaffnet, die meisten preußischen Beamten fliehen. Am 14. November wird Kalisch von französischen Truppen besetzt.
  • 1807: Durch den Frieden von Tilsit wird das Herzogtum Warschau geschaffen. Kalisch wird zur Hauptstadt des gleichnamigen Departements ausersehen. Der 30-köpfige Munizipalrat löst den alten Stadtrat ab, der Bürgermeister - jetzt Stadtpräsident genannt, bekommt erweiterte Machtbefugnisse.
  • 1808: Die von den Preußen geschaffene Kadettenanstalt wird neu organisiert und den Militärbehörden des Großherzogtums unterstellt. Die Ruine des gotischen Rathausturms wird abgerissen. Bis 1890 hat Kalisch kein Rathausgebäude.
  • 1810: die Städtische Realschule wird auf den Grundmauern des abgetragenen Schlosses erbaut. Die renommierte Schule arbeitet bis heute, als „Adam-Asnyk-Lyzäum“.
  • 1811: Napoleons Große Armee sammelt sich auf dem Territorium des Departements K., Russlands Eroberung wird vorbereitet. Viele Plünderungen und Kontributionen.
  • 1812: Die kläglichen Reste der geschlagenen Grande Armée ziehen durch Kalisch nach Frankreich zurück. Viele Franzosen sterben im provisorischen Lazarett, das eigens für sie eingerichtet wurde, und werden auf dem Friedhof der Bernhardinerkirche begraben. Eine dort errichtete Gedenksäule erinnert bis heute an sie.
  • 1813: Am 13. Februar wird Kalisch von russischen Truppen belagert. Schon nach einem Tag der Kämpfe ziehen sich polnisch-sächsische Truppen nach Schlesien zurück, die Russen okkupieren die Stadt.
  • 1813: Am 18. Februar wird das preußisch-russische Militärbündnis der Vertrag von Kalisch abgeschlossen: Preußen gewinnt Russland als Verbündeten gegen Frankreich für die nun beginnenden Befreiungskriege gegen Napoléon Bonaparte.

