Max Blunck

Max Blunck
Max Blunck

Max Blunck (* 29. Dezember 1887 in Hamburg; † 2. Dezember 1957 ebenda) war ein deutscher Rechtsanwalt. 1933 wurde er im Zuge der Gleichschaltung zum Führer des Kösener SC-Verbandes mit damals etwa 28.000 Mitgliedern bestellt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Blunck stammte aus einer angesehenen Hamburger Familie und besuchte die Gelehrtenschule des Johanneums. Nach dem mit Auszeichnung bestandenen Abitur studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Jena und wurde Mitglied des Corps Franconia.[1] Am 8. Juni 1907 recipiert, ging er nach der Inaktivierung an die Universität Halle. Zum Dr. iur. promoviert, durchlief er die Referendarausbildung im Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts, unter anderem beim Amt Ritzebüttel an der Elbmündung. Nach der Assessorprüfung ließ er sich als Anwalt in Hamburg nieder.

In der Zeit der Weimarer Republik war er zunächst Mitglied der nationalliberalen Deutschen Volkspartei, aus der er im Dezember 1930 austrat, um sogleich mit einem direkt an Hitler persönlich gerichteten Aufnahmegesuch Mitglied der NSDAP zu werden. Er trat jedoch bis 1933 nicht in gehobenen Parteiämtern in Erscheinung.

Corpsstudent

Der ordentliche Kösener Congress an Pfingsten 1933, der die Gleichschaltung und Übernahme des Führerprinzips einleiten sollte, brachte den nach dem Subsidiaritätsprinzip organisierten KSCV an den Rand der Handlungsunfähigkeit.[2] Am Rande dieses Congresses wurde daher der überzeugte Nationalsozialist Blunck vom Vorort des KSCV und vom Gesamtausschuß des Verbandes Alter Corpsstudenten (VAC) zum „Führer des deutschen Corpsstudententums“ bestellt. Am 1. Juni 1933 hatte man in Berlin mit dem Beauftragten des Führers der NSDAP, dem Staatssekretär und Leiter der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers, Rücksprache gehalten.[3][4] Die für denselben Tag geplanten Plenarsitzungen des Verbandes wurden abgesagt.[5] Damit wurden kontroverse Diskussionen über heikle Tagesordnungspunkte vermieden: Aufhebung des Toleranzprinzips, Arierfrage, Umgang mit dem Allgemeinen Deutschen Waffenring (ADW) und dem NSDStB. Zugleich wurde die im Raum stehende Bestellung von Gauleiter Helmuth Brückner (Marcomannia Breslau) zum Führer des Verbandes umgangen.

Im Anschluss kamen diejenigen Corpsstudenten zusammen, die auch Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Massenorganisationen waren. In dieser Sitzung wurde der Machtkampf zwischen dem bürgerlichen „NSDAP-Wirtschaftsflügel“ und dem „SA/SS-Flügel“ um die Führung des Verbandes fortgesetzt. Blunck konnte sich gegen die Anwürfe der „ausgebremsten“ Fraktion durchsetzen, die der von der Reichsleitung beauftragte Referendar und SS-Sturmführer Wilhelm Benedikt Biermann führte.[6]

Aus Sicht des damaligen KSCV war damit unter dem neuen Führer Blunck eine gemäßigte Form der Gleichschaltung gelungen. Blunck gab am 10. Juli 1933 die Aufhebung des Toleranzprinzips durch eine Neufassung des § 43 der Kösener Statuten bekannt und erklärte den Wiederbeitritt zum ADW, den der KSCV 1932 aus politischen Gründen verlassen hatte.[3] Mit insgesamt 23 Rundschreiben in den ersten sechs Monaten nach seiner Amtseinsetzung brachte Blunck den KSCV mit autoritären Vorgaben auf den „neuen“ Kurs.[3] Blunck bestimmte zwei Beauftragte für die Kösener Verbände: Referendar Günther Kraaz (Bremensia) für den HKSCV und als Vertrauensmann für den Vorort und Dr. Werner Heringhaus (Austria) als Beauftragten für den VAC. Bluncks Adjutant wurde Hermann Druckrey (Saxo-Borussia, Starkenburgia). Mit seinem Sonderbeauftragten Alfred Funk sorgte er dafür, daß Baltia am 6. März 1934 als erstes Corps suspendieren mußte.

