Johann II. Kasimir

Johann II. Kasimir
Johann II. Kasimir als König von Polen, Titularkönig von Schweden, Großfürst von Litauen (Gemälde eines Daniel Schultz)
Das Königreich Polen-Litauen in den international anerkannten Grenzen von 1656 inkl. Preußen, Livland und Estland und dessen Gebietsverluste durch die Verträge von 1657, 1660 und 1667. Vertrag von Wehlau 1657: Übergabe der Souveränität über das Herzogtum Preußen an die Person des Herzogs von Preußen; Vertrag von Oliva 1660: völkerrechtliche Anerkennung von Estland und Livland mit Riga als Eigentum des Königreichs Schweden (bereits bis 1626 vollständig von König Gustav Adolf erobert); Vertrag von Andrussowo 1667: Anerkennung des Status quo, das heutige Westrussland mit Smolensk, sowie die Ostukraine mit Kiew befinden sich im Besitz des Zarentums Russland (bereits ab 1654 durch russische Truppen okkupiert);
Das Adelswappen der Wasa-Dynastie mit der Ährengarbe im Zentrum

Johann II. Kasimir (auch Johann II. Kasimir Wasa[1], polnisch Jan II Kazimierz Waza, litauisch Jonas Kazimieras Vaza, lateinisch Ioannes Casimirus; * 21. März 1609 in Krakau; † 16. Dezember 1672 in Nevers) war ab 1648, als König von Polen und Großfürst von Litauen, der gewählte Herrscher des Staates Polen-Litauen, sowie bis zu seinem Lebensende Titularkönig von Schweden. Johann entstammte der schwedischen Wasa-Dynastie und war auch Mitglied im Orden vom Goldenen Vlies.

Inhaltsverzeichnis

Königliche Titulatur

  • Titulatur auf Latein: „Ioannes Casimirus, Dei Gratia rex Poloniae, magnus dux Lithuaniae, Russie, Prussiae, Masoviae, Samogitiae, Livoniae, Smolenscie, Severiae, Czernichoviaeque, nec non Suecorum, Gothorum, Vandalorumque haereditarius rex, etc.

Leben

Johann Kasimir trat als zweiter Sohn Sigismunds III. zunächst 1640 in den Jesuitenorden ein und wurde wenig später von Papst Innozenz X. zum Kardinalpriester ernannt. Nach dem Tod seines Halbbruders König Władysław IV. Wasa bestieg er am 20. November 1648 den polnischen Thron. Wenig später heiratete er dessen Witwe, Marie Luise von Nevers-Gonzaga.

Noch vor seinem Amtseintritt kam es 1648 mit Unterstützung der Krimtataren im ukrainischen Teil des Reiches zum Aufstand der Saporoger Kosaken unter ihrem Ataman Bohdan Chmelnyzkyj. In den besetzten Gebieten wurden blutige Massaker an den katholischen Polen und an Juden verübt, wobei die Zahl der Opfer auf ein Viertel Million geschätzt wird. Der Aufstand dauerte bis 1654 an, dem Jahr des Vertrages von Perejaslaw, infolge dessen es zu einem Krieg zwischen Polen und Russland kam.

Als die schwedische Königin Christina I. am 16. Juni 1654 abdankte, machte Johann II. (trotz des Widerspruchs seiner höchsten Würdenträger) als Urenkel Gustav I. Wasas Ansprüche auf den schwedischen Thron geltend. Diese Erbauseinandersetzung diente Karl X. Gustav als Vorwand zum Krieg, der als Schwedische Sintflut in die polnische Geschichte einging. Das damals arme Schweden verfügte ab dem 17. Jahrhundert über die erste Wehrpflicht- und Berufsarmee Europas, die zwar im Gegensatz der zumeist gegnerischen Söldnerarmeen hochmotiviert war, jedoch auch durch die Ausplünderung anderer Länder (u. a. Deutschland im Dreißigjährigen Krieg) unterhalten wurde.

Den Krieg führte Johann II. mit wechselvollem Erfolg. So gab er bereits zu Anfang des Krieges die Schlacht bei Warschau, 1656 gegen Karl X. Gustav und den mit ihm verbündeten Friedrich Wilhelm von Brandenburg für verloren, der für das Herzogtum Preußen formell ein Vasall des polnischen Königs war, jedoch die schwedischen Truppen durch Pommern frei durchziehen ließ, um sein Land zu schützen, was von polnischer Seite heute als ein Lehensbruch angesehen werden könnte[2]. Außerdem kam der ungarische Siebenbürgerfürst Georg II. Rákóczi dem Schwedenkönig zur Hilfe, indem er im Bündnis mit Chmelnyzkyj weite Teile Polens durch seine siebenbürgisch-kosakische Reiterei mit 40.000 Mann verheeren und plündern ließ. Dass es nicht zu einem völligen Zusammenbruch des Königreichs kam, ist nur dem Hetman Stefan Czarniecki und seiner Guerillataktik, sowie einer kurzlebigen Allianz mit dem Krimkhanat unter İslâm III. Giray zu verdanken. Johann II., von einem Teil des Adels im Stich gelassen und verraten (Verträge von Ujście und Kėdainiai), flüchtete 1655 vor den Angreifern nach Schlesien. Der erhoffte militärische Beistand durch die katholischen Habsburger, mit denen er verwandt war, blieb allerdings zu Beginn des Krieges aus.

