Laterne (Architektur)

Laterne (Architektur)

Als Laterne (von griechisch lampter für „Leuchter, Fackel“) wird ein runder, quadratischer oder polygonaler turmartiger Aufsatz (offen oder mit Fenstern) auf einem Gebäude oder Gebäudeteil bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Laterne als Kuppelaufsatz

Bei Kuppeln ist die Laterne ein durchbrochener Aufbau über dem Kuppelauge.[1] Ähnlich wie ein Opaion (Beispiel: Rom, Pantheon) dient die Laterne der Belichtung des Kuppelinneren. Das durch eine Laterne einfallende Tageslicht ist gedämpfter als bei einem offenen Opaion, jedoch bietet sie im Unterschied zu diesem auch einen Schutz vor Witterungseinflüssen.

In der antiken Baukunst nicht vorkommend und in der mittelalterlichen romanischen und gotischen Baukunst nur sehr selten anzutreffen (Ausnahmen: Baptisterien von Lenno, Lomello und Florenz; Köln, St. Aposteln; Monreale, Dom; Palermo, Dom; Ely, Kathedrale; St-Michel d'Entraigues; Mailand, Santa Maria delle Grazie), bildet die Laterne bei Kirchen und Repräsentationsbauten der Renaissance und des Barock fast immer den Abschluss einer Kuppel oder eines Vierungsgewölbes und stellt deren wichtigste Tageslichtquelle dar.

Laterne als Turmaufsatz

Auch durchbrochene Aufsätze auf Türmen werden als Laterne bezeichnet, obwohl sie nicht der Belichtung des unterhalb befindlichen Gebäudes dienten. Die gegenüber den Kuppellaternen vergleichsweise großen Turmlaternen hatten in der Antike und im Mittelalter Warnfunktionen (Leuchttürme) oder Wachfunktionen (Kirch-, Rathaus- und Geschlechtertürme). In späterer Zeit funktionslos geworden, fungieren die - nunmehr kleiner gewordenen - Laternen seit der Spätrenaissance (s. u.) und im Barock als reines Architekturdekor.

Münzbilder des Pharos von Alexandria

Leuchttürme

Der Ursprung aller Laternen liegt in den antiken Leuchttürmen (Beispiele: Pharos von Alexandria, Herkulesturm in A Coruña), in deren Laternen allabendlich ein - möglicherweise durch Spiegel verstärktes - Leuchtfeuer angezündet wurde.

Während die Tradition der Errichtung von Leuchttürmen im Mittelmeerraum in islamischer Zeit allmählich verschwand, bestand in sie im Norden Europas nahezu ununterbrochen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fort.

Minarett der Koutoubia-Moschee mit Laterne

Minarette

Lange Zeit vor der Aufnahme von Laternen als Architekturelement in die christlich-europäische Baukunst findet man sie als Aufsatz auf Minaretten, die in ihrer Architektur - vor allem im Norden Afrikas - z. T. ganz bewusst an antike Leuchttürme angelehnt waren.

Bereits einige der frühen Minarette der islamischen Kunst haben laternenartige Turmaufsätze (Beispiele: Kairouan, Samarra); unter den Almohaden erlebten sie eine Blütezeit: Mit einer Laterne als oberem Turmabschluss entstanden im 12. Jahrhundert die Große Moschee von Taza, die Koutoubia-Moschee in Marrakesch und die Giralda, wie das ehemalige Minarett der Kathedrale von Sevilla genannt wird. Ihre faktische oder symbolische Funktion ist jedoch unklar: Unterstand und/oder Schallverstärker für den Muezzin oder ein reines - allerdings in den Himmel weisendes - Architekturelement? Minarette wurden allerdings auch als Wachtürme genutzt - so könnten die Laternen als Unterstand für den oder die Turmwächter gedient haben.

Auch auf reinen - aber dennoch repräsentativen - Zweckbauten der islamischen Welt sind Laternen vereinzelt anzutreffen (Beispiel: Sevilla, Torre del Oro).

