Philipp Rösler

Philipp Rösler
Philipp Rösler (2009)

Philipp Rösler (* 24. Februar 1973[1] in Khánh Hưng, Südvietnam) ist ein deutscher Politiker sowie seit Mai 2011 Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Bundesvorsitzender der FDP und deutscher Vizekanzler.[2]

Von Februar bis Oktober 2009 war Rösler Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie Stellvertretender Ministerpräsident des Landes Niedersachsen im Kabinett Wulff II. Von 2009 bis 2011 war er Bundesminister für Gesundheit.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Herkunft, Familie und Ausbildung

Rösler stammt aus Vietnam und wurde um den 24. Februar 1973 in dem Dorf Khánh Hưng (heute ein Teil von Sóc Trăng) während des Vietnamkrieges geboren. Sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt. Der 24. Februar 1973 wurde später amtlich festgelegt. Nach seiner Geburt wurde er namenlos an ein katholisches Waisenhaus in Saigon abgegeben. Im Alter von neun Monaten adoptierte ihn das niedersächsische Ehepaar Rösler und er wurde im November 1973 in die Bundesrepublik Deutschland geholt. Die vierköpfige Familie mit zwei Töchtern nahm Rösler bei sich auf und nannte ihn Philipp. Als Philipp Rösler vier Jahre alt war, trennten sich seine Eltern und er wuchs bei seinem Vater, einem Fluglehrer der Bundeswehr, in Hamburg, Bückeburg und Hannover auf.[3][4]

Im Jahr 1992 legte Rösler an der Lutherschule Hannover das Abitur ab.[5] Im selben Jahr trat er als Sanitätsoffizieranwärter in die Bundeswehr ein. Für ein Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover wurde er freigestellt. 1999 begann er eine Facharztausbildung zum Augenarzt am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. 2002 wurde er mit einer Arbeit über Rhythmusstörungen nach Herz-Operationen und deren medikamentöse Behandlung (Herz-Thorax-Gefäßchirurgie) zum Dr. med. promoviert. 2003 verließ er vorzeitig als Stabsarzt die Bundeswehr und brach seine Facharztausbildung ab, um sich auf seine Arbeit als FDP-Landespolitiker in Niedersachsen zu konzentrieren.[6]

Rösler ließ sich im Jahre 2000 taufen und trat der römisch-katholischen Kirche bei.[7] Seit 2002 ist Rösler mit der Ärztin Wiebke Rösler verheiratet und seit 2008 Vater von Zwillingstöchtern. Er hat zwei Schwestern, die leiblichen Töchter seiner Adoptiveltern.[8]

Politische Laufbahn (Partei)

Philipp Rösler auf einem Parteitag der FDP Niedersachsen

Rösler trat 1992 der FDP und den Jungen Liberalen bei. 1994 wurde er zum Kreisvorsitzenden der Jungen Liberalen Hannover-Stadt gewählt. Seit 1996 ist er Mitglied des Landesvorstands der FDP Niedersachsen. Im selben Jahr wurde er Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Niedersachsen und blieb es bis 1999. Von 2000 bis 2004 war er Generalsekretär der FDP in Niedersachsen.[8] Rösler war von 2001 bis 2006 Abgeordneter in der Regionsversammlung der Region Hannover und dort stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP.

Am 5. Mai 2005 wurde er auf dem 56. Parteitag der FDP mit 95 Prozent der Stimmen und dem besten Ergebnis zum Beisitzer im Präsidium der Bundespartei gewählt. Auf dem Landesparteitag am 18. März 2006 wurde er mit 96,4 Prozent zum neuen Landesvorsitzenden der niedersächsischen FDP gewählt. Er trat damit die Nachfolge von Walter Hirche an, der nach zwölf Jahren Amtszeit nicht mehr kandidierte. Auf dem Bundesparteitag der FDP-Mitte Juni 2007 wurde er erneut ins Bundespräsidium seiner Partei gekürt. Dabei errang er mit über 88 Prozent der Delegiertenstimmen das zweitbeste Ergebnis.