Verbandspolitik

In den folgenden zwei Jahren driftete jedoch die gesamte Studentenschaft mit der Gesellschaft weiter in den Nationalsozialismus und seine Organisationsstrukturen ab. Im Vergleich zu den meisten anderen Korporationsverbänden „steuerten“ die Kösener Verbände unter Blunck zunächst einen gemäßigten Kurs; im zunehmend nationalsozialistisch politisierten ADW stieß dieser aber auf Kritik. Im Dezember 1934 gründeten die anderen verbindungsstudentischen Verbände einen eigenen Völkischen Waffenring. Dieser Abspaltung sollten laut Gründungserklärung „nur solche Verbände angehören, die in ihren Gliederungen weder Judenstämmlinge, jüdisch Versippte noch Angehörige von Logen, Orden oder ihren Nachfolgeorganisationen dulden“. Der Völkische Waffenring bestand nur bis April 1935.

Die Verbände mit einer weniger restriktiven Haltung (KSCV, Deutsche Landsmannschaft, Miltenberger Ring) konterten am 12. Januar 1935 mit der Gründung der Gemeinschaft studentischer Verbände. Geführt von Staatssekretär Hans Heinrich Lammers, wurde sie vom NSDStB als Gesamtvertretung der studentischen Verbände anerkannt. Damit war der ADW (aber auch der Völkische Waffenring) wieder „entpolitisiert“. Er kümmerte sich nur noch um Fechtfragen.

Stolz schrieb Blunck am 27. März 1935 dem Schriftsteller Erwin Guido Kolbenheyer (Symposion), den er als Festredner für den Kösener Congress 1935 gewinnen wollte: „Das Kösener Corpsstudententum hat sich an führender Stelle eingesetzt für die Erhaltung des deutschen Waffenstudententums und seine Gestaltung als ein wertvolles Instrument nationalsozialistischer Erziehung in der Hand unseres Führers. Wir können sagen, dass ein Erfolg war und ist die Gemeinschaft Studentischer Verbände, die unter unserer Führung ins Leben gerufen wurde und die Anerkennung der Partei gefunden hat.“[7] Polemisch wurde dieser Kurs von seiten der „vollnationalsozialistischen“ Korporationsverbände als eine „scheinnationalsozialistische“ Ausrichtung des KSCV kritisiert.[7]

Auch die Auseinandersetzungen mit dem NSDStB und den von ihm kontrollierten Kameradschaften nahmen seit 1933 an Schärfe zu. So kam es 1934 an der Universität Göttingen zwischen Korporierten und Nazis zu Straßenschlachten, die als Göttinger Krawalle bekannt wurden.

Die Entwicklung spitzte sich im Sommersemester 1935 mit dem Heidelberger Spargelessen und Hanns Martin Schleyers Austritt beim Corps Suevia Heidelberg zu. Schleyers Begründung in einem offenen Brief an Blunck belegt das exemplarisch am Beispiel des Hochschulortes Heidelberg.[8][9]

Staatssekretär Lammers war im September 1933 nach der Gleichschaltung des KSCV der SS beigetreten und am 20. April 1935 zum Brigadeführer aufgestiegen. Vor diesem Hintergrund muss seine 1935 an Blunk gerichtete Anfrage gesehen werden, ob der KSCV bereit sei, die Arierbestimmungen uneingeschränkt, also ohne die Ausnahmebestimmungen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, anzuwenden.[3] Blunck blieb bei seinen auf dem Kösener Congress 1935 in Weimar erklärten Vorbehalten und forderte zuletzt am 28. August 1935 telegrafisch von Lammers eine Erklärung Hitlers, dass der Streichung der Ausnahmebestimmungen keine staatspolitischen Bedenken entgegenstünden. Wegen dieser Weigerung, die Arierbestimmungen durchzuführen, schloss Lammers den KSCV am 5. September 1935 telegrafisch aus der Gemeinschaft studentischer Verbände (GStV) aus.[3]

Dies veranlasste Max Blunck am selben Tage, telegrafisch von allen Kösener Corps die Durchführung der Arierbestimmungen zu verlangen. Blunck und Lammers gerieten über einzelne Formulierungen in Streit. Seine nach dem Rücktritt Lammers' von der Führung der GStV (6. September 1935) am 10. September 1935 abgegebene Erklärung entzog Blunck den Rückhalt in Teilen des Corpsstudententums.[3] Ein von ihm selbst unverzüglich angerufenes Ehrengericht stellte keine Verfehlungen fest.

