Warschauer Königsschloss

Warschauer Königsschloss
Das königliche Schloss von Warschau
Ballsaal
Ansicht von Warschau mit dem Schloss in der Mitte (Canaletto, um 1770)
Die Reste des Schlosses 1945 nach der Zerstörung Warschaus durch die Nazis
Polnischer Thron

Das Warschauer Königsschloss (polnisch Zamek Królewski w Warszawie) war bis zum 18. Jahrhundert der Sitz der polnischen Könige. Nach der vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch die deutschen Streitkräfte[1][2] wurde es in den 1970ern und 1980er Jahren als patriotische Anstrengung mit Spendengeldern wiederaufgebaut. 1980 wurde das Schloss als Teil der Warschauer Altstadt ins UNESCO Weltkulturerbe eingetragen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Wurzeln des in der Altstadt im Bezirk Śródmieście am Schlossplatz gelegenen Gebäudes gehen auf ein befestigtes Holzgebäude mit einem Wehrturm der Herzöge von Masowien aus dem 13./14. Jahrhundert zurück, wobei der Schlosshügel bereits seit über 8.000 Jahren dauerhaft bewohnt wird. Zwei größere Gebäude im gotischen Stil (Dwór Wielki, Dwór Mniejszy) entstanden im 15. Jahrhundert. Von diesen Bauteilen konnten sich gotische Mauern am Südflügel des Innenhofs erhalten, die beim Wiederaufbau rekonstruiert wurden. Um 1400 wurden die Schlossgärten zwischen Schloss und Weichsel geschaffen und im 16. Jahrhundert im Renaissancestil angelegt.

Nachdem Warschau in der Lubliner Union zur ständigen Tagungsstätte des Sejm bestimmt worden war, entstand in den Jahren 1570/1571 ein neues königliches Hauptgebäude im Renaissancestil nach Entwürfen von Giovanni Battista di Quadro. König Sigismund III. verlegte im Jahre 1596 die Hauptstadt Polen-Litauens von Krakau nach Warschau und ließ zwischen 1598 und 1619 ein neues fünfeckiges Schloss errichten, das von den Architekten Matteo Castelli (auch: Castello) und Giacomo Rodondo im Stil des Barock ausgeführt wurde. Sigismunds Sohn Władysław IV. Wasa ließ an der Gartenseite eine Loggia-Galerie und den nach ihm benannten Władysławowska-Turm im Innenhof errichten. Dieser wurde 1637–1643 nach dem Entwurf von Constantino Tencalla angebaut.

Im 18. Jahrhunderts wurde das Königsschloss mehrfach umgebaut. Unter dem Wettiner, König August III. wurde 1737–1746 zur Weichselseite ein Rokokoflügel errichtet, der über die barocken Schlossgärten ragte. Der Entwurf stammte von Gaetano Chiaveri. Besondere Verdienste um das Schloss hat sich König Stanislaus II. August erworben. Er ließ 1765–1771 das Schloss um den Südflügel von Jakob Fontana ausbauen. Damals wurde im Schloss auch eine Malerwerkstatt eingerichtet, die von Bacciarelli geführt wurde. Er selbst fertigte für das kostbare Marmorkabinett Herrscherporträts an. Die Innenräume des Schlosses entstammen den klassizistischen Entwürfen von Domenico Merlini und Jan Chrystian Kamsetzer, es finden sich aber auch Elemente des Rokoko. Zu besonderen Kostbarkeiten dieser Zeit gehören der Ballsaal, der von Joachim Daniel von Jauch ausgebaute Senatorensaal mit dem königlichen Thron sowie eine klassizistische Statue des Chronos von Le Brun im Rittersaal, in dem sich auch sechs Historiengemälde von Marcello Bacciarelli befinden, der Marmorsaal mit den Porträts der polnischen Könige von Marcello Bacciarelli, die von Stanislaus II. August gestiftet wurden. Später wurden noch die Innenräume der königlichen Bibliothek 1814 von Wilhelm Heinrich Minter neukonzipiert, die heute die einzigen Originalräume der Schlossanlage sind.