Die Landesvertreterversammlung der FDP Niedersachsen wählte ihn am 8. Juli 2007 in Braunlage mit 96 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Niedersächsische Landtagswahl am 27. Januar 2008. In seinem Landtagswahlkreis Hannover-Döhren (Wahlkreis 24) erreichte er am 27. Januar 2008 10,9 Prozent der Erststimmen. Am 19. April 2008 wurde er mit 95 Prozent als Landesvorsitzender im Amt bestätigt.

Am 13. Mai 2011 wurde Rösler mit 619 von 651 gültigen Stimmen (95,08 Prozent) bei zehn Enthaltungen und 22 Nein-Stimmen auf dem Bundesparteitag in Rostock zum neuen Bundesparteivorsitzenden gewählt.

Politische Laufbahn (Abgeordneter)

Von 2003 bis Oktober 2009 war Rösler Mitglied im Niedersächsischen Landtag, bis Februar 2009 zudem Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Am 18. Februar 2009 wurde Rösler als Nachfolger von Walter Hirche niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie Stellvertretender Ministerpräsident des Landes Niedersachsen.[9]

Am 28. Oktober 2009 wurde Rösler Bundesgesundheitsminister. Bis zum Eintritt von Kristina Schröder ins Kabinett war er dessen jüngstes Mitglied.[10][11] Nachdem der bisherige Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Rainer Brüderle durch seine Wahl zum FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzenden aus seinem Amt schied,[12] wurde Rösler am 12. Mai 2011 zum neuen Bundeswirtschaftsminister ernannt und zuvor aus seinem Amt als Bundesgesundheitsminister entlassen.

Rösler wurde am 16. Mai 2011 zum deutschen Vizekanzler ernannt.[2]

Engagement

Rösler ist seit 2008 Mitglied der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.[13] Zudem ist er Vorsitzender des Kuratoriums der Robert-Enke-Stiftung.[3]

Politische Positionen und Arbeit

Gesundheitspolitik (2009–2011)

Die zentrale Aufgabe der deutschen Gesundheitspolitik stellt eine Reform des Gesundheitswesens dar. Rösler vertrat als Gesundheitsminister die Ansicht, dass eine solidarische Gesundheitsprämie der Bürgerversicherung vorzuziehen sei. Bei seiner Antrittsrede vor dem Deutschen Bundestag hob er hervor, dass die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) derzeit bei der Beitragsbemessungsgrenze ende.[14] Einkommen über der Grenze hinaus werden nicht für die gesetzliche Krankenversicherung herangezogen. Vermögende Bürger würden zudem oft von der GKV in die private Krankenversicherung (PKV) wechseln. Der Ausgleich zwischen Arm und Reich sei nach Röslers Ansicht daher im Steuer- und Transferwesen besser aufgehoben als im Gesundheitswesen. Auch die durch die Gesundheitsprämie entstehende Belastung unterer Einkommensschichten sollte im Steuerwesen aufgefangen werden.[15]

Am 1. Juli 2010 legte Rösler sein Konzept für die Einführung einer Gesundheitsprämie vor. Darin war eine Pauschale von durchschnittlich 30 € vorgesehen, die jeder Kassenversicherte der GKV bezahlen sollte. Der soziale Ausgleich sollte aber aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands nicht im Steuerwesen, sondern weiterhin innerhalb des Gesundheitswesen erfolgen. Die Beitragssätze sollten dazu in bis zu sechs einkommensabhängige Gruppen gestaffelt werden. Geringverdiener sollten einen verringerten Beitragssatz von 5 % zahlen, während die einkommensstärkste Gruppe den Höchstbeitragssatz für Arbeitnehmer zahlen müsste. Der Höchstbeitragsatz von Arbeitnehmern sollte von 7,9 % (Arbeitnehmerbeitragssatz 7 % zzgl. Sonderbeitrag 0,9 %) auf 7,3 % fallen. Dazu sollte der Sonderbeitrag abgeschafft und der Arbeitgeberbeitragsatz von 7 % auf 7,3 % erhöht werden. Das für die Berechnung zugrundeliegende Einkommen sollte nicht mehr nur den Lohn berücksichtigen, sondern auch auf restliche Einkünfte wie Mieteinnahmen oder Zinseinnahmen ausgeweitet werden.[16] Konkret hätte dies bedeutet, dass die Einkünfte bis 3400 Euro entweder entlastet oder im schlimmsten Fall die Belastung gleich geblieben wäre. Dafür wären die Einkünfte von 3400 bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 3750 € stärker belastet worden.[17] Röslers Reformvorhaben scheiterte jedoch am Widerstand von Horst Seehofer und der CSU.[18]

