Marianne Birthler

Marianne Birthler
Marianne Birthler (2009)
Birthler spricht bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989

Marianne Birthler geb. Radtke (* 22. Januar 1948 in Berlin) ist eine deutsche Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) und war von 2000 bis März 2011 die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Marianne Birthler wurde in Berlin-Friedrichshain geboren. Nach absolviertem Abitur – trotz Austritts aus der FDJ[1] – und Facharbeiterbrief 1966 in Berlin schloss sie 1972 ihr Außenhandelswirtschaftler-Fernstudium ab und arbeitete danach im DDR-Außenhandel. 1976 richtete Marianne Birthler ihre Tätigkeit gänzlich neu aus und begann eine fünfjährige Fernausbildung zur Katechetin und Gemeindehelferin in der Evangelischen Kirche. Sie wurde Jugendreferentin im Stadtjugendpfarramt von Berlin und machte vor allem in der Initiative Frieden und Menschenrechte keinen Hehl aus ihrer oppositionellen Haltung gegenüber dem Staat DDR. 1986 war sie eines der Gründungsmitglieder des Arbeitskreises „Solidarische Kirche“, der die Demokratisierung von Kirche und Gesellschaft in der DDR in den Mittelpunkt seiner Bemühungen stellte. Bei der Alexanderplatz-Demonstration am 4. November 1989 sprach Birthler für die Initiative Frieden und Menschenrechte. In der letzten DDR-Volkskammer war Marianne Birthler von März bis Oktober 1990 Sprecherin von Bündnis 90 und gehörte vom 3. Oktober bis zu den ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember dem Deutschen Bundestag an.

Im Oktober 1990 wurde Marianne Birthler für Bündnis 90 in den Brandenburger Landtag gewählt. Im November übernahm sie in der Landesregierung unter Manfred Stolpe das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. Im Sommer 1992 legten sie und Umweltminister Matthias Platzeck ihre Landtagsmandate nieder. Beide begründeten diesen Schritt mit der notwendigen Arbeitsfähigkeit der sechsköpfigen Fraktion – wo sie zwei Nachrückern Platz machten, aber ihr fraktionsinternes Stimmrecht behielten – und mit der gebotenen Trennung zwischen Legislative und der Exekutive. Schließlich trat sie am 29. Oktober 1992 protestierend von ihrem Ministeramt zurück, nachdem die Stasi-Verstrickungen von Manfred Stolpe bekannt wurden. Kurz darauf war ihre Bewerbung für das Amt einer Sprecherin des neuen Bündnis 90/Die Grünen erfolgreich. Im Jahr 1993 wurde sie Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Im Oktober 1995 bekam Marianne Birthler als Auszeichnung das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

2009 war sie für die Grünen Mitglied der 13. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten. Im Vorfeld der Wahl war sie mit der auch von den Grünen unterstützten SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan wegen Schwans umstrittener Äußerung, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, aneinandergeraten. Auch 2010 war sie Mitglied der 14. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten. 2011 wurde sie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet.

Marianne Birthler ist geschieden. Sie war bis 1983 mit dem Tierarzt und späteren Minister der Brandenburger Landesregierung und späteren Landtagsabgeordneten Wolfgang Birthler verheiratet und hat drei Töchter.

Stasi-Unterlagen-Beauftragte

Im September 2000 wurde Marianne Birthler als Nachfolgerin Joachim Gaucks Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Am 27. Januar 2006 wurde sie vom Bundestag mit der großen Mehrheit von 486 Abgeordneten bei 60 Gegenstimmen und 17 Enthaltungen in diesem Amt bestätigt.

Die Amtszeit endete im März 2011. Birthler wünschte sich Roland Jahn als Nachfolger, der am 28. Januar 2011 vom Bundestag als ihr Nachfolger gewählt wurde. Jahn wurde 1983 gegen seinen Willen aus der DDR ausgebürgert.[2] Am 25. März 2011 wurde Birthler für ihren Einsatz bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie ihr ehrenamtliches Engagement durch den Bundespräsidenten Christian Wulff das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.[3]

Kritik nach Aussagen zur Bundestagswahl 2005

Im Zuge der Bundestagswahl 2005 behauptete Marianne Birthler, dass in der Linksfraktion im Bundestag nach Aktenlage mindestens sieben der neu einziehenden Abgeordneten in der DDR für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hätten. Nach Kritik korrigierte sie sich dahingehend, die Zahl habe sich lediglich auf die Inoffiziellen Mitarbeiter „unter den aussichtsreichen Kandidaten“ der Partei bezogen. Von diesen seien aber nicht alle gewählt worden. Nach diesen Äußerungen wurden aus der Linkspartei Forderungen nach Birthlers Rücktritt laut. Eine freiwillige Untersuchung über die Anzahl ehemaliger IM solle Licht in diese Sache bringen.

Diskussion um den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze

Für eine kontroverse Diskussion sorgte eine am 11. August 2007 verbreitete Erklärung von Marianne Birthler, wonach in der Magdeburger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde ein „sensationeller“ Fund in Form eines „uneingeschränkten Schießbefehls“ für eine Spezialeinheit der Grenztruppen gemacht worden sei. Tatsächlich war das siebenseitige Dokument aber bereits 1997 in einem Dokumentenband zur DDR-Geschichte auszugsweise erschienen. Öffentlich bekannt gemacht wurde das Papier bereits 1993.

Siehe auch: Schießbefehl für Spezialeinheit

Nebentätigkeiten

Marianne Birthler gehört zum Unterstützerkreis und ist Mitglied im Beirat der Lobbyistengruppe „Berlinpolis“.[4] Marianne Birthler ist Mitglied im Kuratorium der Stiftung Mitarbeit [5]

Weblinks

 Commons: Marianne Birthler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikinews Wikinews: Marianne Birthler – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. http://www.jugendopposition.de/index.php?id=1814
  2. tagesspiegel.de vom 9. November 2010
  3. Bundesverdienstkreuz für Marianne Birthler bstu.bund.de
  4. berlinpolis.de
  5. Stiftung Mitarbeit: Kuratorium, abgerufen am 24. Juli 2011.

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