Nach des Königs Rückkehr aus dem schlesischen Exil, 1656, konnte er in den folgenden Kriegsjahren zwar sein Reich halten, musste jedoch im Vertrag von Wehlau auf die Lehnshoheit über das Herzogtum Preußen verzichten, um Friedrich Wilhelm zu einem (erneuten) Seitenwechsel zu bewegen. Dieser Vertrag sollte sich später als eine der entscheidenden Wegmarken in der Entwicklung Brandenburg-Preußens zu einer europäischen Großmacht erweisen. Der schwedisch-polnische Krieg endete schließlich im Frieden von Oliva am 3. Mai 1660. Der polnische König war darin gezwungen, auf alle seine Ansprüche auf den schwedischen Thron, Livland mit Riga und Estland zu verzichten, während Schweden seinen Status als Großmacht im westlichen Ostseeraum ausbauen und im Baltikum gegen Polen und Russland behaupten konnte.

Im Russisch-Polnischen Krieg 1654–67 konnte Johann II. bis 1660 das Gebiet des Großfürstentums Litauen von russischen Truppen befreien. Vor dem Hintergrund erneuter Kämpfe mit Kosaken und Krimtataren im Süden des Königreichs war er jedoch im Vertrag von Andrussowo gezwungen, auf weite Teile des heutigen Westrusslands mit Smolensk und der Ostukraine mit Kiew bis an den Dnepr 1667 zu verzichten.

Die 20 Jahre dauernde Regierungszeit Johanns II., in der es nur zu Kriegen kam, gilt als der Anfang vom Ende des polnisch-litauischen Staates. Das einst wohlhabende Land wurde regelrecht ausgeplündert (in Stockholm sind bis heute die damals gestohlenen Kulturgüter zu besichtigen) und ausgeblutet: durch die Verwüstungen von sechs Invasionstruppen – Kosaken, Schweden, Moskowiter-Russen, Siebenbürger-Ungarn und Brandenburger – und die daraus folgenden Seuchen und Hungersnöten ging die Bevölkerungszahl von 11–12 Millionen (bis 1648) auf ungefähr 8 Millionen Einwohner zurück (um 1668), es kam zu einer massiven Verarmung aller Bevölkerungsschichten und schließlich zu einem Wirtschaftskollaps. Da der durch Jesuiten erzogene König den Katholizismus massiv förderte, war auch der soziale Frieden im multiethnisch und -religiösen Vielvölkerstaat und die bis dato gelebte religiöse Toleranz bedroht. Die Folge der katholischen Konfessionalisierung war eine Abwanderung großer Teile der protestantischen Bevölkerung, wodurch weiteres wirtschaftliches sowie kulturelles Potential verloren ging. Die Verarmung der Unter- und Mittelschicht (v.a. des kleinen und mittleren Adels) hatte eine Verringerung ihres politischen Bewusstseins und Verantwortung zur Folge und degenerierte dauerhaft die „Adelsdemokratie“. Einzig die größten Adelshäuser, die Magnaten, konnten ihre Macht und Einfluss auf ihre sowie des Königs Kosten ausbauen, was langfristig die Entstehung autarker Oligarchiestrukturen innerhalb des Königreichs begünstigte.

Aufgrund der außenpolitischen Niederlagen und seiner ungeschickten Innenpolitik, verfügte Johann II. Kasimir über so wenig persönliche Autorität, dass er durch das Liberum Veto seiner Gegner keinen seiner Reformvorschläge in Sejm durchsetzen konnte. Nach der Magnatenrebellion 1665–66 unter Fürst Jerzy Sebastian Lubomirski gegen die Beschneidung der Goldenen Freiheit (Privilegien des Adels), gab Johann II. den Kampf gegen seine innenpolitische Gegner endgültig auf und dankte im September 1668 ab. Vier Jahre später starb er als Abt von St. Germain-des-Prés im französischen Exil.

Als Staatsoberhaupt von Polen und Litauen folgte ihm der Magnat Michael Wiśniowiecki nach. Mit dieser Wahl wollte die Masse des Kleinadels weitere Verwicklungen in dynastische Erbkriege mit auswärtigen Mächten ausschließen.

Johann II. Kasimir begleitet eine schwarze Legende. Größenwahnsinnig und arrogant führte er eine Politik, die von einer massiven Selbstüberschätzung und despotischen Tendenzen geprägt war. Bereits zu seinen Lebzeiten galt er als der unfähigste polnische König und wurde als einziger zum Abdanken gezwungen. Seine Initiale "Ioannes Casimirus Rex" deutete man oft als "Initium Calamitatis Regni" – Anfang vom Niedergang des Reiches.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. nach Brockhaus, Meyers Lexikon
  2. könnte heute von polnischer Seite so gesehen werden: 1 Buch von 1996, 1 Buch von 2006
Vorgänger Amt Nachfolger
Władysław IV./II. König von Polen
1648–1668
Michael
Großfürst von Litauen
1648–1668

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