Kirchtürme

Cefalù, Dom, Kirchtürme mit Laternen

Endeten die meisten romanischen oder gotischen Kirchtürme Mittel- und Nordeuropas meist in Sattel- oder Spitzdächern oder in - teilweise durchbrochenen - Spitzhelmen, so gibt es doch in Italien einige Ausnahmen, die mit Plattformen und zurückgestuften, laternenartigen Aufsätzen abschließen, denen wohl ebenfalls eine Wachfunktion zukam (Beispiele: Trani, Dom-Campanile; Modena, Dom-Campanile; Salerno, Dom-Campanile; Cefalù, Dom-Fassadentürme). Diese - eher im Süden Italiens und auf Sizilien, d. h. in der Nähe zum Mittelmeer und zum islamischen Kulturbereich anzutreffende - Architekturtradition endet jedoch mit dem Aufblühen der Renaissance.

Klosterresidenz El Escorial, Kirchtürme mit Kuppellaternen

Bauherren und Architekten der Renaissance verzichteten - in bewusster Anlehnung an die Antike - weitestgehend auf Turmbauten aller Art (Ausnahme: Dijon, St. Michel).

Erst seit der Spätrenaissance, im Zeitalter der wieder an mittelalterliche Denk- und Bauweisen anknüpfenden Gegenreformation, werden - zunächst nur vereinzelt - wieder Kirchtürme errichtet und mit Kuppeln oder Hauben abgeschlossen, auf denen kleine Laternen aufsitzen; die Kuppeln bzw. Hauben haben jedoch nunmehr nur noch eine tragende bzw. vermittelnde Funktion und werden im Innern nicht mehr von den - insgesamt funktionslos gewordenen und nur noch dekorativ oder repräsentativ gemeinten - Laternen belichtet. Wahrscheinlich sind es die Türme der von Philipp II. in Auftrag gegebenen Kirche von San Lorenzo de El Escorial (1563 - 1584), die diese neue Bautradition begründen, die sich in der Barockzeit mehr und mehr durchsetzt (Beispiele: Zaragoza, Basílica del Pilar; Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen).

Große barocke Kirchturmlaternen ohne zwischengeschaltete Kuppeln finden sich in London (Beispiele: St Paul's Cathedral; St Mary-le-Strand), später dann auch im - von vielen Bautraditionen weitgehend unberührten - Norden Deutschlands (Beispiele: Dresden, Hofkirche; Hamburg, St. Michaelis).

Siena, Rathausturm mit Laternenaufsatz und Glocke

Rathaustürme

In den Stadtstaaten Oberitaliens - aber auch in anderen Städten Europas - standen die weltlichen Machthaber nicht selten in Konkurrenz zur Geistlichkeit - eine Tatsache, die sich auch in der Architektur widerspiegelt, denn oft genug entstand ein innerstädtischer Wettstreit um den höchsten und schönsten Turm. Auf oder neben den 'Palazzi Comunali' wurden Türme errichtet, von denen viele im Zentrum einer Umgangsplattform auch laternenartige Aufsätze haben (Beispiele: Volterra, Florenz, Siena, Modena, Ferrara). Da die meisten Türme als Wachtürme genutzt wurden, ist es durchaus wahrscheinlich, dass diese Laternen als Unterstände für die Turmwächter dienten, die auch für das Läuten der - auf oder in den Laternen befindlichen - Warnglocken verantwortlich waren.

San Gimignano, Geschlechtertürme

Geschlechtertürme

Auf zweien der 15 noch erhaltenen mittelalterlichen Geschlechtertürme in San Gimignano (Italien) haben sich steinerne laternenartige Aufsätze erhalten. Ob die anderen Türme ohne Laternen errichtet wurden oder ob sie - inzwischen zerstörte - hölzerne Aufsätze trugen, ist eine noch ungeklärte Frage. Jedenfalls dürften diese Turmaufsätze ähnliche Wachfunktionen wie die zeitgleich errichteten Kirchturm- und Rathauslaternen gehabt haben.

