Jaguare Vasconcellos

Jaguare Vasconcellos

Jaguare de Besveconne Vasconcellos (* 14. Mai 1905 in Rio de Janeiro; † zwischen 1940 und 1945), auch Bezerra de Vasconcellos[1] oder Vasconcelos[2], war ein brasilianischer Fußballspieler.

Inhaltsverzeichnis

Vereinskarriere

Vasconcellos war Ende der 1930er Jahre Torhüter bei Olympique Marseille. Bevor der brasilianische Mulatte 1936 in die Provence kam, hatte er in seiner Heimat für Vasco da Gama und ab 1931 in Portugal (u. a. bei Sporting Lissabon) und Spanien (FC Barcelona) gespielt. Während seiner Saison in Barcelona fand er nur als dritter Torwart hinter Noguès und Iborra Berücksichtigung, wo er lediglich in 16 Freundschaftsspielen eingesetzt wurde;[3] als im Juli 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, verließ er die Iberische Halbinsel.[4] In Marseille löste er Laurent Di Lorto ab, der zu Saisonbeginn zum großen Konkurrenten FC Sochaux gewechselt war; diese beiden Klubs dominierten seinerzeit die französische Profiliga.

Während der drei Jahre, die er unter Trainer József Eisenhoffer bei Olympique spielte, stand der groß gewachsene Vasconcellos in einer Elf mit zahlreichen Ausnahmekönnern aus drei Kontinenten, darunter Aznar, Ben Barek, Ben Bouali, Kohut, Weiskopf und Zatelli.[5] Er selbst bekam schnell den Spitznamen „El Jaguar“ – nicht nur wegen seines Vornamens, der möglicherweise nicht einmal sein richtiger war, sondern auch wegen seiner geschmeidigen Bewegungen, der großen Sprungkraft[6] und Strafraumbeherrschung; zu spektakulären Paraden „für die Galerie“ neigte er hingegen nicht.[7] Dafür stockte Anhängern und Mitspielern gelegentlich der Atem, wenn „der Jaguar“ frühzeitig erkannte, dass ein Schuss sein Tor haarscharf verfehlen würde: oft sprang er dann gar nicht erst in die bedrohte Ecke, sondern lief auf seine Abwehrleute zu, um sie gestenreich zu engerer Deckung aufzufordern, oder er drehte sich ostentativ vom Ball weg, hob den Arm und rief „No!“. Gegnerische Stürmer provozierte er gerne lautstark, doch endlich zu schießen („Shoota shoota, vagabundo!“).[8] Zu Beginn seiner Zeit bei OM schickte er sich bei Auswärtsfahrten selbst Blumen ins Mannschaftshotel – laut den beiliegenden Karten angeblicher Bewundererinnen an „El Jaguar, den großen internationalen Star“. Auch pflegte er vor Spielbeginn die eigenen Anhänger zu begrüßen, indem er seine Kappe zog und sich in raumgreifender Geste vor diesen verneigte.[9]

Am Ende der Saison 1936/37 wurde er mit Marseille auf Anhieb französischer Meister.[10] In der folgenden Spielzeit erzielte er sogar einen Treffer in der Division 1, als er in der Auswärtspartie beim FC Sète einen Strafstoß zum 1:1-Endstand verwandelte, der Olympique einen Punkt rettete. Weil der vorgesehene Schütze Aznar leicht angeschlagen war, stolzierte Vasconcellos über das Spielfeld, korrigierte nicht einmal die Lage des Balles, lächelte sein Gegenüber, Nationaltorwart Llense, breit an, zeigte auf die linke Torecke – und schoss genau dorthin. Mehr noch: in dieser Partie erhielt Sète selbst zwei Elfmeter zugesprochen; beim ersten irritierte er den gegnerischen Schützen mit den Worten „Unmöglich, gegen den großen Vasconcellos zu treffen!“, woraufhin der über das Tor zielte, beim zweiten fixierte er den Spieler Sètes – diesmal ein anderer – grinsend, blieb bewegungslos stehen und hielt dessen Schuss.[11] Sètes Stürmer müssen in der folgenden Nacht Alpträume über einen Jaguar bekommen haben – denn sie trafen zudem viermal nur die Stangen des Marseiller Gehäuses[12] Am Saisonende 1937/38 belegte Olympique zwar nur den zweiten Tabellenrang hinter Sochaux, gewann nach einem 2:1-Finalsieg über den FC Metz aber den Landespokal.[13] Auch 1938/39 brachte es Vasconcellos mit seiner Mannschaft zum Vizemeistertitel, diesmal hinter Sète.