Am 3. Mai 1791 wurde in den Sälen des Sejm und Senat die erste europäische demokratische Verfassung verabschiedet. In diesen Sälen hängen Historiengemälde von Jan Matejko, insbesondere das Gemälde "Verabschiedung der Verfassung vom 3. Mai". Mit den Teilungen Polens verlor das Schloss 1795 endgültig all seine Funktionen als Sitz des Königs, des Sejms und des Senates.

Nach der Niederschlagung des Novemberaufstandes 1831 plünderten russische Truppen das Gebäude und brachten die wertvollsten Kunstschätze nach Sankt Petersburg. Ein Teil davon wurde Polen nach dem Frieden von Riga 1921 zurückgegeben. Seit 1918 war das Schloss der Sitz des polnischen Präsidenten. Im obersten Saal wohnte in der Zwischenkriegszeit neben dem Präsidenten Gabriel Narutowicz der Anwärter für den Literaturnobelpreis Stefan Zeromski. Die Restaurierungsarbeiten endeten durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Zerstörung und Wiederaufbau

Schon im September 1939 zerstörte die deutsche Luftwaffe das Schloss durch Bombenangriffe weitgehend. Danach wurden die Kunstschätze unter der Aufsicht von Dagobert Frey geplündert. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes 1944 wurde es wie große Teile der polnischen Hauptstadt auf Befehl Heinrich Himmlers planmäßig gesprengt.

Unter dem kommunistischen Parteichef Edward Gierek fiel 1971 die Entscheidung zum Wiederaufbau auf der Basis freiwilliger Spenden, der 17 Jahre dauerte. Vorlage für die Rekonstruktion des Schlosses, wie der gesamten Altstadt, waren die berühmten Veduten Canalettos, die nur das Krakowskie Przedmieście illustrieren und für den Wiederaufbau dieses Teiles der historischen Innenstadt herangezogen wurden. Zwanzig dieser Gemälde befinden sich in dem Canalettosaal.

Das Schloss wurde 1980 gemeinsam mit der ebenfalls wiederaufgebauten Warschauer Altstadt ins UNESCO Weltkulturerbe eingetragen.

Räume

Gelehrter an seinem Schreibtisch von Rembrandt, Teil der Lanckoroński-Sammlung in der Gemäldegalerie vom Schloss

In der Schlosskapelle befindet sich zur Erinnerung an das wechselvolle Schicksal des Landes eine Kapsel mit dem Herzen des Freiheitskämpfers Tadeusz Kościuszko. In einem der obersten Säle befindet sich das Zimmer der polnischen Exilregierung.

Gemäldegalerie

Heute befindet sich im Schloss eine umfangreiche Gemäldegalerie. Große Teile davon gehen auf eine Schenkung der Widerstandskämpferin Gräfin Karolina Lanckorońska zurück, die das Erbe ihres Vaters der polnischen Nation vermachte. Ein weiterer Teil der Lanckoroński-Sammlung befindet sich im Schloss Wawel in Krakau.

Literatur

  • M. M. Drozdowski, A. Zahorski: Historia Warszawy. PWN, Warschau, 1975
  • Aleksander Król: Zamek Królewski w Warszawie. Od końca XIII wieku do roku 1944. PIW, Warschau, 1971
  • Bohdan Guerquin: Zamki w Polsce. Wydawnictwo Arkady, Warschau, 1974
  • Andrzej Rottermund: Zamek Królewski w Warszawie. Wydawnictwo Naukowe PWN, Warschau, 2002, ISBN 83-221-0746-3
  • Agnieszka Sypek, Robert Sypek: Zamki i warownie ziemi mazowieckiej. Warschau: Wydawnictwo Trio, 2002, S. 26-36. ISBN 83-88542-34-6.

Weblinks

 Commons: Warschauer Königsschloss – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Peter K. Gessner: Warsaw's Royal Castle and its destruction during the Second World War. info-poland.buffalo.edu. Abgerufen am 23. Juli 2008.
  2. Wehrmachtsverbrechen kontra Mythos "sauberer" Feldzug - ORF ON Science. Abgerufen am 28 Mai 2011.
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