Unter dem Zarenadler

  • 1815: Beschlüsse des Wiener Kongresses. Der größte Teil des ehemaligen Herzogtums Warschau wird an Russland als sog. Kongreßkönigreich Polen übergeben. Kalisch wird nun die Hauptstadt einer Woiwodschaft und ist von zwei Seiten von Preußen umgeben: Richtung Posen und Richtung Breslau beträgt der Abstand von der Stadtgrenze zur Grenze Preußens nur etwa 5 Kilometer. Der Schmuggel in beiden Richtungen floriert und so soll es bis 1914 bleiben. Nach Deutschland werden vor allem Landwirtschaftprodukte geschmuggelt, aus Deutschland bezieht man Eisenwaren, Salz, Galanterie, Tabakwaren und Jagdgewehre. Kalisch hat in diesem Jahre 7.521 Einwohner.
  • ab 1815: Pläne der Warschauer Regierung, aus Kalisch ein Industriezentrum zu machen, gehen voll in Erfüllung. Seit 1815 entstehen folgende Fabriken:
    • Tuchmanufaktur der Gebrüder Johann und Benjamin Repphan (aus Birnbaum)-1816, (1880 abgebrannt) etwa 2.000 Beschäftigte, die Fachkräfte bestehen ausschließlich aus schlesischen Einwanderern
    • Textilmanufaktur des Wilhelm Meyer (aus Brieg) 1827-38, etwa 150 Beschäftigte
    • Textilfabrik des W.D.Przechadzki (später: Eduard Fiedler) 1821, 60 Beschäftigte
    • Färberei des Wilhelm May (aus Sachsen) 1827, 117 Beschäftigte
    • Textilfabrik Pohl et Co. von Johann Heinrich Claassen, Karl Fischer und Friedrich Pohl- (alle aus Breslau) 1826, 220 Beschäftigte, exportierte Baumwolleprodukte sogar nach China
    • Leinwandweberei des Johann Friedrich Ruderisch (aus Sachsen) -1817, um 20 Gesellen
    • Brauhaus des Wilhelm Weigt um 1820, 100 Beschäftigte
    • Kurzwarenfabrik des Franz Krause (aus Reichenberg)- 1824- etwa 40 Beschäftigte
    • Kurzwarenfabrik des Heinrich Buhle-1818- 80 Beschäftigte
      Rathaus im September 1835 während der „Großen Revue von Kalisch“
    • Färberei des David Christoph Schnerr- 1804- etwa 100 Beschäftigte
    • Weißgerberei des Karl Heinrich Fritsche (aus Ostpreußen)-1823- etwa 30 Beschäftigte
    • Klavierfabrik des Gregor Lindemann-1827- Jahresproduktion 20-30 Instrumente
    • Klavierfabrik des Karl Grünberg-1840- Jahresproduktion etwa 10 Instrumente
    • Gerberei des Wilhelm Fulde (aus Sachsen)-1857, etwa 100 Beschäftigte
    • Seifefabrik des Emil Stark -um 1860, etwa 30 Beschäftigte
    • Spitzenfabrik des J.D.Meisner -um 1870
    • Klavierfabrik des Arnold Fibiger (aus Sachsen, -1878), etwa 100 Beschäftigte. Diese Fabrik arbeitet bis heute
    • Klavierfabrik des Alexander Fibiger (aus Sachsen) bis 1880, Jahresproduktion etwa 10 Instrumente
    • Fabrik der landwirtschaftlichen Geräte der Gebrüder Fellner- 1880.
    • Plüsch-und Samtfabrik des Friedrich Gaede - um 1907-1913, etwa 500 Beschäftigte, damals und lange Zeit nachher größter Arbeitgeber in Kalisch.
  • 1824: monumentales Gerichtsgebäude an der Josephinenallee wird erbaut
  • 1825: die schöne steinerne Alexanderbrücke (als Huldigung der Stadt an den „guten Zaren“ Alexander I.) und das Woiwodschaftsamt werden erbaut
  • 1835: Austragungsort der Großen Revue von Kalisch, einem Militärmanöver zur Bekräftigung des preußisch-russischen Bündnisses mit über 60.000 Beteiligten
  • 1837: nach der Niederlage des polnischen Novemberaufstandes von 1830 wird Kongreßpolen in das Russische Kaiserreich einverleibt; Woiwodschaften werden aufgelöst, Kalisch wird Hauptstadt eines russischen Gouvernements.
  • 1852: Frühjahr-Ausbruch der Choleraepidemie. Sie fängt im jüdischen Viertel mit seinen miserablen hygienischen Verhältnissen an und verbreitet sich über die ganze Stadt. 60 Personen täglich sterben. Erst nach dem großen Brand des Judenviertels am 18. Juli geht die Seuche zurück.
  • 1854: große Hungersnot herrscht in der Stadt. Täglich findet die Stadtpolizei Leichen von verhungerten Alten und elternlosen Kindern.
  • 1855: Auflösung des Gouvernements, Kalisch wird zum ersten Mal in seiner Geschichte zu einer Kreisstadt degradiert
  • 1867: Wiederaufrichtung des Gouvernements Kalisch
  • 1871: Bau der ersten Gasanstalt, Einführung der Gasbeleuchtung. Der Koks muss auf Pferdefuhren aus dem benachbarten preußischen Ostrowo transportiert werden, da Kalisch noch keine Eisenbahn hat.
  • 1880 bis 1890: ein neues (turmloses) Rathaus (Stil der Gründerzeit) wird errichtet. Kalisch hat etwa 20.000 Einwohner und besitzt 3 Hotels, 8 Restaurants, 92 Schankwirtschaften, 5 Konditoreien und 6 Kaffeehäuser, außerdem im Sommer etwa 10 Biergärten.
  • 1889: nach seinem Examen an der Nikolajewschen Kavallerieschule in Sankt Petersburg tritt der spätere finnische Nationalheld Gustaf Mannerheim seinen ersten Offiziersposten im 15. Aleksandrijskij Dragonerregiment in Kalisch an.
  • 1890: eine riesige russisch-orthodoxe Kirche mit fünf Zwiebelkuppeln wird im Zentrum der Stadt errichtet. Sie soll den russischen Charakter der Stadt betonen.
  • 1897 bis 1900: ein neues Stadttheater im Stil der Gründerzeit entsteht
  • 1898 bis 1902: mit großer Verspätung und nach Jahrzehnten von Plänen und Gegenplänen bekommt Kalisch endlich eine Eisenbahnverbindung über Łódź nach Warschau. Bisher musste man die 100 km nach Łódź mit einer Pferdekutsche bewältigen. Reisen nach Breslau (Einkaufsparadies der Kalischaner) oder Posen muss man aber wie bisher mit einer Pferdedroschkenfahrt zum deutschen Grenzbahnhof Skalmerschütz (6 km) anfangen. Die Eisenbahn macht aber, nach russischer Sitte, einen weiten Bogen um die Stadt (aus Angst der zaristischen Behörden vor Revolutionen). Der Bahnhof ist etwa 4 km vom Stadtzentrum entfernt. Kalisch hat damals 23.882 Einwohner.
  • 1902: Bau des ersten, noch kleinen Elektrizitätswerkes. Nur das Zentrum bekommt Strom.
  • 1905: Arbeiterunruhen und Schülerstreik: man fordert unter anderem den Unterricht in polnischer Sprache (bisher wurde sogar Muttersprache Polnisch auf Russisch unterrichtet). Der Gouverneur ruft in Kalisch und dem Gouvernement den Ausnahmezustand aus. Niederwerfung der Proteste durch Polizei und Militär.
  • 1906: die Bahnstrecke Kalisch - Skalmerschütz wird erbaut, es gibt also endlich eine feste Verbindung zum preußischen Eisenbahnnetz.
  • 1909: Gustaf Mannerheim kommt nach Kalisch zurück, diesmal als Befehlshaber des 15. Dragonerregiments. Hier erhält er seine Beförderung zum Generalmajor 1911. Er bleibt in Kalisch bis 1914.
  • 1910: die ersten Telefone in der Stadt werden installiert
  • 1912: Erste Arbeiten bei der Kanalisierung der Stadt.
  • 1913: Kalisch zählt schon 65.400 Einwohner, davon etwa 70% Polen, 25% Juden und 5% Deutsche und Russen. Man bezeichnet die Stadt als „Stadt der vier Kulturen“. Für die Russen „beginnt Russland in Kalisch und endet in Wladiwostok“.

