Windisch (Slowenisch)

Windisch (Slowenisch)

Windisch ist die historische deutsche Bezeichnung für die slowenische Sprache. Sie war im Deutschen bis ins 19. Jahrhundert die ausschließliche Bezeichnung und ist seitdem durch den Ausdruck Slowenisch abgelöst worden. Bis heute dient sie regional als volkstümliche Bezeichnung für das Slowenische, insbesondere wie es in Österreich gesprochen wird. Aus politischen Gründen wird von manchen die Ansicht vertreten, dass das Windische in der heutigen Republik Österreich als eigenständige Sprache bzw. als slowenisch-deutsche Mischsprache anzusehen sei. Dies wird von der Sprachwissenschaft jedoch nahezu einhellig abgelehnt. Auch die Bezeichnung „Windisch“ als „slowenischer Dialekt“ ist nicht haltbar. Das Windische darf nicht mit dem Wendischen/Sorbischen im ostdeutschen Raum beziehungsweise in der Germania Slavica verwechselt werden. Ebenso unterscheiden sich die Volksbezeichnungen „Wenden“ (ostdeutscher Raum) und „Windische“ (Slowenen). Beide Volks- und Sprachbezeichnungen gehen jedoch auf die gleiche Wortwurzel zurück.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Das Wort windisch ist das Adjektiv zum Nomen Wenden (durch i-Umlaut wie ‚richtig‘ zu ‚Recht‘), das sich von dem Namen Venetae ableitet, einem Namen im Lateinischen sowohl für ein keltisches Volk der Zeit Julius Caesars, die Veneter nördlich der Loiremündung, als auch für das entweder als italisch oder als illyrisch einzuordnende Volk der Veneter an der nördlichen Adria.

Mit dem Erscheinen der Slawen wurde das Wort von frühmittelalterlichen Autoren auf die ihnen unbekannten Stämme übertragen – ähnlich wie Welsche, was zunächst den keltischen Stamm der Volcae bezeichnete, in Britannien auf andere Kelten (Welsh) und auf dem Festland auf die Romanen übertragen wurde.

Wenden/windisch findet sich auch in diesem Sinne mehrfach:

  • Die Veneter an der mittleren Weichsel, ein um 350 von den Ostgoten unterworfenes Volk, das von antiken Schriftstellern als Venedae bezeichnet wurde und sich bei Jordanes findet.
  • Speziell bezeichnet der Name Wenden oder Winden dann diejenigen Westslawen, die vom 7. Jahrhundert an große Teile Nord- und Ostdeutschlands (Germania Slavica) besiedelten (und besondere Hunde -„Windhunde“ - züchteten). Heute werden diese Wenden meist als Elbslawen bezeichnet.
  • Wenden war dann eine bis ins 20. Jahrhundert übliche Alternativbezeichnung für die gesamte sorbisch sprechende Bevölkerung in der Lausitz. Der Name wird noch heute gelegentlich von den Niedersorben als deutschsprachige Eigenbezeichnung genutzt.
  • Daneben findet sich auch ein Stamm, der zeitgenössisch ab etwa 550 Veneti oder Vineti genannt wird, bei den Südslawen in der auch als Alpenslawen bezeichneten Gruppe, die sich sprachlich vermutlich erst nach dem Ende der Völkerwanderung von den anderen slawischen Sprachen abhoben – auf diese Menschen wurde wohl von den Bajuwaren die Bezeichnung Windische übertragen; sie selbst nannten sich Karantanen. Es sind dies die Vorfahren der heutigen Slowenen, eine Bezeichnung, die etwa seit dem 16. Jahrhundert existiert, ins Deutsche aber erst weit später Eingang gefunden hat.

