Lutherkirche (Radebeul)

Lutherkirche (Radebeul)
Lutherkirche Radebeul-Ost

Die Lutherkirche ist eine evangelisch-lutherische Kirche auf der Meißner Straße im sächsischen Radebeul-Ost. Als eines der in Radebeul seltenen Gebäude mit Backstein-Sichtmauerwerk wird sie auch Rote Kirche genannt.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Portal der Lutherkirche

Die Lutherkirche liegt am Rande einer gleich südlich verlaufenden Elb-Schwemmsandterrasse. Südlich des Kirchenstandorts verläuft in etwa 250 m Luftlinie die 1839 eröffnete Ferneisenbahnverbindung Leipzig–Dresden, während unmittelbar nördlich des Kirchenstandorts die Meißner Straße, also die Post- und Chausseeverbindung von Dresden über Meißen nach Leipzig, verläuft. Aufgrund dieser beiden Sicht-Ausgangspunkte erfolgte die Ausrichtung der Kirche in Nord-Süd-Richtung sowie die „repräsentative Gestaltung des Chores und der Turmfront“[1], die sich mit dem Eingangsportal und dem davorliegenden kleinen Platz unmittelbar zur Meißner Straße öffnet.

Außenansicht

Der Stil des Kirchenbaus erinnert an Formen deutscher Renaissance des 16. Jahrhunderts im Elbtal. Als Material wurde hart gebrannter, dunkelroter Ziegel verwendet, der am Sockel und in den Gliederungen durch hellgelben Sandstein aufgelockert wird. Die Dächer sind verschiefert, die Turmspitze besteht aus Kupferblech.

Der Saalbau der Kirche steht über einem kreuzförmigen Grundriss mit einem mittigen, hohen Turm im Norden. Dessen querliegendes Satteldach trägt einen Dachreiter mit Uhr und kleiner Laterne. Seitlich des Turms stehen zwei niedrige Treppenhausanbauten, die durch Spitzhelme abgeschlossen werden. Hinter dem Eingangsportal öffnet sich eine hohe Turmhalle mit einer Mittelsäule. Über dem Portal befinden sich ein Radfenster, darüber Rundbogenfenster sowie rundbogige Arkaden mit Öffnungen zur nördlichen Hälfte des Turmkopfs.

Das Kirchenschiff wie auch das kurze Querhaus am Ende des Schiffs tragen ebenfalls Satteldächer. Die Fenster im Schiff stehen zwischen Strebepfeilern. Das Schiff wird am Giebel zum Chor durch einen durchbrochenen Staffelgiebel verziert, auf dem sich ein um 45 ° gedrehter Dachreiter befindet. Der polygonale hohe Chor in Form einer Apsis wird beidseitig durch niedrige Kapellen mit sechsseitigen Zeltdächern gefasst.

Innengestaltung

Im Inneren hat das Kirchenschiff ein weites Tonnengewölbe mit Stichkappen und Kreuzrippen. Zum Turm hin steht eine Orgelempore, die in das erste Joch hineinragt, und auch auf den beiden Seiten befinden sich Emporen, die über flachen Stichkappen auf weit vortretenden Kragsteinen aufliegen. Der Übergang zum niedrigeren Altarraum wie auch zu der Apsis werden durch sich verengende Gurtbögen gebildet. Rechts im Altarraum führt eine Portaltür in den sich außen anschließenden Kapellenanbau, der die sechseckige Sakristei beherbergt, während auf der linken Seite die Taufkapelle durch die mit einer schmiedeeisernen Gittertür verzierte Rundbogenöffnung zu sehen ist.

In der Apsis steht ein kleiner Retabelaltar. Schräg darüber stehen auf Konsolen im Triumphbogen zur Apsis überlebensgroße Holzschnitz-Figuren von Moses und Johannes dem Täufer, die von dem bis 1920 in Radebeul lebenden Bildhauer Richard König geschaffen wurden. Die Chorfenster, deren mittleres von Karl May gestiftet wurde, schuf die Glasmalanstalt Urban & Goller in Dresden.

Hervorzuheben sind auch noch die große hölzerne Kanzel mit einem aufwendigen Korb sowie einem Schalldeckel mit hohem Aufsatz, das Lesepult und der Taufstein nach Entwürfen des Bildhauers Curt Roch.

Die von der Firma Jehmlich stammende Orgel wurde 1934 und 1952 vereinfachend verändert. Dabei wurden 1934 auch die Empore erweitert und der Orgelprospekt vergrößert. Durch diese Maßnahme wurde das Westfenster verdeckt. Ebenfalls 1934 wurden die Kandelaber entfernt und der Stuck reduziert.

Turmuhr

Der 68 m hohe Kirchturm beherbergt die Turmuhr Nr. 116 des Lommatzscher Turmuhrenbauers Moritz Bassler aus dem Jahr 1892. Die Auslösung des Viertelstundenschlages erfolgt vom Gehwerk, die des Stundenschlages vom Viertelstundenschlagwerk jeweils stündlich. Die Kraftübertragung wird von zwei Hebeln mit Gewindestangen über Drahtzüge und Winkelhebel zu den Schlaghämmern der Glocken realisiert.[2]

Geschichte

Kirche für die Lößnitz, Entwurf von Ernst Ziller, 1865
Lutherkirche, Schaubild von 1891
Pfarrhaus der Lutherkirche

1839 kam das neugegründete Oberlößnitz zum Kirchspiel Kaditz hinzu, das auch für Radebeul und Serkowitz zuständig war. 1854 wurde in der neuerrichteten Oberlößnitzer Schule ein Betsaal eingerichtet, in dem in der Folgezeit immer häufiger Gottesdienste abgehalten wurden. So entstand in den östlichen Lößnitzgemeinden der Wunsch nach einer eigenen Parochie, die am 1. Juli 1890 gebildet wurde.