Erster Weltkrieg

  • 1914: Am 1. August erklärt Deutschland Russland den Krieg. Die russischen Verbände ziehen sich aus Kalisch zurück. Am 2. August wird die Stadt vom deutschen 155. Infanterieregiment aus Ostrowo unter dem Befehl Major Preuskers besetzt. Die Stadt muss 50.000 Rubel Kontribution zahlen und 20 Geiseln stellen. Am 7. August tritt die neben dem Brand von 1792 größte Katastrophe in der Geschichte von Kalisch ein. Aus Gründen, die bis zum heutigen Tage nicht ganz geklärt sind, beginnt die deutsche Artillerie auf Preuskers Befehl die Beschießung der wehrlosen Stadt, die bis zum 22. August dauert und viele Tote fordert. Die deutsche Propaganda spricht in jener Zeit von „Freischärlern“, die sich nachts in der Stadt herumgetrieben hätten. Die deutsche Kommission, die 1915 und 1916 die Ursachen der beiderseitigen Beschießung und von deutschen Patrouillen erklären soll, stellt hingegen fest, dass das falsch war. Die Untersuchung ergibt, dass die Patrouillen nur aus Versehen aufeinander geschossen hatten, da sie sich in der Dunkelheit nicht erkannt hatten. Die Beleuchtung der Stadt ist in dieser Zeit sehr gering und schlecht. Der deutsche Befehlshaber Preusker will seinen Irrtum als Befehlshaber vertuschen und stellt offiziell fest, dass die Verantwortlichkeit für die Beschießung auf der Seite der Einwohner von Kalisz liege. Am Ende bleiben nur ein paar Kirchen und das Gouverneurpalais stehen, das neue Rathaus und das Theater gehen mit beinahe allen Wohnhäusern der Stadt zugrunde: 426 Wohnhäuser, 9 Fabriken und 6 öffentliche Gebäude sind nicht mehr. Die Zerstörung von Kalisch wird damals in ganz Europa bekannt und tut der Sache der Mittelmächte keinen geringen Schaden an - von nun an spricht man von „deutschen Barbaren“. Im Dezember leben nur noch 5.000 Einwohner in der Stadt Kalisch. Gleichzeitig ist die Stadt, oder das was von ihr geblieben ist, Sitz der „Kaiserlich deutschen Zivilverwaltung für Polen links der Weichsel“.
  • 1916 bis 1917: die preußische Verwaltung der Stadt legt einen nach dem deutschen architektonischen Stil ausgearbeiteten Aufbauplan der Stadt vor, der allerdings wegen des Widerstandes der Einwohnervertreter, die die Stadt im traditionellen polnischen Stil aufbauen wollen, nicht mehr realisiert werden kann. Die späteren Behörden von Kalisz, schon im unabhängigen Polen, akzeptieren den polnischen Stil des Aufbaus und versuchen der Stadt ihre frühere Schönheit wiederzubringen. Im Jahre 1916 besucht Kaiser Wilhelm II Kalisz.
  • 1919: Kalisz hat 29.227 Einwohner.