Uhrtürme

Auf vielen von den Briten im Heimatland sowie in ihrem (ehemaligen) Kolonialreich errichteten Uhrtürmen (engl. Clock Tower) des 19. und frühen 20. Jahrhunderts finden sich Laternenaufsätze (Beispiele: London, "Big Ben"; Belfast, "Albert Memorial Clock Tower"; Montreal, "Clock Tower"; Mumbai, "Rajabai Tower" u.a.). Auch der "Torre Monumental" genannte Uhrturm in Buenos Aires ist eine britische Schenkung. Mit ihren repräsentativen bzw. hoheitlichen Implikationen unterstreichen die Laternen die herrschaftliche Symbolik der Uhrtürme.

Wolkenkratzer

USA

Auch auf einigen Wolkenkratzern aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren in der Höhe abgestufte Architektur an antike Leuchttürme oder an Minarette angelehnt ist, wurden turmartige Aufsätze errichtet, die als Laternen bezeichnet werden (Beispiele: Singer Building, New York; Wrigley Building, Chicago; Woolworth Building, New York; Metropolitan Life Tower, New York). Mit der zunehmenden Dominanz des sogenannten "Internationalen Stil" in der Hochhaus-Architektur der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben die 'Dächer' der Wolkenkratzer flach und ohne Aufsätze (Beispiele: MetLife Building, New York; John Hancock Center, Chicago; World Trade Center, New York).

Ostblockstaaten

Der sozialistische Klassizismus, d. h. die stalinistisch geprägte Hochhaus-Architektur der Nachkriegszeit (Beispiele: Lomonossow Universität in Moskau; Kulturpalast in Warschau; Kulturpalast in Riga u. a.) knüpft in seiner Formensprache wiederum an US-amerikanische Vorbilder aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Auf der Spitze der Bauten befinden sich durchgängig - repräsentativ gemeinte - Laternenaufsätze (vgl. "Sieben Schwestern (Moskau)").

Moderne Laternenaufsätze

Auch um die Jahrtausendwende wurden Laternen als Gebäudeaufsätze gebaut; einige funktionieren als allabendliches Lichtspiel (Beispiel: Köln, Ärztehaus am Neumarkt). In diesem Zusammenhang sind auch die Scheinwerferspiele auf dem Eiffelturm oder auf Hochhäusern zu erwähnen.

Laterne als Säulenaufsatz

Fenioux, Totenlaterne

Im mittelalterlichen Europa (vor allem in Aquitanien) häufig anzutreffen waren Laternen als Abschluss von - meist auf Friedhöfen befindlichen - freistehenden Säulen oder Pfeilern (Totenleuchten, Totenlaternen). Mit dem Aufkommen der Renaissance endete jedoch diese - eher im Volks- und Aberglauben verhaftete - Tradition.

Neben den bekannten römischen Triumphsäulen (Trajanssäule, Marc-Aurel-Säule) könnte auch die Totenlaterne von Fenioux als architektonisches Vorbild bei der Planung und Errichtung der beiden dominanten freistehenden und mit Reliefs versehehen Triumphsäulen mit Laternenaufsatz der Wiener Karlskirche (1715 - 1737) eine Rolle gespielt haben. Hier erfüllen die Laternen jedoch keinen praktischen Zweck mehr.

Einzelnachweise

  1. Wilfried Koch: Baustilkunde. Gütersloh/München 2009, S. 463.

Siehe auch

Laternenturm

massif barlong

Literatur

  • Hermann Thiersch: Pharos. Antike, Islam und Occident. Ein Beitrag zur Architekturgeschichte. Leipzig und Berlin: Teubner-Verlag, 1909
  • Günter Brucher: Die sakrale Baukunst Italiens im 11. und 12. Jahrhundert. Köln: DuMont 1987. ISBN 3-7701-1815-4
  • Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst des Barock. Architektur, Skulptur, Malerei. Köln: Könemann-Verlag, 1997. ISBN 3-89508-991-5
  • Andres Lepik: Wolkenkratzer. München: Prestel Verlag, 2005. ISBN 3-7913-3454-9

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