Einen 1865 von Ernst Ziller unaufgefordert vorgelegten Entwurf für eine Kirche im Byzantinischen Stil verwerfend, schrieb die Gemeinde 1890 noch vor ihrer offiziellen Konstituierung einen Wettbewerb zwischen den Dresdner Architekturbüros Giese & Weidner sowie Schilling & Graebner aus.

Im Gegensatz zu ihrem akademischen Lehrer Karl Weißbach, der die Friedenskirche im nahegelegenen Kötzschenbroda noch im Stil der durch das Eisenacher Regulativ empfohlenen Neogotik umgebaut hatte, entwarfen Schilling & Graebner den Kirchenneubau ganz im Stil der Neorenaissance. Diesen Architekturstil hatten die beiden Architekten mit dem 1891 fertiggestellten Rathaus der damaligen Gemeinde Pieschen erst in Dresden eingeführt. Für Kirchenbauten war er vorher noch nicht verwendet worden.[3]

Im Jahr 1891 wurde für die durch die Dresdner Architekten Schilling & Graebner entworfene evangelisch-lutherische Kirche der Grundstein gelegt, kurz nach der Eröffnung des neugeschaffenen Friedhofs Radebeul-Ost, der Bau wurde durch die Baumeister Wilhelm Eisold aus Serkowitz und Rudolf Baron aus Dresden durchgeführt.[4] Die Einweihung erfolgte am 30. November 1892 als Kirche zu Radebeul. Das Kirchenprojekt wurde von den Architekten bereits während der Bauzeit der Fachwelt präsentiert und von dieser mit hohem Interesse verfolgt, unter anderem auf der Berliner Kunstausstellung 1891. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Baumaßnahmen wurde diese Kirche zum ersten Kirchenbau der später als vielbeschäftigte Kirchenbaumeister bekanntgewordenen Architektengemeinschaft Schilling & Graebner.

Seit 1934, nach einem umfangreichen Umbau im Inneren durch den Architekten Alfred Tischer,[5] wird zu Ehren des Reformators Martin Luther der Name Lutherkirche verwendet. Heute steht die Kirche unter Denkmalschutz.[6]

1973 wurde die ursprüngliche „ungewöhnlich helle Farbigkeit“[1] wieder hergestellt.

Gemeindehaus

Das heute unter Kirchplatz 2 angesprochene Gemeinde- oder Pfarrhaus hatte lange die Adresse Karl-May-Straße 11. Es wurde ebenfalls durch Schilling & Graebner im Jahr 1891 errichtet. Der nahebei stehende, ebenfalls denkmalgeschützte Putzbau[6] ist zweigeschossig und hat ein Zeltdach mit einem hohen Staffelgiebel in der östlichen Ansicht. Nach Norden steht ein Seitenflügel mit Satteldach, vor diesem findet sich eine zweigeschossige Veranda. Die Fassaden werden durch Ziegelsteingliederungen aufgelockert.

Ehrenhain

Kriegerdenkmal bei der Lutherkirche
Kriegerdenkmal bei der Lutherkirche, Figurengruppe

Östlich der Lutherkirche steht auf einem kleinen quadratischen Platz, der seit Mitte der 2000er Jahre Ehrenhain[7] genannt wird (zuvor hieß der Platz Heldenhain), ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.[6] Die am 22. Mai 1927 eingeweihte Figurengruppe, bestehend aus einer Witwe mit zwei Kindern, steht auf einem Postament. Der Bronzeguss wurde von dem Bildhauer Georg Wrba geschaffen, der Gesamtentwurf stammt von dem Architekten Emil Högg. Das Postament aus Sandstein trägt die Inschrift „DIE TRAUERNDE HEIMAT“ sowie „1914–1918“, seitlich stehen zwei Sandsteintafeln mit den Namen der Gefallenen der Alt-Gemeinde Radebeul.

Literatur

  • Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9. 
  • Frank Andert: Neuerscheinungen zum Wirken der Architekten Schilling & Graebner. In: Radebeuler Monatshefte (Hrsg.): Vorschau und Rückblick. Nr. 12, Radebeul 2008, Im Archiv gestöbert − Historisches aus Radebeul, S. 3–5.
  • Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen: Stadt Radebeul. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3. 
  • Ricarda Kube: Schilling und Graebner (1889–1917) – Das Werk einer Dresdner Architektenfirma. Dissertation an der Technischen Universität Dresden.. Dresden 1988 (2 Bände).
  • Heinrich Magirius: Kirchen in Radebeul. 2. Auflage. Schnell und Steiner, Regensburg 2003, ISBN 3-7954-5630-4.

Weblinks

 Commons: Lutherkirche (Radebeul) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Stadt Radebeul (Hrsg.): Stadt Radebeul. [Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen].. SAX-Verlag, Beucha 2007, S. 172–173.
  2. Watch-Wiki: Lutherkirche Radebeul
  3. Frank Andert: Neuerscheinungen zum Wirken der Architekten Schilling & Graebner. In: Radebeuler Monatshefte (Hrsg.): Vorschau und Rückblick. Nr. 12, Radebeul 2008, Im Archiv gestöbert − Historisches aus Radebeul, S. 3–5.
  4. Hans-Dieter Steinmetz: Die Villa »Shatterhand« in Radebeul. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1981. Karl-May-Gesellschaft, abgerufen am 5. Juli 2009.
  5. Nach der Informationstafel neben dem Eingang zur Kirche.
  6. a b c Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 14, abgerufen am 28. Januar 2009 (PDF).
  7. Tag des offenen Denkmals am 9. September 2007
51.103413.6726

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