Karolina Lanckorońska

Karolina Lanckorońska
Büste in der Polska Akademia Umiejętności in Krakau
Karolina mit Vater und der dreijährigen Schwester Adelajda (ca. 1906)
Vater und Mutter. Gemälde von Jacek Malczewski (1905)
Mutter. Gemälde von Heinrich von Angeli (vor 1925)
Das Elternhaus in Wien wurde 1894 erbaut: Palais und Museum der Grafen Lanckoronski (birgt große Kunstschätze) (1896)
Der italienische Saal im Palais Lanckoronski (1895)

Karolina Lanckorońska (* 11. August 1898 in Buchberg am Kamp, Niederösterreich; † 25. August 2002 in Rom)[1] war eine polnische Kunsthistorikerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Karolina Maria Adelajda Franciszka Ksawera Małgorzata Edina Gräfin Lanckorońska“ war das zweite Kind des polnischen Magnaten im k.u.k. Österreich-Ungarn Karl Graf von Brzezie-Lanckoronski und der preußischen Gräfin Margarethe von Lichnowsky. Sie hatte eine jüngere Schwester Adelheid (1903-1980), ihr Bruder Anton (1883-1965) stammte aus erster Ehe. Der Bruder ihrer Mutter Karl Max Fürst von Lichnowsky war zwischen 1912 und 1914 deutscher Botschafter in London.

Lanckorońska wuchs in Wien im Palais Lanckoroński auf und besuchte das Schottengymnasium. Mit Gründung der Polnischen Republik wurde sie 1918 polnische Staatsbürgerin. Sie wurde zu einer nationalbewußten Polin Sienkiewiczscher Prägung, die auch in der vierzig Jahre später geschriebenen und achtzig Jahre später veröffentlichten Autobiografie keine Abstriche von ihrer Distanzierung zu den ukrainischen, russischen und deutschen Nachbarstaaten und -völkern machte. Diese, einschließlich der Deutschen der Habsburger Monarchie, und die Litauer hatten schon in den Jahrhunderten zuvor mit Polen Kämpfe, die sich nun in weiteren Kriegen der 1920er Jahre fortsetzten[2], da keine Partei von ihren nationalistischen Zielen abrücken konnte. Die Herausbildung einer polnischen Identität, die an den inneren sozialen Gegensätzen zu scheitern drohte, wurde auf Konflikte nach außen verlagert. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt wurde Polen 1939 erneut geteilt, Ostgalizien wurde erneut ukrainisch und blieb dies seit 1945 auf Dauer.

Sie studierte von 1917 bis 1921 in Wien Kunstgeschichte und promovierte 1926 über Michelangelo Buonarroti. An der Johann Kasimir Universität (Uniwersytet Jana Kazimierza) im zu Polen gehörenden Lemberg (Lwów) habilitierte sie sich 1935 mit Dekoracja malarska kościoła Il Gesu w Rzymie und war damit Polens erste habilitierte Kunsthistorikerin. Sie erhielt eine Stelle als Assistenzprofessorin an der Universität Lemberg. Ihr wissenschaftliches Interesse für die italienische Kunst der Renaissance und des Barock korrelierte mit einer engen religiösen Bindung an die römisch-katholische Kirche. Die Familie Lanckoroński hatte ihren Stammsitz auf einer Latifundie in Galizien, die seit Kriegsende 1918 der Bruder Anton bewirtschaftete.

Nach dem Überfall auf Polen konfiszierten die Deutschen in Wien am 17. Oktober 1939 das Palais und die darin enthaltene Sammlung. Da Anton Lanckoroński polnischer Staatsbürger war, beriefen sich die Deutschen auf die zu diesem Zweck erlassene Polenvermögensverordnung[3].