Die Alpenslawen

Von der Theorie, der Alpenraum sei in der Völkerwanderungszeit ein entvölkertes, leeres Ödland gewesen, ist man heute abgerückt. Sowohl zeitgenössische Belege und soziokulturelle Erkenntnisse etwa durch die Ortsnamenforschung, als auch archäologische Befunde zeigen, dass im Ostalpenraum nicht nur eine Kontinuität der Besiedelung, sondern auch ein weitgehend friedliches Zusammenleben der verschiedenen Volksstämme nach dem Ende der Antike und dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches anzunehmen ist. Zu den wohl durchwegs romanisierten Alpenkelten, im besonderen den Norikern, den Stämmen des Norischen Reiches, und den Rätern, möglicherweise auch zu Resten vorkeltischer illyrischer Gruppen und den Nachkommen der römischen Grenztruppen, die selbst ein buntes Gemisch von Söldnern aus allen Gegenden des Imperium Romanum waren, sowie zu den zurückgebliebenen Sippen der Langobarden, Rugiern, Ostgoten und anderer wandernder Germanen gesellen sich ab dem 6. Jahrhundert zugewanderte slawische Völker. Dabei sind sowohl als südslawisch einzuordnende Gruppen anzunehmen, die ab etwa 560 aus dem Balkanraum und aus Unterpannonien nordwestwärts ziehen, als auch westslawische Gruppen aus Oberpannonien und dem Gebiet der Mährer, die ab etwa 550 westwärts in den Donauraum gelangen. „Landnahme“ kann hier nicht im Sinne einer Neubesiedelung verstanden werden und wohl auch nicht als eine Verdrängung der Vorkulturen: Die jeweils neu zuwandernden Gruppen dürften jeweils eine Oberschicht über die ortsansässige Bevölkerung gebildet haben mit gegenseitiger kultureller und wohl auch genealogischer Beeinflussung und zunehmender Vermischung.

Das zentralasiatische Reitervolk der Awaren bedrängt im späteren 6. Jahrhundert die slawischen Völker und dringt bis in das Östliche Alpenvorland vor. 582 erobern sie Sirmium (heute Sremska Mitrovica) an der Save, und die Slawen, die sich nicht unterwerfen, ziehen sich in das alpine Binnennorikum zurück. Nach einer schweren Niederlage der Awaren gegen Ostrom entsteht 623 bis 658 das Reich des Samo, ein gemeinsames Gebilde der mährischen und pannonischen Slawenstämme, das seinen Gründer jedoch nicht überlebt.

Als die Bajuwaren im Laufe des 6. und 7. Jahrhunderts von Norden in den Alpenraum vordringen, verläuft die Nordwestgrenze des slawischen Siedelungsraumes vom Hochpustertal entlang der Hohen Tauern mit einem Vorstoß in das Gasteinertal, die Mandling und das Ennstal entlang in das Salzkammergut und weiter die Traun abwärts bis zum Haselgraben im Mühlviertel nördlich der Donau. Ob dieser Siedlungsraum auch politisch eine Einheit bildete, ist nicht nachweisbar; südlich des Alpenhauptkammes jedoch liegt das slawische Fürstentum Karantanien, mit dem Zentrum in Karnburg (Krnski grad) auf dem Zollfeld (Raum Klagenfurt), dessen Bevölkerung sich Karantanen nennt und in zeitgenössischen lateinischen Quellen Veneti, Vinedi, Venedae und ähnlich benannt wird.

Während der Kontakt zu den keltischen Stämmen wie den Rätern, Breonen und Tauriskern und den Romanen im Raum Salzburg, in Südtirol und Vorarlberg (deren Restsiedlungen sich unter anderem an den ‚Walchen‘-Orten festmachen lassen) weitgehend friedlich verlief, dürfte die Begegnung der Germanen mit den Slawen weniger freundlich verlaufen sein. Neben dem Ausdruck Windische findet sich auch der Begriff Sclavi, Sclavorum, wovon sich nicht nur ‚Slawen‘, sondern auch Sklaven ableitet.

„Windisch“ als historischer Begriff der Neuzeit

Als in Tübingen im 16. Jahrhundert von Primož Trubar das erste slowenische Druckwerk der Geschichte erschien, trug es den deutschen Titel Catechismus in der windischen Sprach. Das Adjektiv slowenisch wurde erst im 19. Jahrhundert ins Deutsche übernommen.

