Corps Baltia Königsberg

Corps Baltia Königsberg
Das einzige Bild von Baltias Corpshaus
August Wittich (1854)
Emil Jacobson (Baltia, Saxonia Leipzig)
Couleurkarte vom 16. Dezember 1903
Die letzten Balten (1934)

Das Corps Baltia war eine Studentenverbindung an der Albertus-Universität Königsberg. Es wurde 1851 von vier Silber-Litthauern und anderen Königsberger Studenten gestiftet. In Opposition zum Nationalsozialismus wurde Baltia am 6. März 1934 als eine der ersten Korporationen überhaupt zwangssuspendiert. Baltia ging 1950 im Corps Albertina Hamburg auf und erlosch 2001.

Mit der Corpslandsmannschaft Baltia (1834–1840) hatte das Corps Baltia außer dem Namen nichts gemein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

„Die politische Lage an der Albertus-Universität erforderte 1851 die Stiftung eines dritten Corps. Silber-Litthuania brauchte einen Bundesgenossen in den Auseinandersetzungen mit Masovia, die die Zusammenarbeit im Senioren-Convent hemmten und seinen Einfluß minderten. Es kam hinzu, daß in Preußen der Vormarsch des Progress gebremst war und sich das konservative Lager gesammelt hatte. Die Treue zum angestimmten Herrscherhaus wurde hervorgehoben.“ [1]

Der Silber-Litthauer August Wittich war 1851 die treibende Kraft der Neustiftung. Zu den achtzehn Stiftern der Baltia II gehörte auch Otto Oehlschläger. Als Gründungstag bestimmte man den 17. Mai, den Geburtstag von Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490). Als Corpsburschenband wurde weiß-hellblau-schwarz-weiß gewählt, weil es die Farben Preußens und Bayerns waren. Die bayerische Prinzessin Elisabeth Ludovika war preußische Königin. Die Burschenschaften empfanden diese Farbenwahl als „reaktionär“.[2]

Durch Baltia wurde das Verbindungswesen an der Albertina gegenüber der Allgemeinen Studentenschaft und ihrem richterlichen Ausschuss gestärkt. Sie war bereits in der Auflösung begriffen; denn Masovia hatte sich von ihr schon am 19. Februar 1851 losgesagt. Im WS 1851/52 brachen auch Littuania und die Burschenschaft Germania Königsberg die Beziehungen zur Allgemeinen Studentenschaft ab. Baltia blieb ihr von vornherein fern. Am 30. Juni 1851 schlossen die drei Corps Masovia, Silber-Litthuania und Baltia II ein Kartell und bildeten einen Senioren-Convent. Als erstes Königsberger Corps stellte Baltia 1874 den Vorsitzenden des Kösener Congresses.

Tiefgreifende Konflikte mit dem Corps Normannia zwangen Baltia, Masovia und die 1876 gestiftete Hansea 1882 zur Suspension (die Silber-Litthauer hatten 1866 suspendiert). Am 7. Juni 1882 gründete Baltia als temporäres Ersatzcorps Pomerano-Borussia mit den Farben weiß-hellblau-schwarz. Die Wiederkehr als Baltia im Mai 1883 brachte dem Corps eine Blütezeit.

Baltias Corpshäuser lagen im Nachtigallensteig 14 und ab 1911 in der Tragheimer Pulverstraße 31.

Gleichschaltung

Baltia kam 1933 als erste Königsberger Verbindung ins Visier der Nationalsozialisten. Sie galt als „Keimzelle des Widerstands gegen die Volksgemeinschaft und nationalsozialistisches Denken“. Die Auseinandersetzungen zwischen konservativen und nationalsozialistischen Alten Herren spitzten sich zu. Sie hätten, so Littuanias AHV-Führer Alfred Funk, bei Baltias Alten Herren eine „ernste Krise“ ausgelöst und den Corpsburschen-Convent „erschüttert“; der stand aber geschlossen hinter Hans-Wolfram Knaak. Da die Erscheinungen „offenbar ein politisches Gepräge“ zeigten, habe der Führer des Kösener nicht tatenlos bleiben können. Es bestehe die Gefahr, dass das Corps verboten werde. Käme es dazu, so würden auch der Königsberger SC und das gesamte Corpsstudententum „aufs schwerste gefährdet“ werden.[3]

