Jan-Hendrik Olbertz

Jan-Hendrik Olbertz
Olbertz im Pressegespräch in Wittenberg, 2008

Jan-Hendrik Olbertz (* 2. Oktober 1954 in Berlin) ist ein deutscher Erziehungswissenschaftler und Politiker (parteilos).

Von 2002 bis 2010 war er Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt für die CDU, seit Oktober 2010 ist er Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Vor seinem Pädagogikstudium der Fächer Deutsch und Musik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg von 1974 bis 1978 arbeitete Olbertz ein Jahr als Erzieher in einem Hort. Nach dem Lehrerexamen folgte ein Forschungsstudium der Erziehungswissenschaft, das er 1981 mit der Promotion zum Dr. paed. mit der Arbeit „Über den Zusammenhang von Studienmoral und studentischer Selbsttätigkeit. Eine hochschulpädagogische Untersuchung“ abschloss. Anschließend war er als wissenschaftlicher Assistent und seit 1985 als Oberassistent an der Universität Halle-Wittenberg tätig. 1989 habilitierte er sich mit der Arbeit „Akademisches Ethos und Hochschulpädagogik - eine Studie zu interdisziplinären theoretischen Grundlagen der moralischen Erziehung an der Hochschule“. 1990 erhielt Olbertz eine Gastprofessur an der Universität Bielefeld, 1992 wurde er durch eine Hausberufung zum Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenpädagogik an der Universität Halle-Wittenberg. Von 1992 bis 1996 war er Mitglied des Akademischen Senats, von 1992 bis 2002 Mitglied des Konzils der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, von 1993 bis 2002 Mitglied des Landesschulbeirats Sachsen-Anhalts, von 1994 bis 2002 Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), von 1998 bis 2002 stellvertretender Vorsitzender der DGfE. Von 1996 bis 2000 war er Gründungsdirektor des Instituts für Hochschulforschung (HoF) Wittenberg. Von 2000 bis 2002 war er Direktor der Franckeschen Stiftungen zu Halle.

Seit 1995 ist Olbertz Mitglied der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V. Von 1995 bis 1997 war er Mitglied der Enquete-Kommission „Schule mit Zukunft“ des Landtages von Sachsen-Anhalt, von 1995-2000 Mitglied des Ausschusses „Blaue Liste“ des Wissenschaftsrates. 1999 wurde er als Mitglied in die 11. Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland berufen.

Jan-Hendrik Olbertz ist seit 1975 verheiratet und hat drei Kinder.

Debatte um Olbertz' Dissertation und Habilitation

Von Ilko-Sascha Kowalczuk, ehemaligem Mitglied in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, wurde dem designierten Präsidenten der Humboldt-Universität „eine allzu angepasste Haltung zu Zeiten der DDR“ vorgeworfen.[2] Kowalczuk will festgestellt haben, dass sowohl die Habilitationsschrift als auch die Dissertation „von der ersten bis zur letzten Seite dem Marxismus-Leninismus verpflichtet sei(en)“ und „der Stützung und Stabilisierung der SED-Herrschaft gedient hätten“.[3]. Olbertz sprach von einem „peinlichen“ Text[4] und von „verbale(n) Zugeständnisse(n)“, die er habe machen müssen, um sich bestimmte Freiräume zu sichern.[5]

Der Historiker und Spezialist für DDR-Geschichte Hubertus Knabe, Mitglied im Fachbeirat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, legte in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 31. Mai 2010 der Humboldt-Universität nahe, die Personalentscheidung zu überdenken: „Wenn man für die Erziehung Tausender junger Menschen Verantwortung übernehmen will, kommt es aber auch auf die charakterlichen Fähigkeiten an.“[6] Marianne Birthler unterstrich in einem Zeitungskommentar die Verantwortung des Präsidenten und der Universität für die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der DDR.[7] Richard Schröder warf Olbertz vor, sich in seinen Arbeiten „völlig distanzlos-unkritisch mit dem Leninismus identifiziert“[8] zu haben.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer verteidigte seinen ehemaligen Kultusminister in einem Interview der Zeitschrift Superillu, in dem er unter anderem sagte, „dass man im Bereich der Erziehungswissenschaften zu DDR-Zeiten zumindest verbale Zugeständnisse ans SED-Regime machen musste, ist unbestritten.“.[9] Das Konzil der Humboldt-Universität stellte sich hinter den künftigen Präsidenten.[10] Der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth unterzog die Habilitationsschrift von Olbertz in der FAZ einer genaueren Prüfung und plädierte dafür, statt Systemschelte zu üben, lieber Textanalyse zu betreiben.[11]

Öffentliche Ämter

Nach der Landtagswahl 2002 wurde der parteilose Jan-Hendrik Olbertz am 16. Mai 2002 als Kultusminister in die von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) geführte Landesregierung von Sachsen-Anhalt berufen.