2. Polnische Republik

  • 1918, 10. November: die Bürgerwehr und die Piłsudski-treue geheime Polnische Militärische Organisation (POW, polnisch Polska Organizacja Wojskowa) bilden den Militärstab des Kalischer Landes“ unter dem Befehl des Leutnants der POW Julius Ulrych.
  • 1918: Am 11. November wird die Unabhängigkeit Polens proklamiert. In Kalisch entwaffnet man die deutschen Soldaten unter tätiger Mitwirkung der Soldatenräte.
  • 1919: polnische Verwaltungsreform. Deutsche Regierungsbezirke, österreichische Kronländer/ Bezirke und russische Gouvernements werden abgeschafft, Woiwodschaften und Kreise wiedereingeführt. Kalisch wird nun zum zweiten Mal in seiner Geschichte zu einer Kreisstadt degradiert. Historisch gehört die Region zwar zu Großpolen, aber die Mentalitätsunterschiede zwischen Polen aus ehemaligem Kongreßkönigreich und Polen aus der preußischen Provinz Posen sind zu groß - man befürchtet, dass die beiden Gruppen nicht imstande sein würden, in Eintracht zu leben. Kalisch kommt zur Woiwodschaft Łódź, nicht zu Posen. Die deutsche Grenze wurde zwar verschoben und liegt nun dort, wo sie jahrhundertelang bis 1793 war - 60 km südwestlich von der Stadt, die Schmuggelgeschäfte gehen jedoch weiter: diesmal schmuggelt man vor allem Spirituosen, Kleidung, Saccharin und Tabakwaren aus Deutschland nach Polen und nur wenig in umgekehrter Richtung.
  • 1919 bis 1936: intensiver Wiederaufbau der Stadt. 6800 neue Wohnungen werden erbaut, davon 6405 durch Privatmittel, 307 durch den Magistrat und 68 vom Staat. Die Mittel kommen vom Privatkapital, aber auch von großzügigen Krediten des Finanzministeriums und des Ministeriums für Öffentliche Arbeiten. Leider hält man sich sklavisch treu (aufgrund der Eigentumsverhältnisse bei den Grundstücken) an den alten gitterförmigen Stadtplan mit engen Gassen, wo im Sommer schwere und stickige Luft herrscht. Die wichtigeren in diesem Zeitraum errichteten Gebäude sind:
  • 1920–1925: das neue Rathaus (mit Turm) im Stil des epigonalen Klassizismus
  • 1925: die wuchtige russisch-orthodoxe Kirche wird abgetragen, eine kleinere am Eingang zum Stadtpark erbaut. Die wertvolle Innenausstattung wird aus der alten Kirche in die neue überführt.
  • 1926: die Polnische Nationalbank an der Josephinenallee (Stil der Moderne)
  • 1927: das Sportstadion
  • 1932: das neue, große Elektrizitätswerk entsteht. Nun kann die ganze Stadt den elektrischen Strom bekommen.
  • 1937: das neue Kreiskrankenhaus (Stil der Moderne).
  • 1939: Am 1. Januar zählt Kalisch (1929 zum Stadtkreis erhoben, 1938 der Woiwodschaft Posen angeschlossen) nach zahlreichen Eingemeindungen der Vorstädte vom Jahre 1934 81 052 Einwohner, davon etwa 20.000 Juden und 2000 Deutsche. Etwa 50% der Einwohner sind in der Industrie und etwa 25% im Handel beschäftigt. Die Stadt hat 19 Grundschulen mit 10 039 Schülern und 8 Gymnasien, darunter 3 Berufsschulen. Die jüdische Gemeinde verfügt über 6 Grundschulen und 1 Gymnasium. Im Brockhaus der Nazi-Zeit (Ausgabe 1937) finden wir die Bemerkung „die Stadt K. hat einen westeuropäischen Charakter“.
  • 1939: Am 1. September bricht der Zweite Weltkrieg aus.

