Corps Masovia

Corps Masovia

Das Corps Masovia ist eine an der Universität Potsdam akkreditierte farbentragende und pflichtschlagende Studentenverbindung. Das Corps gehört dem Kösener SC-Verband (KSCV) an und ist mit den Rechten eines Seniorenconvents ausgestattet.

Wappen des Corps Masovia

Inhaltsverzeichnis

Band und Wahlspruch

Die Corpsbrüder („Masuren“) tragen seit 1829 das hellblau-weiß-feuerrote Band mit silberner Perkussion zur hellblauen Mütze.

Der Wahlspruch des Corps ist: „Virtus contemnit mortem“.

Geschichte

Das erste Corpshaus (1898-1929) der Masovia auf der Dominsel in Königsberg

Masovia wurde Ostern 1823 als Vereinigung und 1827 als Kränzchen von Studenten aus Masuren an der Albertina (Königsberg) gegründet. In der sog. Allgemeinheit der Studentenschaft wurden sie von jeher als oppositionell, von den Universitätsbehörden als halsstarrig empfunden. Sieben Masuren konstituierten im Juli 1829 die Landsmannschaft Masovia mit den Farben hellblau-weiß-feuerrot. Sieben Mitglieder dieser Masovia III stifteten am 14. Juni 1830 die heutige Masovia, der 69 Angehörige der Vorverbindungen beitraten. Mit dem SC zu Königsberg schloß sich das Corps 1865 dem HKSCV an. Wie die Königsberger Zeitungen 1930 zum 100. Stiftungsfest schrieben, war das Corps eine hoch angesehene und zugleich volkstümliche Studentenverbindung in Königsberg (Preußen). Sie war in Ostpreußen tief verwurzelt und blieb dem weltenfernen Masuren eng verbunden:

Masuren war mit Abstand das rückständigste Gebiet Ostpreußens. Wie die litauische Bevölkerung im Nordosten der Provinz waren die Masuren ein ethnisches Überbleibsel aus vornationaler Zeit. Polnische Sprache, preußischer Königspatriotismus und evangelische Konfession bildeten in Masuren eine Symbiose, die charakteristisch war für den multiethnischen vornationalen Status Preußens. Bis zur Reichsgründung von 1871 wurde diese Sonderheit respektiert und vor allem von den masurischen Pfarrern gepflegt, z. B. von Friedrich Czygan, Christoph Coelestin Mrongovius und [dem Masuren] Gustav Gisevius. Nachträglich erhob die polnische Masurenpropaganda und –forschung beide zu "Aktivisten im Kampf für das Polentum Masurens". Ihnen zu Ehren wurde nach 1945 Sensburg in Mragowo und Lötzen in Gizycko umbenannt.“ (Kossert 2001). Gisevius ist damit wohl der einzige Corpsstudent, nach dem eine Stadt benannt worden ist.

„Das masurische Selbstbewußtsein zeigte sich jedoch nicht nur im polnischen Mehrheitsmilieu, sondern erfaßte auch die lokale Elite, die durch Schule und Studium deutsch geprägt war und auf Deutsch miteinander verkehrte. Sichtbarer Ausdruck ihres Heimatstolzes war die studentische Verbindung Masovia, die in den vierziger [sic!] Jahren an der Albertina entstand. Mit deren Farben blau-weiß-rot erfolgte später die regionale Identifizierung vieler Masuren mit ihrer Heimat. Ein Mitglied der Königsberger Masovia, der Gymnasiallehrer Friedrich August Dewischeit (1805-1884), komponierte 1855 das Masurenlied "Wild flutet der See", das sich zur inoffiziellen Hymne Masurens entwickeln sollte. Der Reichssender Königsberg verwendete die Melodie ab 1930 als Pausenzeichen.“ (Kossert 2001).