Am 4. Juli legte Rösler daraufhin ein weiteres Reformkonzept vor. Dieses Konzept wurde schlussendlich durch die Arzneimittelsparpakete I&II und die Gesundheitsreform 2011 umgesetzt. Zudem übte Rösler an der CSU Kritik und warf ihr vor, dass sie zwar kritisiere, aber selbst keinen alternativen Vorschlag bringe, um das drohende Haushaltsdefizit von bis zu 11 Milliarden Euro im Gesundheitswesen auszugleichen. Einen Vorschlag aus der CSU, die Praxisgebühren auf jeden Arztbesuch auszuweiten, lehnte Rösler ab.[19]

Arzneimittelsparpaket I (Juni 2010)

Am 18. Juni 2010 wurde das Arzneimittelsparpaket I verabschiedet und trat zum 1. August in Kraft. Es war Teil der kurzfristigen Maßnahmen gegen die hohen Arzneimittelpreise. Dazu wurde der Herstellerabschlag für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für alle Arzneimittel ohne Festbetrag von sechs auf 16 Prozent erhöht. Damit die Pharmaunternehmen den Herstellerabschlag nicht durch Preiserhöhungen umgehen konnten, wurden die Arzneimittelpreise für die GKV bis Ende 2013 auf dem Stand vom August 2009 eingefroren (Preismoratorium).[20] Um einen weiteren Anreiz zur allgemeinen Preissenkung zu bieten, wurde zudem vereinbart, dass Preissenkungen für ein Arzneimittel vom Herstellerabschlag für die GKV abgezogen werden. Dies führte jedoch dazu, dass einige Pharmaunternehmen ihre Arzneimittelpreise zuerst anhoben und dann wieder senkten. Die Senkung im zweiten Schritt konnten sie sich dann anrechnen lassen. Mit dieser „Preisschaukel“ wollten diese Pharmaunternehmen bei einigen Arzneimittel den Herstellerabschlag unterlaufen.[21] Mit der Gesundheitsreform 2011 wurde diese Gesetzeslücke geschlossen und die entsprechenden Arzneimittel mit einem zusätzlichen Herstellerabschlag von 4,5 % auf 20,5 % im Jahr 2011 belegt.[22]

Arzneimittelsparpaket II und Gesundheitsreform 2011 (November 2010)

Krankenkassenbeiträge und Zusatzbeiträge

Im Rahmen der im November 2010 verabschiedeten Gesundheitsreform wurde am 1. Januar 2011 der allgemeine (ermäßigte) Krankenkassenbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung von 14,9 % (14,3 %) auf seinen alten Stand von 15,5 % (14,9 %) angehoben. Dieser wurde aufgrund der Finanzkrise 2007 als Teil des Konjunkturpakets II um 0,6 % gesenkt und mit Steuerzuschüsse aus den Bundeshaushalt finanziert.[23] Zudem wurde der Krankenkassenbeitrag auf 15,5 % (14,9 %) eingefroren. Künftig müssen Kostensteigerungen von Arbeitnehmern über einen Zusatzbeitrag ausgeglichen werden.[24] Dies begründete Rösler mit dem Ziel der Wirtschaftsförderung durch die Senkung von Lohnnebenkosten, die nach seiner Einschätzung durch eine steigende Lebenserwartung deutlich steigen würden.[25][14] Die Entkoppelung des Arbeitgebers von den Kostensteigerungen führte die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) unter Rot-Grün im Jahre 2005 mit dem Sonderbeitrag von 0,9 %, den der Arbeitnehmer alleine zu tragen hat, ein.[26]