Unter dem Hakenkreuz

  • 1939: Am 4. September besetzt die 8. Jäger-Division 8. Infanteriedivision der Wehrmacht unter Generalleutnant Rudolf Koch-Erpach die Stadt Kalisch ohne Kämpfe. Zum 26. Oktober 1939 werden unter anderem das Posener und Kalischer Gebiet annektiert und als Teil des neuen Reichsgaues Posen, später Wartheland in das deutsche Reich eingegliedert. Kalisch wird zum Sitz des Regierungspräsidenten des gleichnamigen Regierungsbezirks. Alle Geschäfte in der Stadt bekommen deutsche „Treuhänder“. Alle Straßen bekommen neue deutsche Namen - beispielsweise heißt die Josephinenallee ab nun „Hermann-Göring-Allee“. (Nach 1945 wird sie selbstverständlich Stalinallee heißen).
  • 1940: Zum 1. Januar 1940 wird Kalisch formell als Stadtkreis bestätigt. Der Stadt wird das Recht der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 verliehen mit der Folge, dass sie nicht mehr von einem Stadtkommissar, sondern durch einen Oberbürgermeister nach den gleichen Grundsätzen wie im Altreich verwaltet wird. Zum 1. April 1940 wird der Sitz des Regierungspräsidenten von Kalisch nach Litzmannstadt, früher Łódź, verlegt. Diese Stadt war mit ihren angrenzenden Gebiet nachträglich am 9. November 1939 in das Wartheland eingegliedert worden. In Kalisch hat der Landrat des Landkreises Kalisch seinen Sitz, ferner der Amtskommissar für den Amtsbezirk Kalisch-Land. In diesem Jahr wird auch das für die Kalischer Juden geschaffene Ghetto aufgelöst und die Insassen nach Łódź verbracht. In diesem Jahr entstehen zwei polnische Widerstandsorganisationen, die aber schon im nächsten Jahr von der Gestapo entdeckt werden. 65 Untergrundskämpfer werden in Konzentrationslager geschickt, viele von ihnen nach Buchenwald.
  • 1941: Beginn der schonungs- und rücksichtslosen Germanisierungspolitik. Alle polnischen Einwohner müssen die Stadtmitte verlassen, um die Wohnungen für die anzusiedelnden Deutschen freizumachen. Diese sind vornehmlich Deutsch-Balten, Deutsche aus Siebenbürgen und Deutsche aus der Bukowina, die von den NS-Behörden überredet wurden, die alte Heimat zu verlassen und ins Wartheland zu gehen. 1945 wird dies zu einer großen Tragödie für diese Bevölkerungsgruppe führen. Da Łódź seit dem 11. April 1940 Litzmannstadt heißt, wird auch der Regierungsbezirk Kalisch am 15. Februar 1941 in Litzmannstadt umbenannt.
  • 1942–1944: weitere Deportationen der polnischen Bevölkerung von Kalisch: insgesamt werden 30.000 Personen ausgewiesen. In diesen Jahren schaffen die NS-Behörden das „Gaukinderheim“ im Gebäude des ehemaligen Klosters der Nazaretschwestern. Im Gaukinderheim verweilen polnische Kinder, die den rassischen Idealen der Nazis entsprechen. Ihren Eltern entrissen, sind sie zur Adoption in Deutschland vorgesehen, bekommen neue deutsche Vor- und Nachnamen und dürfen nur deutsch sprechen. Das Heim beherbergt im Durchschnitt etwa 200 Kinder jährlich. Das Schicksal vieler von diesen Kindern ist bis heute ungeklärt. Im Jahre 1942 entsteht in Kalisch eine Abteilung der Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) - der größten polnischen Widerstandsorganisation. 1943 entsteht auch eine Parteizelle der polnischen KP, es gelingt jedoch nicht, in der stark bürgerlich- oder sozialdemokratisch empfindenden Stadt eine Kampforganisation der KP zu gründen.
  • 1944: Im März wird die Kalischer Heimatarmee von der Gestapo entdeckt, die meisten Mitglieder werden verhaftet.
  • 1945: Am 19. Januar steht die Sowjetarmee 50 km östlich von Kalisch. Vier Tage vor der Befreiung werden 56 Untergrundkämpfer der Heimatarmee von der SS erschossen. Am frühen Morgen des 23. Januar beginnt der Kampf um Kalisch, am Abend wird die Stadt von der Sowjetarmee besetzt. Die Schäden in der Stadt sind diesmal gering - der Turmhelm der Josephskirche wird abgeschossen und ein Haus in der Innenstadt brennt nieder.