Noch im 16. Jahrhundert rühmten die Kärntner Landstände, Kärnten sei ein „windisches Erzherzogtum“, begabt mit besonderen Freiheiten und Vorrechten gegenüber allen anderen Fürstentümern des Reiches,[1] und mit seiner Herzogseinsetzung, die „einen stark windischen Akzent“ behielt,[2] ein zum Unterschied von den anderen Erbländern „windisches Land“ mit alter autonomer Fürstenwahl, worauf Rudolf IV. im Privilegium maius auch seinen Anspruch auf die der Kurfürstenwürde ebenbürtige Würde eines Erzjägermeisters gründete.[3]

Einer der Begründer der wissenschaftlichen Slawistik, Jernej Kopitar (1780-1844 ), schreibt 1816:

Noch zur Zeit der Reformation, ehe Ferdinand I. einen Theil Slavoniens Croatien taufte, hießen diese Slaven bey den deutschen Nachbarn mit einem gemeinschaftlichen Nahmen die Windischen, die obern und die untern Windischen; ein Nahme, der jetzt nur noch den kärnthnischen und steyrischen, und allenfalls, in der Form Vandalen, den westungrischen Slaven geblieben ist. [...] die deutsche Benennung Windisch ist eben auch allgemein, und das deutsche Synonymon für Slave...[4]

„Windisch“ als politischer Begriff

Die Frage des Verhältnisses des Windischen zum Slowenischen ist manchmal Gegenstand von Polemik.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fand im gemischtsprachigen Gebiet Kärntens eine Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit des Gebiets zu Österreich oder zum SHS-Staat statt.[5] Laut Volkszählung von 1910 verwendete die Mehrheit der Bevölkerung des Abstimmungsgebietes Slowenisch als Umgangssprache, die Abstimmung ging jedoch zu Gunsten Österreichs aus.

Das für Slowenien enttäuschende, für Österreich erfreuliche Ergebnis führte bei Nationalisten auf beiden Seiten zur „Windischentheorie“, die behauptete, dass es in Kärnten neben „Deutschen“ und „Slowenen“ noch eine dritte Gruppe gebe: die „Nemčurji“ bzw. „Windischen“, von denen behauptet wurde, dass sie sich von den Slowenen zwar nicht in ethnischer Hinsicht, wohl aber durch ihre nach Norden orientierte („deutschfreundliche“) Gesinnung unterschieden.

Die Mehrheit der slowenischsprachigen Kärntner bezeichnet sich heute als „Kärntner Slowenen“. Sie verstehen den Begriff „Windische“ pejorativ und als Versuch, die slowenische Bevölkerungsgruppe zu spalten und zu schwächen. Eine kleinere Gruppe bezeichnet sich als „Windisch“ und trägt diese Bezeichnung mit Selbstbewusstsein, wobei „schwebendes Volkstum“[6] etwa bei gemischter Herkunft wohl eine Rolle spielt. In der Volkszählung 2001 nannten 14.010 Kärntner Slowenisch als Umgangssprache und 556 Windisch.[7]

Linguistische Aspekte

Nach übereinstimmender Ansicht von Sprachwissenschaftlern gibt es keine so genannte „windische Sprache“, zumal die Kärntner slowenische Dialektgruppe drei Dialekte umfasst (gail-, rosen- und jauntalerisch einschließlich der Dialektalbereiche der Ossiacher Tauern (Osojske Ture), des Klagenfurter Feldes (Celovško polje) und des Völkernmarkter Hügellandes (Velikovško hribovje) wie eher historisch des Feldkirchner-Moosburger Hügellandes (Trško-blatograško gričevje)). In strukturlinguistischer Hinsicht stellen diese Dialekte lediglich eine - wenn auch besonders ursprüngliche - Varietät der slowenischen Sprache dar, wobei um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert von (deutsch)österreichischen Nationalisten die Unterschiede zwischen der slowenischen Schriftsprache und den slowenischen Dialekten in Kärnten übertrieben dargestellt wurden.[8]

Die Unterscheidung zwischen „Windisch“ und „Slowenisch“ ist eher soziolinguistisch bzw. als politische Willensäußerung der Sprecher zu sehen.