Mit der Gesundheitsreform wurde die Begrenzung der Zusatzbeiträge aufgehoben. Damit Geringverdiener nicht überfordert werden, wurde ein Sozialausgleich eingeführt, wenn der Zusatzbeitrag 2 % des Buttoeinkommens übersteigt.[27] Mit der Reform wurden Arbeitslosengeld II-Empfänger, Bezieher von Sozialhilfe, Wehr-und Zivildienstleistende, Studenten, Auszubildende, Minijobber und behinderte Menschen vom Zusatzbeitrag ausgenommen.[28] Außerdem erhielten auch Versicherte, die einen Wahltarif mit einer GKV geschlossen haben, das Sonderkündigungsrecht bei Einführung oder Erhöhung von Zusatzbeiträgen bei ihrer GKV.[29]

Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG)

Mit der Reform wurde das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) verabschiedet. Durch die Reform wurden Mittel zur Senkung der Arzneimittelpreise bereitgestellt. Unter anderem setzte darin Rösler als erster Bundesgesundheitsminister die Arzneimittelfrühbewertung gegen die Pharmaunternehmen in Deutschland durch. Die Pharmaunternehmen können damit nicht mehr die Preise neuer Arzneimittel frei gestalten und müssen den Zusatznutzen für neue Arzneimittel nachweisen. Sie sind verpflichtet, innerhalb eines Jahres den Preis des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinbaren. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle über den Arzneimittelpreis. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) können in diesem Prozess als unabhängige Instanzen mit der Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln beauftragt werden.[30][31] Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Verantwortung für preisgünstige Arzneimittel von den Ärzten wieder stärker auf die Krankenkassen übertragen wurde. Die Krankenkassen haben z. B. mit den Arzneimittel-Rabattverträgen mehr Mittel zur Preisregulierung. Die Bonus-Malus-Regelung wird damit aufgehoben, die Ärzte werden entlastet. Auch die Regelung zur Verordnung besonderer Arzneimittel (Zweitmeinung) wurde abgeschafft.[32]

Mit dem AMNOG wurde zudem verabschiedet, dass das Kartellrecht für die freiwillig abgeschlossenen Verträge von Krankenkassen und Leistungserbringern gilt. Ausgenommen sind kollektivvertragliche Regelungen und solche Verträge, zu deren Abschluss die Kassen oder ihre Verbände verpflichtet sind, wie etwa die Vertragsverpflichtungen für die Heilmittel- und Hilfsmittelversorgung.[33][22] Diese Änderung sollte die Wettbewerbsbeschränkung durch die Krankenkassen verhindern. Diese schlossen sich in Verbänden zusammen und waren dadurch in einer sehr starken Verhandlungsposition.[34] Die Krankenkassen kritisierten diese Gesetzesänderung und argumentierten, dass schließlich der Versicherte von den Rabattverträgen profitiere.[35] Das Kartellamt beruhigte und stellte klar, dass das AMNOG das praktizierte System der Rabattverträge zuließe, solange die Krankenkassen nicht übertreiben.[36]

Private Krankenversicherung

Mit der Gesundheitsreform 2011 wurden die Arzneimittel-Rabatte auch auf die PKV ausgeweitet. Zudem wurde die 2007 eingeführte Drei-Jahres-Frist abgeschafft. Versicherte müssen nicht mehr drei Jahre hintereinander über der Versicherungspflichtgrenze liegen, sondern können schon bei einmaligen Überschreiten in eine PKV wechseln.[37]