Unter der Roten Fahne

  • 1945: Am 24. Januar formiert sich die kommunistische „Volksmacht“. Es gibt noch (bis 1948) andere Parteien außer der Polnischen Arbeiterpartei (KP), die ihre Vertreter zum Stadtrat (nunmehr und bis 1990 „ Städtischer Nationalrat“ genannt) entsenden, alle wichtigen Posten - Stadtpräsident, Polizeikommandant usw. werden jedoch von Kommunisten besetzt, einer Partei, die vor 1939 etwa 20 Mitglieder in Kalisch zählte. Kalisch kommt nun zur Woiwodschaft Posen, welches sich aus oben (2. polnische Republik) angeführten Gründen als keine gute Lösung erweist. Die alte preußisch-russische Grenze spukt noch in den Köpfen. Kalisch hat damals etwa 50 000 Einwohner, davon etwa 400 Alt-Kalischaner deutscher Herkunft und höchstens 100 Juden.
  • 1945: die Evangelische Kirche wird der Gemeinde abgenommen und wird katholische Garnisonkirche. Spätere Versuche der evangelischen Gemeinde, die Kirche zurückzubekommen, scheitern daran, dass die entsprechende Grundbucheintragung über den Kauf der Kirche vom Staat (1795) zerstört wurde.
  • 1945 bis 1948: die Stadt ist überbevölkert, denn das unzerstörte Kalisch muss viele obdachlos gewordene Familien aus zum Beispiel Warschau aufnehmen. Ein kommunistisches „Einquartierungsamt“ verwaltet nun alle Wohnungen in der Stadt und führt viele Zwangseinquartierungen durch. Bis in die 80er Jahre wohnen mehrere Familien in einer Wohnung.
  • 1948: der Eiserne Vorhang senkt sich nieder. Verschärfter Terror der Geheimpolizei UB gegen Andersdenkende.
  • 1948: Im Frühjahr dieses Jahres, an einem Wochenende abends um 22 Uhr zerren die Geheimpolizei und die Vertreter der Stadtbehörden alle Inhaber von Privatgeschäften aus ihren Betten. Alle Geschäfte werden mit sofortiger Wirkung sozialisiert, alle Waren müssen ohne Entschädigung an die neue städtische HO übergeben werden. Ab Montag sind die Kalischer Kaufleute nur Angestellte in ihren ehemaligen Geschäften.
  • 1949: durch die Währungsreform (etwa 20 alte Zloty für einen neuen), die auch an einem Wochenende durchgeführt wird, verliert ein großer Teil der Bevölkerung seine Ersparnisse, denn nur Spareinlagen bei Banken und Sparkassen werden zu vollem Kurs umgetauscht, fürs Bargeld bekommt man einen viel schlechteren Kurs. Die Flucht zum Dollar und alten Goldrubeln beginnt, obwohl ihr Besitz strafbar ist.
  • 1952: zaghafter Beginn des Wohnungsbaus durch die stalinistischen Behörden. Die neuen Häuser sind noch keine Plattenbauten und werden auf leeren Grundstücken im Stadtzentrum gebaut.
  • 1955: Posener Arbeiteraufstand. Kalisch bleibt ruhig.
  • 1956: Ungarnaufstand. In der ganzen Stadt werden Gelder, Kleider usw. für Ungarnhilfe gesammelt. Gleichzeitig, im Herbst vor dem Gomułka-Oktober, rollen drei Tage und Nächte lang sowjetische Panzer aus Schlesien Richtung Warschau, um die Politiker der Hauptstadt einzuschüchtern. Die nach 11 Jahren Kommunismus schon ernsthaft propaganda-benebelte Bevölkerung von Kalisch empfängt sie mit Blumen.
  • 1956 bis 1970: Gomułka-Herrschaft. Völlige Lethargie und Verarmung der Gesellschaft.
  • 1970 bis 1980: Gierek-Herrschaft. Durch große Anleihen in Westeuropa gelingt es der KP, die Wirtschaft anzukurbeln. In Kalisz entstehen fünf neue Fabriken und große Neubauviertel (Plattenbauten) in den Vorstädten.
  • 1975: Verwaltungsreform. Kalisch wird wieder (gegen heftige Proteste aus Ostrowo) zur Hauptstadt einer Woiwodschaft, die aber recht bunt zusammengewürfelt ist: ein paar Gemeinden kommen aus der alten Woiwodschaft Posen, andere aus dem Łódźer Gebiet und wieder ein paar andere aus Niederschlesien. Das Ganze passt nicht richtig zusammen.
  • 1980: auch in Kalisch gedeiht die Massenbewegung der Solidarność
  • 1981 bis 1989: Agonie des „real existierenden Sozialismus“. Mangelwirtschaft, Verelendung, Emigration in den Westen Europas.
  • 1990: die Zeit der 3. Polnischen Republik fängt an.
  • Am 4. Juni 1997 besucht Papst Johannes Paul II. auf einer seiner zahlreichen Auslandsreisen auch die Stadt Kalisch. Aus Anlass seines Besuches werden die Fassaden frisch gestrichen.