Als schon damals älteste Königsberger Korporation musste Masovia 1935 wie alle Corps unter dem Druck des Nationalsozialismus suspendieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Geschichte des Corps vom Ringen um eine Zukunftsperspektive gekennzeichnet. Mit dem befreundeten Corps Palaiomarchia gründete Masovia im Januar 1950 einen gemeinsamen CC in Kiel. Es entstand das Corps Palaiomarchia-Masovia. Nach 1990 stellte sich heraus, dass es sich dabei nicht um eine Rekonstitution gehandelt hatte; vielmehr bestand die Suspension von 1935 fort. Deshalb rekonstituierten zwölf alte Königsberger Corpsbrüder 1997 den Bund an seinem 167. Stiftungstag. Vom SC zu Kiel am 8. Februar 2000 als viertes Corps aufgenommen, entging Masovia gerade noch dem Schicksal der drei anderen Königsberger Corps (Baltia II, Hansea und Littuania), beim Kösener Congress 2001 endgültig zu erlöschen. Im Oktober 2000 beschloss das Corps, seinen Sitz von Kiel nach Potsdam zu verlegen. Nach 66 Jahren Suspension wurde im Cecilienhof der aktive Betrieb am 20. Januar 2001 (300 Jahre nach Preußens Erhebung zum Königreich) eröffnet. Zum ersten Mal in seiner Geschichte stellte das Corps Masovia 2005/06 den Vorort (die Leitung) des KSCV.

Vor dem Zweiten Weltkrieg fochten 1.200 Corpsbrüder auf das Masurenband; von ihnen lebt noch einer. Bis zum Beginn des Sommersemesters 2009 hatte das Corps 1.372 Mitglieder. Heute ist Masovia das einzige Königsberger Corps.

Angehörige der Masovia

Hermann Pilchowsky (1844)
Ludwig August Clericus als Königsberger Masure (1851) in Pekesche und mit Konfederatka
Ferdinand Gregorovius als Königsberger Masure

In Ostpreußen trugen viele Pfarrer, Verwaltungsbeamte, Lehrer und Ärzte das Masurenband. Jüdische Mitglieder und vier katholische Priester zeigen die (ungebrochene) innere Freiheit des Corps. Bürgermeister waren Karl Brinkmann in Königsberg (er vertrat die Stadt bei der Einweihung der Neuen Synagoge 1896), Hermann Michow in Finsterwalde, Willi Brindlinger in Memel, Georg Maeckelburg in Treuburg und Gotha, Wilhelm Kuhr in Burg bei Magdeburg und in Berlin-Pankow, Bernhard Pawelcik in Marienburg. Ehrenbürger waren Otto Rosencrantz von Insterburg, Otto Czygan von Ortelsburg, Karl Bogdan von Lauenburg/Pommern, Theodor Tolki von Neidenburg, Johannes Poschmann von Wormditt, Eldor Pohl von Tilsit, Carl Contag von Nordhausen und Hans Pfundtner von Garmisch-Partenkirchen und Gumbinnen. Wilhelm v. Saltzwedell war Regierungspräsident in Danzig, Otto Rosencrantz bis 1933 in Gumbinnen. Landräte waren Otto Gisevius (Allenstein), Oskar v. Dreßler (41 Jahre in Heiligenbeil), Herbert Neumann (Pr. Eylau), Paul Josupeit (Labiau),Gustav Dodillet (Insterburg), Erich Stockmann (Niederung), Julius Frenzel (Marggrabowa/Oletzko), Waldemar Krossa (Ragnit), Robert Reuter (Johannisburg), Eugen Drewello (Lyck) und Herbert Kleine (Rosenberg/Westpr.). Otto Hesse und Friedrich Julius Richelot waren Ordinarien für Mathematik an den Universitäten Heidelberg und Königsberg, Fritz Schellong für Innere Medizin in Prag, nach dem Zweiten Weltkrieg (als Dekan) in Münster/Westfalen.

Ludwig August Clericus war ein bedeutender Heraldiker, Sphragistiker und Genealoge und ein Feuilletonist und Illustrator von Rang. Als erster Deutscher und erster Protestant wurde Ferdinand Gregorovius Ehrenbürger von Rom. Wie kein anderer befasste sich Otto Schellong mit den Papua auf Neu Guinea. Reinhold Schmidt, geistiger Führer der Deutschen in Philadelphia, schrieb Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs. Fritz Milkau war Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek und reformierte das deutsche Bibliothekswesen. Den deutschen Bahnen stellte das Corps viele Beamte. Alfred Prang und Paul Treibe waren Ministerialdirektoren im Reichsverkehrsministerium.

Für das Preußische Abgeordnetenhaus hatte Masovia dreizehn Mitglieder hervorgebracht, einen Konservativen und zwölf Liberale: Karl Claussen für Rastenburg-Gerdauen-Friedland, Franz Goerig für Osterode-Neidenburg, Paul Hensel, Ferdinand Leopold Krieger für Goldap-Stallupönen-Darkehmen, Julius Larz für Wehlau-Labiau, Robert Reinbacher, Ludwig Schadebrodt für Neidenburg-Osterode, Hermann Schumann für Sensburg-Ortelsburg und Julius Ebhardt, Orlando Gortzitza, Robert Reuter, Konrad Kob und Wilhelm Stobbe für Lyck-Oletzko-Johannisburg.