Hausarztverträge

In der Gesundheitsreform 2011 wurde festgeschrieben, dass Honorarsteigerungen bei Hausärzten künftig nicht stärker steigen dürfen als bei den anderen Ärzten. Die Vergütungen müssen sich zudem mehr am allgemeinen Honorarniveau der ärztlichen Versorgung orientieren. Die bereits abgeschlossenen Hausärzteverträge bleiben davon unberührt.[26] Rösler erklärte dies damit, dass die Bevölkerung es nicht akzeptieren würde, wenn nicht alle Gruppen zur Konsolidierung des Gesundheitshaushalts beitragen.[38] Die Honorare der Hausärzte waren in vorangegangenen Jahren stark gestiegen und 2009 sogar an den Honoraren der Fachärzte vorbeigezogen.[39][40] Dennoch äußerten Hausärzteverbände im Vorfeld der Reform ihren Unmut über die geplanten Veränderungen. Die Hausärzte drohten Rösler offen mit der Rückgabe der Kassenzulassungen, wenn er nicht von seinen Plänen abließe, und streikten. Das Bundesgesundheitsministerium ging jedoch nicht auf ihre Forderung ein und die Hausärzte gaben am Ende ihren Protest auf, nachdem der Bayerische Hausarztverband keine 60 %-Mehrheit für einen kollektiven Ausstieg aus dem Kassensystem unter seinen Mitgliedern gefunden hatte.[41]

Weitere Regelungen
  • Die Honorarsteigerungen von Vertragsärzten wurden für die Jahre 2011 bis 2012 begrenzt.
  • Die Verwaltungskosten der Krankenkassen wurden für die Jahre 2011 und 2012 auf das Niveau von 2009 eingefroren.
  • Die schon vereinbarten Ausgaben für die Mehrleistungen der Krankenhäuser werden für das Jahr 2011 um 30 % reduziert.
  • Der Pharmagroßhandel muss nun 3,15 % vom Arzneimittelpreis und 70 Cent Packungsgebühr abführen.[26][42]

Kritik an der Gesundheitsreform 2011

Die im Rahmen der Gesundheitsreform steigenden Krankenkassenbeiträge für Pflichtversicherte wurden von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt kritisiert, da sie dem Koalitionsvertrag zwischen FDP und Union widersprächen. SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Reform als „gesundheitspolitischen Scherbenhaufen”.[43]

Kontroversen

Grundsatzabteilung im Gesundheitsministerium

Im Januar 2010 berief Rösler den stellvertretenden Direktor des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV), Christian Weber, zum Leiter der Grundsatzabteilung im Gesundheitsministerium.[44] Da Weber eine Umstellung des Gesundheitssystems von der Umlagefinanzierung auf eine private Basis ausarbeiten sollte, wurde dem Ministerium mangelnde Unabhängigkeit vorgeworfen und von Opposition und einigen Beobachtern Röslers Vorgehen als „Klientelpolitik“ bezeichnet.[45] Weber selbst hatte in der Vergangenheit auch für das wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) gearbeitet; er will an der Trennung von GKV und PKV im Gesundheitswesen festhalten.[46]

VfA und IQWiG

Im Juni 2009 unterzeichneten bei einem Treffen die Wirtschaftsminister der Länder, darunter der damalige niedersächsische Wirtschaftsminister Rösler, eine Stellungnahme gegen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die IQWiG müsse auch auf die „Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere der heimischen pharmazeutischen Unternehmen“ achten.[47] Dies soll in Absprache mit dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA), einem Interessenverband der Pharmaunternehmen, geschehen sein. Da der von den Landeswirtschaftsministern gefasste Beschluss, das IQWiG schade dem Standort Deutschland, in weiten Teilen identisch mit dem VfA-Entwurf ist, sehen Kritiker hier eine erfolgreiche Lobbyarbeit der Pharmaindustrie gegen das IQWiG.[48]

Auch Röslers Rolle bei der Nichtverlängerung des Arbeitvertrags mit Peter Sawicki, dem damaligen Leiter der IQWiG, wird als bedenklich gesehen. Kritiker vermuten hinter der Absetzung politische Gründe und den Druck der Pharmaunternehmen, um einen für die Pharma-Lobby genehmeren Leiter einzusetzen. So ist auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die damalige Leiterin des Referats Gesundheitspolitik, Susanne Wald, bei der Absetzung von Peter Sawicki in der Sache verwickelt gewesen.[49] Sawickis Nachfolger Jürgen Windeler gilt allerdings, entgegen dieser Befürchtung, als ähnlich kritisch in Fragen der Arzneimittelbewertung.[50]

Aussage bei Beckmann

Im Februar 2010 kommentierte Rösler seine Reformpläne in der Sendung Beckmann wie folgt:[51]

„Wenn es mir nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben. Davon gehe ich fest aus.“

Philipp Rösler

In den Medien wurde diese Aussage zumeist als eine indirekte Rücktrittsdrohung von Seiten Röslers interpretiert.[52][53] Daniel Bahr löste Rösler im Mai 2011 als Gesundheitsminister ab.

