Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde 2004 im Zuge der Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes geschaffen, um die Qualität der Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern. Aufgaben und gesetzliche Grundlagen wurden seitdem durch mehrere Gesundheitsreformen angepasst und erweitert. Die Aufgaben des IQWiG sind unter anderem die evidenzbasierte Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren sowie das Bereitstellen allgemeinverständlicher Gesundheitsinformationen für Bürger und Patienten.

Der erste Leiter nach Gründung war der Diabetologe Peter Sawicki. Im Zuge einer Kontroverse um seine Person wurde sein Vertrag im Januar 2010 nicht verlängert. Seit dem 1. September 2010 leitet Jürgen Windeler, zuvor Leiter des Fachbereichs Evidenzbasierte Medizin des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), das IQWIG.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlage und Aufgaben

In § 139a–c Sozialgesetzbuch V werden die Einrichtung des IQWiG als „fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ geregelt und seine Aufgaben beschrieben. Die Bestellung der Institutsleitung hat im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit zu erfolgen.

Die Aufgaben des Instituts sind:

  • Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten,
  • Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung alters-, geschlechts- und lebenslagenspezifischer Besonderheiten,
  • Bewertung evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Erkrankungen,
  • Abgabe von Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen,
  • Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln,
  • Bereitstellung von auch für alle Bürgerinnen und Bürger verständlichen allgemeinen Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung.

Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG)[1] 2007 neu ins Gesetz aufgenommen wurde § 35b SGB V. Dieser Passus regelt die Bewertung des Verhältnisses von Nutzen zu Kosten von neuen Arzneimitteln und für Arzneimittel von besonderer Bedeutung durch das IQWiG. Für die vom SGB verlangte „Kosten-Nutzen-Bewertung“ sind erst Ende 2009 eine Methodik vorgestellt und erste Prüf-Aufträge erteilt worden.[2] Eine abgeschlossene Kosten-Nutzen-Bewertung hat das Institut bisher nicht vorgelegt.

Aufgrund seiner Verankerung im SGB V ist das IQWiG für das System der gesetzlichen Krankenversicherung tätig. Das Institut bearbeitet die Aufgaben im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), in dem Leistungserbringer und Kostenträger sowie Patientenbeauftragte und Selbsthilfeorganisationen vertreten sind, oder des Bundesgesundheitsministeriums. Zur Erfüllung seiner Aufgaben vergibt das IQWiG auch wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige. Diese Aufträge sind an die vom IQWiG entwickelten Methoden gebunden. Das IQWiG selbst besitzt keine Entscheidungsbefugnisse.

Organisation

Das Institut mit Sitz in Köln wurde zum 1. Juni 2004 gegründet. In den meisten großen Industriestaaten gab es davor schon vergleichbare Institute. Leiter des IQWiG war ab dem 1. September 2004 Peter Sawicki. Der Diabetologe war zuvor Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin des St.-Franziskus-Hospitals in Köln und Mitherausgeber des pharmakritischen Arznei-Telegramms. Am 22. Januar 2010 teilten Vorstand und Stiftungsrat des IQWIG mit, dass Sawickis Vertrag nicht verlängert werde und er somit zum 31. August 2010 aus dem Amt scheide. Als Grund wurden finanzielle Ungereimtheiten mit seinem Dienstwagen angegeben. Die Entscheidung löste eine Kontroverse aus, in der dem Gesundheitsministerium vorgeworfen wurde, dass der wahre Grund die kritische Haltung Sawickis gegenüber der Pharmaindustrie gewesen sei (siehe Hauptartikel: Entlassungskontroverse Peter Sawicki). Sein Nachfolger seit dem 1. September 2010 ist Jürgen Windeler.[3]

Träger ist die Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit Sitz in Berlin.[4] Die Finanzierung erfolgt durch die Erhebung von Zuschlägen auf abzurechnende Krankenhausfälle und auf Vergütungen für die ärztliche Versorgung, also vollständig aus Mitteln des öffentlichen Gesundheitswesens.[5] Als beratende Gremien gibt es ein Kuratorium[6] und einen wissenschaftlichen Beirat.

Prüfung von Arzneimitteln

Die Prüfung des Nutzens neuer von der Pharmaindustrie entwickelter Produkte hat Vorbilder in vielen Ländern:

  • Australien hat eine solche Einrichtung seit 1987,
  • Kanada seit 1994,
  • danach folgten Finnland, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, die Niederlande und Österreich.

Bis zur Einrichtung des IQWiG gab es in Deutschland keine solche Prüfung. Sobald die Zulassung für neue Medikamente nach Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erteilt war, konnte die pharmazeutische Industrie die Preise frei festlegen, und die Krankenkassen mussten die Kosten bei ärztlicher Verschreibung erstatten. Der vormalige Institutsleiter Sawicki fasste diese Situation mit den Worten zusammen: „Die pharmazeutische Industrie betrachtet Deutschland als Selbstbedienungsladen.“ Sawicki trat generell dafür ein, dass der Nutzen von Medikamenten durch empirische Studien nachgewiesen werden muss (siehe auch Positivliste für Arzneimittel), statt lediglich festzustellen, dass sie nicht schädlich sind. Er warb dafür, dass diese Studien nicht von der interessegeleiteten pharmazeutischen Industrie durchgeführt werden, sondern von neutraler staatlicher Seite, beispielsweise durch länderübergreifende Zusammenarbeit der großen europäischen Staaten.[7]

Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG)

Am 1. Januar 2011 trat das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) in Kraft. Das durch eine Rechtsverordnung[8] konkretisierte Gesetz verpflichtet die Pharmaunternehmen, den Zusatznutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres den Preis des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinbaren. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle mit Wirkung ab dem 13. Monat nach Markteinführung über den Arzneimittelpreis (§35a und 130b SGB V). Das IQWiG kann in diesem Prozess als unabhängiges Institut mit der Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln beauftragt werden. Nach Darstellung einer Pressemitteilung des Bundesministerium für Gesundheit werde dadurch seine zentrale Rolle als Bewertungsinstanz in der medizinischen Versorgung weiter gestärkt.[9]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007. BGBl I S. 378.
  2. [1] Pharmazeutische Zeitung zur Methodendiskussion des IQWiG
  3. Jürgen Windeler wird oberster Arzneimittelprüfer. Spiegel Online. Abgerufen am 15. Juni 2010.
  4. Satzung (pdf, 14 Seiten)
  5. IQWiG: Über uns - Finanzierung
  6. Mitgliederliste
  7. Der Professor und das Institut sowie Interview "Ich habe Angst vor Ärzten", Die Tageszeitung, 6. Januar 2007
  8. Verordnung über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35a Absatz 1 SGB V für Erstattungsvereinbarungen nach § 130b SGB V (AM-NutzenV. Textausgabe. Gesetze im Internet. Abgerufen am 19. Mai 2011.
  9. Neues Arzneimittelmarkt-Gesetz stärkt Rolle des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Bundesgesundheitsministerium. Pressemitteilung. 5. November 2010. Abgerufen am 19. Mai 2011.

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