Verfolgungen

Nach der sowjetischen Besetzung Lembergs durch die Rote Armee am 19. September 1939 konnte Lanckorońska sich nur noch kurze Zeit an der nun ukrainisch gewordenen Universität halten. Um der Deportation durch den NKVD zu entgehen, ging sie mit gefälschten Papieren am 3. Mai bei Przemysl über die Grenze ins Generalgouvernement. Sie hatte sich bereits im Januar in Lemberg der polnischen Untergrundarmee „Związek Walki Zbrojnej“ (ZWZ) angeschlossen und traf nun in Krakau auf den Vertreter der Polnische Heimatarmee (Armia Krajowa – AK) Tadeusz Komorowski. Zunächst war sie in der Rotkreuz-Organisation bei der polnischen Kriegsgefangenenfürsorge in Krakau tätig. Mit einer Vollmacht der Regierung des Generalgouvernements ausgestattet wurde sie Beauftragte des Hauptfürsorgerats (RGO)[4] für eine bessere Versorgung der Gefängnisinsassen. In dieser Funktion gelangte sie Anfang 1942 ins nun von den Deutschen eroberte ostgalizische Stanisławów. Der dortige Gestapo-Chef Hans Krüger[5] ließ sie einsperren - und brüstete sich während eines Verhörs, er sei für die Ermordung ihrer 23 Lemberger Universitätskollegen im Sommer 1941 verantwortlich. Durch Intervention aus Kreisen der italienischen Königsfamilie und der Mussolini-Regierung entging Lanckorońska der drohenden Ermordung durch die SS und kam ins Gefängnis nach Lemberg. Ende 1942 zur weiteren Vernehmung nach Berlin verlegt glaubte sie in einem SS-internen Disziplinarverfahren als Zeugin gegen Krüger aussagen zu können, stattdessen kam sie als prominenter Häftling für die nächsten zwei Jahre in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Wieder durch diplomatische Intervention, diesmal durch Carl Jacob Burckhardt, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), kam sie noch im April 1945 mit einem Rotkreuz-Transport in die Schweiz aus der Konzentrationslagerhaft frei.

NS-Prozesse

Da nach ihrer Kenntnis nicht der nach Argentinien entkommene SS-Untersturmführer Dr. Walter Kutschmann[6] für die Ermordung der Lemberger Professoren verantwortlich war, versuchte sie in dem Prozess gegen Hans Krüger[7] 1968 gehört zu werden und reiste nach Deutschland. Krüger wurde wegen anderer Morde zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt, in der Gerichtsverhandlung hatte J. G. Burg einen unrühmlichen Auftritt[8]. Die Morde an den Professoren ließen sich nach Ansicht der deutschen Staatsanwaltschaft nicht mehr aufklären, so der Beschluss 1965 der Staatsanwaltschaft Hamburg: der Leitende Oberstaatsanwalt von Below erklärte, er habe “das Verfahren abgestellt” denn die “für die Erschießung der Lemberger Professoren verantwortlichen deutschen Täter sind, wie mit Sicherheit feststeht, nicht am Leben”[9].

Polnische Emigration

Für fünfundvierzig Jahre war sie eine nationalpolnische Emigrantin und lebte zunächst in Freiburg in der Schweiz und dann in Rom. Durch die kommunistische Machtergreifung in Polen war ihr als Aristokratin und ehemaliger Großgrundbesitzerin die Rückkehr verwehrt, als polnische Exilantin merkte sie an: „Wie glücklich war doch das Polen des 19. Jahrhunderts, in dessen Namen keiner das Recht hatte, die Unwahrheit zu sagen, und dessen Exilierte für die gesamte zivilisierte Welt ein Symbol des Kampfes um die Freiheit des Menschen waren!“[10] Sie konnte wissenschaftlich arbeiten und publizieren. 1967 gründete sie die Fondation Lanckoronski[11][12] mit Sitz in Freiburg im Üechtland. Sie war Mitbegründerin des Polnischen-Historischen Instituts in Rom und dessen Direktorin von 1976 bis 1993. Nach dem Tod ihres Bruders Anton im Jahr 1965 hat sie die Kunstsammlung ihres Vaters übernommen: Von dieser wurde ein Teil im Jahr 1950 bei einem Brandunglück im Palast Hohenems der befreundeten Familie Waldburg-Zeil zerstört,[13] andere Teile wurden von ihrem Bruder veräußert und weitere ließen sich erst nach mühsamen Restitutionsprozessen mit dem österreichischen Staat wieder in die Sammlung eingliedern. Nach der politischen Wende in Polen vermachte Karolina Lanckorońska die Kunstsammlung der Gemäldegalerie im Warschauer Königsschloss und den großen polnischen Bibliotheken. 82 Werke der Lanckorońska-Sammlung gingen an die Kunstsammlung im Wawel[14] in Krakau, darunter Bartolo di Fredi, Heiliger Augustin, Simone Martini, Engel, Sano di Pietro, Madonna sowie von Dosso Dossi, Jupiter, Merkur und Virtus. Letzteres Bild war nach dem Krieg von Anton Lanckorońska an das Kunsthistorische Museum „zwangsverschenkt“ worden und wurde im Jahr 2000 restituiert.[15]

Als Nationalpolin empfand sie „die tiefste Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer für meine Zughörigkeit zu einem Volk, das in diesem verzweifelten Kampf […] alle hohen Güter der Menschheit verteidigte“.[16]

Ehrungen

Für ihre Tätigkeit wurde sie vom Italienischen Staat, den Organisationen der Exilpolen und nach der Wende in Polen vom Polnischen Staat vielfach geehrt. Die Universität Breslau verlieh ihr einen Doktor h.c.