Mit Schreiben vom 1. März 1934 baten der Königsberger SC und die „Führer“ der Altherrenschaften von Masovia, Hansea und Littuania (Funk) den „Führer des KSCV und VAC“ Max Blunck um sein Eingreifen. Er setzte Funk 1933 als „Sonderbeauftragten zur endgültigen Regelung der Verhältnisse im Corps“ ein. Im Telegramm an Funk hieß es: „Dr. Funk, Bismarckstr. 7, Elbing. Bitte Sie als mein mit allen Vollmachten ausgestatteter Sonderbeauftragter Reorganisation Baltia-Königsberg im allgemeinen corpsstudentischen Interesse zu übernehmen. Bevollmächtige Sie, alle zur Erreichung des gewünschten Zieles Ihnen zweckmäßig erscheinenden Maßnahmen zu treffen, insbesondere auch Unterbevollmächtigte zu bestellen. Rücksichten auf Paragraphen können im Interesse der Erreichung gewünschten Zieles notwendige Maßnahmen nicht hindern. - gez. Blunck.“ [3]

Als sich die konservativen Balten klar durchgesetzt hatten, „spielte sich [Funk] ganz ersichtlich als Politkommissar auf“.[3] Funk suspendierte das Corps am 6. März 1934 und bestellte den Balten Eugen Dorsch als „Vertrauensmann des Führers im Kösener für das vorübergehend suspendierte Corps und dessen AH-Verband“.[3]

Rechtsgeschichtliches Nachspiel

Dorsch, Polizeipräsident und Führer der Brigade 5 in Elbing, hatte einigen Gegnern das Baltenband entzogen. Einer der Betroffenen, Walter Döhring, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, nahm das zum Anlass, gegen Dorsch beim Landgericht Königsberg (Pr.) eine Feststellungsklage erheben zu lassen.

In ihrem Urteil vom 19. Oktober 1934 sprach die 5. Zivilkammer unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Waldmann Dorsch dieses Recht ab.[4] Den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund klärte sie darüber auf, „daß nach den während der Machtergreifung des NS erlassenen gesetzlichen Bestimmungen nur strafbare Handlungen und ein polizeiwidriges Verhalten Gründe für ein hoheitsrechtliches Vorgehen gegen einen Verein sein dürften“. Auch Bluncks Vollmacht an Dr. Funk sei eine rechtliche Unmöglichkeit.

„Das Urteil ist insofern eine Seltenheit, als es sich mit Studentenrecht, insbesondere auch mit der Neufassung der Kösener Statuten, befassen mußte und diese sowie den CC-Komment und Aufsätze in der DCZtg. zum Gegenstand seiner Entscheidung machte.“ [5]

Ende

Die aktiven Balten mussten die Albertus-Universität verlassen. Einige „durften“ an die Universität Halle wechseln und wurden dort Mitglieder des befreundeten Corps Guestphalia; andere brachen ihr Studium ab und gingen zur Wehrmacht.

Im Zweiten Weltkrieg verlor Baltia 21 Corpsbrüder.

Nach dem Krieg fanden die Balten schnell wieder zueinander. Acht von ihnen gründeten am 12. März 1950 mit fünf Hanseaten und neun Littauern in Hamburg das Corps Albertina.

„Ausser den Saxen-Preussen hat wohl kein anderes Corps solche Verfolgungen durch das 3. Reich erlebt.“

Hans Lüdecke, 1950[6]

Verhältniscorps

Baltia war befreundet mit den Corps Tigurinia I und Guestphalia Halle. Vorstellungsverhältnisse hatte sie mit Franconia Jena, Holsatia, Guestphalia Berlin und Franconia München.

Bekannte Mitglieder

Einzelnachweise

  1. Schindelmeiser, Bd. 1, S. 123
  2. Koch 1906
  3. a b c d Schindelmeiser, Bd. 2, S. 452 f., 458
  4. Hans Waldmann war Angehöriger der Corps Silesia und Hansea Königsberg. Er starb 1940. (KCL 1960, 83, 585; 85, 154)
  5. Schindelmeiser: Das Königsberger Urteil. Bd. 2, S. 477 ff.
  6. Brief vom 23. April 1950 zur Übergabe von Baltias NS-Akten an das Kösener Archiv

Literatur

  • John Koch: Die Geschichte des Corps Baltia. Königsberg 1906
  • Siegfried Schindelmeiser: Baltia Königsberg c/a NSDAP (1933/34). Einst und Jetzt, Bd. 11 (1966), S. 69–90.
  • Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51 und Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg i. Pr. (1970–1985). Erstmals vollständige, bebilderte und kommentierte Neuausgabe in zwei Bänden mit einem Anhang, zwei Registern und einem Vorwort von Franz-Friedrich Prinz von Preussen, herausgegeben von Rüdiger Döhler und Georg von Klitzing, München 2010, ISBN 978-3-00-028704-6. – Rezensionen: Wolfgang von der Groeben, in: CORPS – Das Magazin, Ausgabe 3/2010, S. 17 f. und Dr. Sebastian Sigler, in: Einst und Jetzt, Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung Bd. 56 (2011), S. 372-375

Weblinks

 Commons: Corps Baltia II Königsberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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