Nach dieser Saison verließ er angesichts des heraufziehenden Krieges Europa – mit einer Zwischenstation in Porto, wobei Dauer und Verein unbekannt sind.[14] In Brasilien noch bei einem Verein aus Santo Anastácio (SP) aktiv, starb er zwischen 1940 und 1945 unter nicht näher bekannten Umständen; während Marseilles brasilianischer Trainer Otto Glória in den 1960ern berichtete, Vasconcellos sei im Zusammenhang mit einem Bandenkrieg ermordet worden, gab es auch Zeitzeugen, die von Tuberkulose als Todesursache sprachen.[15]

Stationen

  • Club de Regatas Vasco da Gama Rio de Janeiro (1928–1931)
  • Vasco da Gama Lissabon (1931–1934)
  • Sporting Clube de Portugal Lissabon (1934/35)
  • FC Barcelona (1935/36)
  • Olympique de Marseille (1936–1939)
  • Santo Anastácio (1939/40)

Palmarès

  • Französischer Meister: 1937 (und Vizemeister 1938, 1939)
  • Französischer Pokalsieger: 1938
  • 62 Spiele und 1 Tor in der Division 1[5]

Literatur

  • Hubert Beaudet: Le Championnat et ses champions. 70 ans de Football en France. Alan Sutton, Saint-Cyr-sur-Loire 2002, ISBN 2-84253-762-9
  • L'Équipe/Gérard Ejnès: Coupe de France. La folle épopée. L'Équipe, Issy-les-Moulineaux 2007, ISBN 978-2-915535-62-4
  • Alain Pécheral: La grande histoire de l'OM. Des origines à nos jours. Éd. Prolongations, o.O. 2007, ISBN 978-2-916400-07-5

Anmerkungen

  1. http://www.om-passion.com/effectif_saison_1936_402_vasconcellos.html
  2. L'Équipe/Ejnès, S. 354
  3. Gunnar Persson: Stjärnor på Flykt. Historien om Hakoah Wien. Stockholm 2004; hier nach der deutschen Übersetzung Die Stars auf der Flucht. Die Geschichte der Hakoah Wien. als PDF aus dem Hakoah-Vereinsarchiv, S. 100
  4. Pécheral, S. 57
  5. a b Pécheral, S. 385/386
  6. Nach einem Bericht des österreichischen Sport-Telegraph vom 17. Oktober 1937 über „Wasconcellos [sic!], Tormann von Olympique Marseille“, hatte er auch Hochsprung betrieben und es darin auf eine Bestleistung von 1,81 m gebracht – für die damalige Zeit eine respektable Leistung.
  7. Beaudet, S. 21; Pécheral, S. 58 und 462f.
  8. Pécheral, S. 58
  9. Jean Cornu: Les grandes équipes françaises de football. Famot, Genève 1978, S. 48f.
  10. Ein Foto der 1937er Meistermannschaft findet sich bei Pierre Delaunay/Jacques de Ryswick/Jean Cornu: 100 ans de football en France. Atlas, Paris 1982, 2. Auflage 1983, ISBN 2-7312-0108-8, S. 146.
  11. Pécheral, S. 58/59
  12. Beaudet, S. 23/24
  13. Ein Foto der 1938er Pokalgewinner findet sich bei L'Équipe/Ejnès, S. 354.
  14. Pierre Lanfranchi/Matthew Taylor: Moving with the Ball: The Migration of Professional Footballers. Berg, Oxford/New York 2001, ISBN 978-1-85973-307-3, S. 88, hier auszugsweise online
  15. Pécheral, S. 60/61 und 463

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