Werke

  • Mut ist angeboren. Erinnerungen an den Krieg 1939 - 1945. Böhlau-Verlag. Wien 2003. ISBN 3-205-77086-2, zuerst pl 2001
  • die englische Ausgabe hat ein Vorwort von Norman Davies, Einleitung von Lech Kalinowski und Elžbieta Orman.
  • Studies on the Roman-Slavonic rite in Poland. Roma, Pont. Institutum Orientalium Studiorum, 1961. Orientalia Christiana analecta, 161
  • Documenta ex Archivo Regiomontano ad Poloniam spectantia., Romae, Institutum Historicum Polonicum, 1973-<1991>, Elementa ad fontium editiones, v. 30, etc. (Latein)
  • Dekoracja kościoła "Il Gesù" na tle rozwoju baroku w Rzymie.(Die Ausschmückung der „Il Gesù“-Kirche angesichts der Entwicklung des Barocks in Rom), Lwów, Nakł. Towarzystwa Naukowego we Lwowie, 1935. (pl)

Verweise

Literatur

Rezensionen:

Weblinks

 Commons: Karolina Lanckorońska – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Lanckoroński-Sammlung im Wawel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Genealogische Daten bei
  2. Polnisch-Litauischer Krieg, Polnisch-Sowjetischer Krieg, Polnisch-Tschechoslowakischer Grenzkrieg, Polnisch-Ukrainischer Krieg, sowie in den Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Reich um die im Versailler Vertrag zugesprochenen Gebiete und Rechte
  3. Verordnung über die Behandlung von Vermögen der Angehörigen des ehemaligen polnischen Staates (PolVermVO) vom 17. September 1940 (RGBl. I, S. 1270); Peter Harclerode: Lost Masters: World War II and the Looting of Europe's Treasureholds. Welcome Rain Publishers, New York 2002, ISBN 978-1-56649-253-9
  4. RGO, Zentraler Wohlfahrtsrat (poln. „Rada Główna Opiekuńcza“), eine polnische karitative Organisation während des Ersten und Zweiten Weltkrieges
  5. zu Hans Krüger (Gestapo) siehe auch pl:Hans Krüger (oficer Gestapo)
  6. Walter Kutschmann, geboren am 24. Mai 1914 in Dresden DER SPIEGEL 28/1975
  7. yadvashemDieter Pohl über Krüger (engl.); deutsch in: Gerhard Paul (Historiker) & Klaus-Michael Mallmann Hgg.: Karrieren der Gewalt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus, Darmstadt, zuletzt 2011, S. 134- 145
  8. LG Münster 680506, BGH 720713. Verfahrensgegenstand: Massen-, Gruppen- und Einzelerschiessungen von tausenden von Juden sowie von polnischen und ukrainischen Häftlingen und Widerstandskämpfern in Stanislau und anderen Orten im Bereich der Sipo-Aussenstelle Stanislau im Rahmen mehrerer Aktionen (u.a. während der 'Intelligenz-Aktion' im August 1941), sowie von jüdischen Männern, Frauen und Kindern, die nach Ungarn geflüchtet, von den dortigen Behörden jedoch nach Galizien zurückgeschickt worden waren. Massendeportationen von Juden aus Stanislau und Umgebung in die polnischen Vernichtungslager. Auch: jur justiz und ns-verbrechen / nazi crimes on trial
  9. Gericht Hamburg Beschluß (Aktenzeichen 141 Js 12/65) zitiert bei: Eingabe an Bundespräsident Rau 20. Mai 2002. Siehe auch Zygmunt Albert's Polish book "Kazn Profesorow Lwowskich", 2002
  10. Karolina Lanckorońska, Mut ist angeboren, S. 271.
  11. Eintrag der Fondation Lanckoronski im Handelsregister des Kantons Freiburg
  12. Siehe auch en:Lanckoroński Foundation in der englischsprachigen Wikipedia.
  13. Burghart Häfele: Die Kunstsammlung Lanckoronski im Palast Hohenems. In: emser almanach no. 14. 7. Jahrgang. Bucher-Druck Hohenems 2006, 54-70. (=Schriftenreihe des Kulturkreises Hohenems, Beiträge zu Hohenemser Themen). ISBN 3-902525-46-0. (Volltext auf sagen.at. Abgerufen am 15.Oktober 2011.)
  14. Agnieszka Janczyk, Kazimierz Kuczman, Joanna Winiewicz-Wolska: Wawel-Sammlung
  15. Schriftliche Beantwortung einer Parlamentsanfrage, 5184/AB (XX. GP) (gem. § 91 (4) GOG).
  16. Karolina Lanckorońska: Mut ist angeboren, S. 180

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