2003 war Jan-Hendrik Olbertz Schirmherr eines Projekts der Pall-Mall-Foundation, einer Stiftung des Tabak-Konzerns British American Tobacco.[12]

Seit 2005 ist er Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

Am 20. April 2010 wurde er als einziger Kandidat vom Konzil der Humboldt-Universität zu Berlin zum Präsidenten gewählt. Er hat dieses Amt von seinem Vorgänger Christoph Markschies am 18. Oktober 2010 übernommen.

Schriften

  • Über den Zusammenhang von Studienmoral und studentischer Selbsttätigkeit. Eine hochschulpädagogische Untersuchung. Halle 1982 (Dissertation)
  • Akademisches Ethos und Hochschulpädagogik. Eine Studie zu interdisziplinären theoretischen Grundlagen der moralischen Erziehung an der Hochschule. Halle 1989 (Habilitation)
  • als Herausgeber: Erziehungswissenschaft. Traditionen - Themen - Perspektiven. Opladen 1997
  • als Herausgeber mit Peer Pasternak: Profilbildung, Standards, Selbststeuerung. Ein Dialog zwischen Hochschulforschung und Reformpraxis. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1999, ISBN 3-89271-879-2.

Siehe auch

Literatur

  • Andreas Stirn: Von Zwängen und Spielräumen in der Diktatur(-Aufarbeitung). Die Debatte um die DDR-Vergangenheit Jan-Hendrik-Olbertz’. In: Deutschland Archiv. 4/2010, S. 581–587.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jan-Hendrik Olbertz zum neuen Präsidenten der HU gewählt. Pressemitteilung der HU Berlin vom 20. April 2010, abgerufen am 20. April 2010.
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. Mai 2010, S. 4; vgl. auch Propaganda und Pädogogik Streit um Jan-Hendrik Olbertz’ Rolle in der DDR. In: Potsdamer Neueste Nachrichten. 28. Mai 2010, abgerufen am 28. Mai 2010, und Verteidigung für den HU-Präsidenten In: Berliner Zeitung. 28. Mai 2010, abgerufen am 30. Mai 2010.
  3. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. Mai 2010. Der vollständige Text von Kowalczuk sowie ein Dossier mit weiterem Material stehen online auf der Webseite der Robert-Havemann-Gesellschaft.
  4. Zweierlei Qualm. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 25. Mai 2010, abgerufen am 30. Mai 2010.
  5. „Ich wollte Freiräume gewinnen“. In: Berliner Zeitung. 26. Mai 2010, abgerufen am 29. Mai 2010; siehe auch Eine vermeintliche Affäre In: Die Zeit. 2. Juni 2010, abgerufen am 16. Juni 2010.
  6. Interview: Historiker über neuen HU-Präsidenten. In: Frankfurter Rundschau. 31. Mai 2010, abgerufen am 31. Mai 2010.
  7. Zu viel Verständnis für Opportunisten. In: Der Tagesspiegel. 31. Mai 2010, abgerufen am 16. Juni 2010
  8. Der suboptimale Präsident der Humboldt-Uni. In: Die Welt. 8. Juni 2010, eingesehen am 22. Juni 2010.
  9. „Beim Sparen darf es keine Tabus geben“. In: Superillu. 1. Juni 2010, abgerufen am 14. Juni 2010.
  10. HU verteidigt ihren neuen Präsidenten. In: Berliner Zeitung. 2. Juni 2010, abgerufen am 16. Juni 2010.
  11. Heinz-Elmar Tenorth: Statt Systemschelte ist Textanalyse gefragt. auf: Volksstimme.de, 9. August 2010.
  12. Eine vergessene Schirmherrschaft brachte dem Kultusminister Ärger mit Rauchgegnern ein – Nichtraucher Olbertz als Tabakwerber? Abgerufen am 7. Januar 2010.

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