Bedrängt vom Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers, trat Blunck am 10. September 1935 als Führer des KSCV zurück, obwohl ihm noch zwei Tage zuvor von wichtigen AHSC als den Entscheidungsträgern des VAC das Vertrauen in dieser schwierigen Situation ausgesprochen worden war.

Der KSCV wurde am 28. September 1935 suspendiert und verboten. Der Völkische Beobachter kommentierte dies am 3. Oktober 1935: „Mit seinem Verschwinden verliert die Reaktion eine ihrer stärksten Bastionen.“ [10]

Die Londoner Times bemerkte am 15. Oktober 1935 zur Auflösung des Köseners : „Mit hocherhobenen wehenden Fahnen und einer völlig unkompromittierten Tradition ist aus dem öffentlichen Leben Deutschlands, jedoch keinesfalls für immer, das Corpsstudententum herausmarschiert.“[11]

Siehe auch: Vororte des KSCV

Im November/Dezember verwandte sich Blunck bei Hitler persönlich für seinen Corpsbruder und Kollegen Heinz Rabe.[12] Der mit einer „vierteljüdischen“ Ehefrau verheiratete Anwalt konnte im Vorstand der Rechtsanwaltskammer verbleiben.

Nachfolger Bluncks als Führer des noch bis 1938 fortbestehenden VAC wurde Ernst Schlange (Pomerania).

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Blunck wieder als angesehener Rechtsanwalt in Hamburg tätig.[13]

Einzelnachweise

  1. Kösener Korps-Listen 1910, 124, 605
  2. Weber: Die deutschen Corps im Dritten Reich a.a.O., S. 132-136
  3. a b c d e f Bacmeister, S. 221 ff.
  4. Lutz Hachmeister: Schleyer - eine deutsche Geschichte, S. 116, C.H.Beck, München 2004
  5. Adolf Lohmann: Chronik des HKSCV 1918-1933. Einst und Jetzt, Bd. 5 (1960), S. 30
  6. Biermann war Inaktiver der Corps Suevia München und Suevia Straßburg zu Marburg. – Kösener Corpslisten 1930, 115, 1586; 103, 229
  7. a b Harald Lönnecker, S. 29 ff.
  8. Ein Nationalsozialist zieht Konsequenzen, veröffentlicht in Wille und Macht, dem Hausorgan des Reichsjugendführers Baldur von Schirach
  9. Hinweis auf Veröffentlichung in Wille und Macht; Otto Köhler: Der dritte Denunziant. in Konkret 9/97 mit Hinweis auf Veröffentlichung unter dem Titel: Corps ohne Maske - Ein Nationalsozialist zieht die Konsequenzen. in: Der Heidelberger Student [1]
  10. Zitiert nach Hans Peter Hümmer: Erlangen - ein frühes Zentrum des NS-Studentenbundes. In: Einst und Jetzt Band 45 (2000), S.177-214 Fußnote 145
  11. Zitiert nach Gottwald, S.13
  12. Rezipiert bei Franconia 1908; KKL 1910, 124, 609; Heiber, S. 136
  13. Ehrenmitglied im Harvestehuder Tennis und Hockey Club

Literatur

  • Georg L. Bacmeister: Corps unter dem Nationalsozialismus: z.B. Brunsviga Göttingen. Einst und Jetzt, Bd. 45 (2000), S. 215-240
  • Wolfgang Gottwald: Ein Rückblick. Einst und Jetzt, Bd. 41 (1996), S. 9-26
  • Helmut Heiber: Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP, Band 1, Teil 1, 1983
  • Harald Lönnecker: Die Versammlung der „besseren Nationalsozialisten“? Frankfurt am Main 2003
  • Menzel: EM Max Blunck (x). Corpszeitung der Jenenser Franken 1/1958; S. 6–9
  • Nachruf in: Deutsche Corpszeitung (DCZ), April 1958, S. 49-51
  • R.G.S. Weber: The German Corps in the Third Reich. Macmillan, London; deutsche Ausgabe: Die Deutschen Corps im Dritten Reich Köln 1998, ISBN 3-89498-033-8

Weblinks


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