Veröffentlichungen

von Philipp Rösler

  • Einfluss der prophylaktischen Sotalolapplikation auf die Inzidenz des postoperativen Vorhofflimmerns im Rahmen der aortokoronaren Bypassoperation. Dissertation, Medizinische Hochschule, Hannover 2001.
  • Was uns fehlt. Im Internet veröffentlichtes Strategiepapier, 2008.
  • mit Christian Lindner (Hrsg.): Freiheit: gefühlt – gedacht – gelebt. Liberale Beiträge zu einer Wertediskussion. VS-Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16387-1.

über Philipp Rösler

Michael Bröcker: Philipp Rösler. Glaube. Heimat. FDP. Ein Porträt. St. Benno, Leipzig 2011, ISBN 978-3-74623-287-4.[54]

Weblinks

 Commons: Philipp Rösler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dies ist das amtlich festgelegte Datum; das tatsächliche Datum ist unbekannt, siehe Philipp Rösler kennt seinen Geburtstag nicht, netzeitung.de, 2. November 2009.
  2. a b Philipp Rösler neuer Vizekanzler, Bundesregierung. Abgerufen am 18. Mai 2011.
  3. a b Dr. Philipp Rösler – Zur Person. In: philipp-roesler.de, 19. Mai 2011.
  4. Grüß Schnuffelchen, Spiegel Online, 19. Mai 2011.
  5. Philipp Rösler – „Großen hilft die Politik, die Kleinen gehen pleite“. In: sueddeutsche.de, 17. Februar 2009.
  6. Dr. med. Rösler, Politiker und „einfach Arzt“, aerzteblatt.de, 25. Oktober 2009.
  7. „Rösler und die Kirche“. In: Radio Vatikan, 6. April 2011
  8. a b Köpfe der Wirtschaft: Philipp Rösler. In: WirtschaftsWoche, 19. Mai 2011.
  9. Philipp Rösler ist neuer Wirtschaftsminister, Welt Online, 18. Februar 2009.
  10. Westerwelles Kronprinz, Zeit Online, 24. Oktober 2009.
  11. Kabinett vereidigt, tagesschau.de, abgerufen am 28. Oktober 2009.
  12. FDP besetzt Ministerposten neu, tagesschau.de, abgerufen am 10. Mai 2011.
  13. „Rösler und die Kirche“. In: Radio Vatikan, 6. April 2011
  14. a b Plenarprotokoll der 5. Sitzung vom 12. November 2009 (PDF; 706,5 KB), Antrittsrede vor dem Deutschen Bundestag von Philipp Rösler, 12. November 2009.
  15. Wir sind nicht zum Spaß hier, Interview mit Rösler in Zeit Online, 26. November 2009.
  16. Rösler fordert 30 Euro von allen Versicherten, Welt Online, 23. Mai 2010.
  17. Interview mit Dabrinski, tagesschau.de, 23. Mai 2010.
  18. CSU erklärt endgültiges Aus für Gesundheitsprämie, Focus Online, 23. Mai 2010.
  19. GKV-Finanzen: Rösler will neues Reformkonzept vorlegen, aerztezeitung.de, 23. Mai 2010.
  20. Rösler legt sich mit Lobbyisten an, n-tv, 21. Mai 2011.
  21. Ministerium will Gesetzeslücke im Pharma-Sparpaket schließen. In: aerztezeitung.de, 21. Mai 2011.
  22. a b Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss). In: ebm-netzwerk.de, 20. Mai 2011.
  23. Konjunkturpaket II soll Krankenkassenbeitrag senken, bkk-oetker.de, 19. Mai 2011.
  24. Fakten rund um Ihre Krankenversicherung 2011, bkk.de, 20. Mai 2011.
  25. Bundestag beschließt Gesundheitsreform, aerzteblatt.de, 23. Mai 2010.