Im Preußischen Herrenhaus Preußisches Herrenhaus saßen Graf Karl v. Lehndorff-Steinort und Carl Contag. Im Reichstag (Deutsches Kaiserreich) waren Gustav Dodillet und Otto Saro konservative Abgeordnete für Insterburg-Gumbinnen und in der Weimarer Republik Paul Hensel für Johannisburg. Als erster Bürgerlicher wurde Arthur Zimmermann 1916 Staatssekretär des Äußeren. Im Dritten Reich war Hans Pfundtner Staatssekretär unter dem Reichsinnenminister Frick. In der Bundesrepublik Deutschland war Hans-Georg Sachs Staatssekretär im Auswärtigen Amt.

Sechs Masuren – Artur Behrendt, Max Bombe, Ernst Mann, Ernst Neumann, Günther Schierholt und Erich Skrodzki - wurden mit dem Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern, der Vorstufe des Ordens Pour le Mérite (Militärklasse), ausgezeichnet. Im Ersten Weltkrieg fielen 42 Masuren. In den Zweiten Weltkrieg zogen 130 Angehörige des Corps, von denen 73 als Soldaten oder Zivilisten um ihr Leben kamen. Masovia brachte drei Ritterkreuzträger hervor: Oberst Erich Bloedorn, Major Horst Ademeit (mit Eichenlaub) und Hauptmann Dr. iur. Helmut Schreiber-Volkening. Werner Linnemeyer (Deutsche Dienstpost Niederlande) erhielt das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes. Bis auf Bloedorn überlebte keiner der vier Masuren den Zweiten Weltkrieg.

In der Bundesrepublik Deutschland wurden Rolf Grabower (als Jude 1942-1945 im KZ Theresienstadt), Erich Haslinger, Alfred Prang, Heinz Schimmelpfennig, Konrad Schmidt-Torner und Hellmut Trute mit dem Großen Verdienstkreuz, Hans-Georg Sachs mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Bundesverdienstordens ausgezeichnet.

Da "alle Masuren gleich" sind, hatte das Corps nie das Statut einer Ehrenmitgliedschaft.

Verhältniscorps

Masovia steht in Kartellbeziehungen zum Corps Palatia-Guestphalia in Freiburg/Br. und dem Corps Guestfalia in Greifswald. Befreundete Corps sind Corps Palaiomarchia in Halle/Saale, Corps Lusatia Leipzig, Corps Austria in Frankfurt am Main, Corps Isaria München, Corps Onoldia Erlangen und Corps Teutonia Marburg.

Bilder der Masovia

Literatur

  • Das fünfzigjährige Stiftungsfest des Corps Masovia am 13., 14., 15., 16. und 17. Juni 1880. Königsberg 1880 (Digitalisat und download bei Wikimedia)
  • Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51 und Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg/Pr. 7 Hefte, München 1970-1986
  • J. Rüdiger Döhler (Hg.): Corps Masovia. Die 175jährige Geschichte von Königsbergs ältester und Potsdams erster Korporation im 21. Jahrhundert. aventinus edition (Meidenbauer), München 2005, ISBN 3-00-016108-2
  • J. Rüdiger Döhler: Der Seniorenconvent zu Königsberg. Ostpreußen und seine Corps vor dem Untergang, Kap. 1 und 2. In: Einst und Jetzt, Bd. 52 (2007), S. 147–176
  • Andreas Kossert: Masuren. Ostpreußens vergessener Süden. Berlin 2001
  • Emil Popp: Zur Geschichte des Königsberger Studententums. Holzner, Würzburg 1955 (Neuausgabe: WJK, Hilden 2004, ISBN 3-933892-52-X)
  • Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 7. Aufl..Würzburg 1987
  • Thomas Thamm: Korporationsstudententum in Königsberg/Preußen 1918 bis 1945. Historia academica, Bd. 34, 1995 (Schriftenreihe der Studentengeschichtlichen Vereinigung des Coburger Conventes)
  • Helmut R. Niedorf: Die Farben der Masuren, in: Heimatbote 1999 der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, S. 144-151
  • Kurt U. Bertrams (Hg.): Als Student in Königsberg. Erinnerungen bekannter Korporierter. Hilden 2006.

Weblinks


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