Sehenswürdigkeiten

  • Franziskanerkirche zum Hl.Stanislaus (13-18. Jahrhundert gotisch, Innenausstattung Barock)
  • Garnisonskirche (ehemalige Jesuiten-, später Evangelische Kirche, 17-18 Jh., Barock)
  • Kathedrale zum Heiligen Nikolaus (gotisch-neugotisch, Innenausstattung Barock, eine interessante Kapelle im Jugendstil, 13.-19 Jh.)
  • Städtische Pfarrkirche zum Heiligen Joseph, (17-18. Jahrhundert Barock)
  • Jesuitenkirche (ehem.Bernhardiner-) zur Mariae Verkündigung (18.Jh, Barock)
  • Nazarethanerkirche zum Heiligen Joseph und Heiligen Peter von Alcantara (18. Jahrhundert, Rokoko)
  • Evangelischer Friedhof (ab 17. Jahrhundert). Dort begegnen wir allen Namen derjeniger Industriellen, deren Namen oben aufgeführt sind
  • Russisch-orthodoxer Friedhof (ab 18. Jahrhundert)
  • Jüdischer Friedhof (Stadtteil Widok). Einziger noch erhaltener kleiner jüdischer Friedhof (19. Jahrhundert)in der heutigen Stadt. Der älteste, nicht weit von der Stadtmitte gelegen, mit teilweise mittelalterlichen Gräbern, wurde um 1940 von den Nazis zerstört.
  • Soldatenfriedhof (1916). Hier liegen auch viele Deutsche, die ab 1939 in Kalisch angesiedelt wurden.
  • Sowjetischer Ehrenfriedhof (1946). Die große Gedenksäule besteht aus dem Granit der Neuen Reichskanzlei in Berlin.
  • Bahnhof Skalmierzyce, 2 km südlich von der heutigen Stadtgrenze entfernt. Imposanter neugotischer Bau, um 1905 errichtet, bis 1918 Grenzbahnhof des Deutschen Kaiserreiches (früherer deutscher Name des Ortes: 1914: Skalmierschütz; 1943: Kalmen).

Literatur

  • Dobak-Splitt, K./Splitt, J.A.: Kalisz poprzez wieki, Kalisz 1988;
  • von Fock, G.: Kalisch - eine deutsche Stadt, Kalisch 1941;
  • Gieysztor, A. (Hg.): Osiemnascie Wiekow Kalisza, I-II, Kalisz 1960;
  • Hansen, G.: Als Kalisch deutsch war … Eine Tochter auf den Spuren der Besatzer. Ein dokumentarischer Roman, Oldenburg 2005;
  • von Hutten-Czapski, B. Graf: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, I-II, Berlin 1936;
  • Lemmerhirt, S.: Sikamü. Kalisch 1939-1944. Eine Jugend im besetzten Polen, Frankfurt a. M. 2006;
  • Mannerheim, G.: Minnen, I-II, Stockholm 1950-1951;
  • Pniewski, T.: Kalisz z oddali, Kalisz 1976;
  • Polanowski, E.: W dawnym Kaliszu, Poznan 1979
  • Sibmacher, J.: Grosses Allgemeines Wappenbuch, Band 15, Städtewappen, Nürnberg 1885

Siehe auch: Teilungen Polens


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