  26. a b c Wichtige Veränderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ab 2011, janvonbroeckel.de, 20. Mai 2011.
  27. Der Krankenkassen Zusatzbeitrag in 2011, zusatzbeitrag.com, 23. Mai 2011.
  28. Ab 2011 kein Zusatzbeitrag für Empfänger von Hartz IV, zusatzbeitrag.com, 23. Mai 2011.
  29. Sonderkündigungsrecht bei Zusatzbeitrag auch im Wahltarif, zusatzbeitrag.com, 23. Mai 2011.
  30. AMNOG und Rechtsverordnung: G-BA zieht trotz Vorbehalten insgesamt positive Bilanz, g-ba.de, 19. Mai 2011.
  31. Neues Arzneimittelmarkt-Gesetz stärkt Rolle des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Bundesgesundheitsministerium, Pressemitteilung, 5. November 2010. Abgerufen am 19. Mai 2011.
  32. Glossar. In: carenoble.de, 20. Mai 2011.
  33. Rösler: Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz stärkt Wettbewerb. In: wkdis.de, 20. Mai 2011.
  34. Kartellrecht: Rösler will mehr Wettbewerb bei Rabattverträgen, krankenkassen-direkt.de, 20. Mai 2011.
  35. Einladung zur Manipulation, Spiegel Online, 20. Mai 2011.
  36. Kartellamt beruhigt Krankenkassen, apotheke-adhoc.de, 20. Mai 2011.
  37. Gesundheitsreform private Krankenversicherung, cecu.de, 24. Mai 2011.
  38. Rösler lehnt höhere Vergütung für Hausärzte ab, aerzteblatt.de, 14. Juli 2010. Abgerufen am 20. Mai 2011.
  39. Streik trotz gestiegener Honorare, fr-online.de, 20. Mai 2011.
  40. Hausärzte hängen Fachärzte beim Einkommen ab, t-online.de, 20. Mai 2011.
  41. Bayerns Hausärzte: Ausstieg ist gescheitert. In: blog.consilia-sozial.de, 20. Mai 2011.
  42. Das Arzneimittel-Sparpaket der Bundesregierung, 3sat.de, 25. Mai 2011.
  43. Kritik an schwarz-gelber Gesundheitsreform: Beitragserhöhung stößt auf breite Ablehnung. tagesschau.de, 7. Juli 2010, abgerufen am 5. April 2011.
  44. Wirbel um „Lobbyisten“ im Gesundheitsministerium. T-Online, 19. Februar 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  45. Opposition kritisiert „Klientelpolitik“ im FDP-Ministerium. http://www.aerzteblatt.de, 13. Januar 2010, abgerufen am 20. Mai 2011.
  46. Röslers Einflüsterer . In: stern.de, 20. Mai 2011.
  47. Oberster Arzneimittelprüfer muss gehen, Spiegel Online, 20. Mai 2011.
  48. Vorwurf: „Erfüllungsgehilfe der Pharmalobby“ – SPD wirft Rösler Lobby-Politik vor. Hamburger Abendblatt, 23. Januar 2010, abgerufen am 5. April 2011.
  49. Kanzleramt war involviert in Sawicki-Absetzung. Der Spiegel, 21. August 2010, abgerufen am 22. August 2010.
  50. Jürgen Windeler wird oberster Arzneimittelprüfer, Spiegel Online, 20. Mai 2011.
  51. Kopfpauschale – oder sein Job ist weg, stern.de, 19. Mai 2011.
  52. FDP-Minister Rösler droht indirekt mit Rücktritt. In: Handelsblatt, 19. Mai 2011.
  53. FDP-Minister Rösler droht indirekt mit Rücktritt, berlinonline.de, 19. Mai 2011.
  54. David Hugendick: Auf Du mit dem Gurkensüppchen. Zeit online vom 28. September 2011, abgerufen am 28. September 2011.

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