Verwendung des Begriffs „Windisch“ in topographischen Bezeichnungen

Windische Mark ist die historische Bezeichnung zur Zeit der Donaumonarchie für eine Gegend in der Unterkrain (heute Slowenien). Kaiser Franz Joseph I. war offiziell „Herr von Triest, von Cattaro und auf der Windischen Mark“.

Windische Bühel ist die deutsche Bezeichnung für einen heute zum größten Teil in Slowenien liegenden Hügelzug in der ehemaligen Untersteiermark (slowenisch: Slovenske Gorice).

Windische Höhe (Vrše), eine Passhöhe westlich von Villach.

Das Wort windisch lässt auf eine ehemalige oder andauernde Besiedlung durch Slawen schließen und kommt in einigen Ortsnamen vor. Verwendet wurde es vor allem in Gebieten, wo es in der näheren oder weiteren Umgebung auch eine deutschsprachige Bevölkerung gab. Manchmal gibt es auch gleichnamige Orte, davon eines mit der Zusatzbezeichnung "windisch" und das andere mit einem vorangesetzten "deutsch", wie zum Beispiel Windisch-Freistritz und Deutschfeistritz oder Windisch-Landsberg und Deutschlandsberg oder Windisch-Griffen und Deutsch-Griffen. Einige Beispiele für Ortsnamen mit dem Wort "windisch":

Siehe auch

Andere soziolinguistisch begründete Bezeichnungen für Sprachen:

Einzelnachweise

  1. Institut für Österreichkunde (Hrsg.): Österreich in Geschichte und Literatur, Jahrgang 6 (1962), S. 267.
  2. Hans-Dietrich Kahl: Der Staat der Karantanen. Fakten, Thesen und Fragen zu einer frühen slawischen Machtbildung im Ostalpenraum (7.–9. Jh.) - Država Karantancev: dejstva, teze in vprašanja o zgodnji slovanski državni tvorbi v vzhodnoalpskem prostoru (7.–9. stol.) (= Situla; 39, Suppl. = Razprave / Slovenska akademija znanosti in umetnosti, Razred za zgodovinske in družbene vede; 20). Ljubljana 2002 S. 407 (ISBN 961-6242-49-0, ISBN 961-6169-23-8).
  3. Matthias Werner: Spätmittelalterliches Landesbewußtsein in Deutschland (= Vorträge und Forschungen / Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte 61). Thorbecke, Ostfildern 2005, S. 194 (ISBN 3-7995-6861-1) und Claudia Fräss-Ehrfeld: Geschichte Kärntens. Band 2: Die ständische Epoche. Heyn, Klagenfurt 1994, S. 295 ff.
  4. Jernej Koptar, Die Slaven im Thale Resia, in: Erneuerte vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat 9/31 (1816) S. 176-180, S. 177f. Resianka, Universität Padua (HTML)
  5. Vgl. dazu ausführlich Heinz Pohl: Die ethnisch-sprachlichen Voraussetzungen der Volksabstimmung. Vortrag bei der Tagung Die Kärntner Volksabstimmung 1920 und die Geschichtsforschung: Leistungen, Defizite, Perspektiven am 6. und 7. Oktober 2000.
  6. Theodor Veiter: Das Recht der Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich. Mit einer ethnosoziologischen Grundlegung und einem Anhang (Materialien). Braumüller, Wien 1970, S. 83, 292
  7. ftp://www.statistik.at/pub/neuerscheinungen/vz01knt_web.pdf Volkszählung 2001, Hauptergebnisse I – Kärnten, Tabelle 14
  8. Katherine Hunter: The Slovene-Speaking Minority of Carinthia: The Struggle for Ethnolinguistic Identity in the Gail Valley. Master Thesis an der Universität von Alberta, Edmonton 2000, S. 52.

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