Helmut Matthies

Helmut Matthies
Helmut Matthies (Februar 2011)

Helmut Matthies (* 7. Mai 1950 in Dungelbeck bei Peine) ist ein deutscher evangelikaler[1] Journalist.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Allgemein

Matthies wurde am 7. Mai 1950 in Peine geboren.[2] Er studierte ab 1974 Theologie in Berlin, Hamburg und Heidelberg sowie als Gasthörer an der katholischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt (Main).[3] In seiner Hamburger Zeit engagierte er sich besonders in der Studentenmission in Deutschland (SMD)[4] und besuchte unter anderem Lehrveranstaltungen von Helmut Thielicke. Gerhard Löwenthal half ihm, gegen den Widerstand des Hausherrn, der Evangelischen Studentengemeinde, ein Kreuz in einer Kapelle zu installieren.[4]

1978 hospitierte Matthies bei der Deutschen Presse-Agentur (DPA).[3] Im selben Jahr übernahm er die Leitung der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, die aus evangelikaler Perspektive über Ereignisse und Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft informiert, und ist Chefredakteur der von idea herausgegebenen Wochenzeitschrift ideaSpektrum.[5] Er wurde 1982 zum Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ordiniert[2] und für den Dienst bei idea beurlaubt.[3]

Matthies gehört ehrenamtlich dem Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz an.[6] Er ist stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger e. V. (VEB).[7] In den 1970er Jahren wurde er Mitglied der rechtskonservativen Evangelischen Notgemeinschaft,[8] zeitweise gehörte er ihrem Vorstand an. Im Vorfeld der Wahl des Bundespräsidenten im Jahr 2010 sprach er sich öffentlich für die Wahl des Kandidaten der SPD und Grünen, Joachim Gauck, aus.[9]

Matthies ist seit 1983 verheiratet, Vater eines Sohnes und lebt in Siegen.

Rotbuch Kirche

1976 gab Matthies, zu diesem Zeitpunkt noch Student, zusammen mit Jens Motschmann das Rotbuch Kirche heraus, welches insgesamt drei von Matthies verfasste Aufsätze enthält. Unter dem Titel Von evangelischen zu marxistischen Studentengemeinden vertrat Matthies die These, dass seit den 1960er Jahren innerhalb der evangelischen Kirche der Einfluss des „theologischen Neomarxismus“ immer stärker geworden sei. Im Aufsatz Kirchliche Presse auf Linkskurs warf Matthies dem Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt, dem Evangelischen Pressedienst, den Evangelischen Kommentaren und den Lutherischen Monatsheften gleiches vor, und empfahl idea als „Alternative zum evangelischen Pressedienst“.[10]

Schließlich verteidigte Matthies unter der Überschrift Die Kirche redet – Süd- und Südwestafrika im Zerrspiegel der Evangelischen Akademien das südafrikanische Apartheidsregime gegen protestantische Kritik aus Deutschland: „Obwohl die Meinungen unter Theologen und Laien sehr unterschiedlich sind, und sogar dank des Tourismus immer mehr Menschen Süd- und Südwestafrika kennenlernen und zu der Ansicht gelangen, daß dieser Vielvölkerstaat durchaus auf dem Wege der ‚getrennten Entwicklung‘ zu einer friedlichen, gerechten und christlichen Lösung der Probleme kommen kann, haben sich in Deutschland die offizielle Kirche und ihre Institutionen längst auf die Seite der radikalen Gegner des Landes geschlagen.“[11] Von den sieben Autoren des Rotbuchs gehörten fünf der Evangelischen Notgemeinschaft an.[12]

Sowohl das Buch als auch der Aufsatz löste Kritik aus. In der Zeit sprach Eberhard Stammler von „törichten Thesen“ und „Fehlurteilen“ jungkonservativer Theologen.[13] Auch der Journalist und Theologe Hans Hafenbrack kritisierte das Buch, weil Matthies dort mit persönlichen Diffamierungen gearbeitet hätte, um das Bild einer kommunistischen Unterwanderung der Kirche zu zeichnen.[14] Volker Dettmar schreibt: „Tenor dieser Publikation [des Rotbuchs] ist die Unterstellung, die evangelische Kirche in Deutschland sei kommunistisch unterwandert und betreibe ‚Volksfrontpolitik‘. Die Autoren sehen sich inmitten eines Glaubenskampfes, ‚demgegenüber der Kirchenkampf des Dritten Reiches ein Vorhutgefecht war‘“.[15]

Auszeichnungen

Allgemein

Im Jahr 1997 erhielt Matthies den Stiftungspreis der Stiftung „Ja zum Leben“.[16]

Matthies erhielt die Ehrendoktorwürde der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH Basel).[17] (In Deutschland darf der Titel nicht als Namensbestandteil geführt werden, da die Hochschule dort nicht anerkannt ist.)

2007 nahm Matthies als Chefredakteur für idea den Walter-Künneth-Preis entgegen.[18]

2009 erhielt Matthies den Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis für Publizisten.[19]

Kontroverse um Gerhard-Löwenthal-Preis

Für die Annahme des Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreises wurde Matthies von Christhard Wagner, Bildungsreferent der mitteldeutschen Kirche (EKM) kritisiert. Er sprach am 28. Dezember 2009 davon, idea würde „auf dem Grat zum Rechtsextremismus balancieren“.[20] Der Leiter des Publizistikreferats der EKD, Oberkirchenrat Udo Hahn, erklärte gegenüber der KNA, er hätte Matthies von der Annahme des Preises abgeraten, wenn er gefragt worden wäre.[21]

Gerhard Löwenthals Witwe, die Tochter von Ernst Lemmer, zeigte sich in einem Interview mit der Jungen Freiheit verletzt durch diese Aussagen und bezeichnete es als infam, Löwenthal, einen Juden der die Judenverfolgung des Nazi-Regimes erlebt hatte, mit Rechtsextremismus in Verbindung bringen zu wollen.[22] Matthies erwiderte in einem idea-Kommentar, er habe den Preis angenommen, weil er sich „sonst gegenüber einem Juden geschämt hätte, der wie kaum ein anderer Journalist im Westen für Verfolgte und Entrechtete im kommunistischen Bereich eingetreten ist“.[4]

In der Laudatio erwähnte der ebenfalls zur ehemaligen Evangelischen Notgemeinschaft zählende Rolf Sauerzapf, dass Matthies auch schon früher von Seiten der Evangelischen Kirche als „rechtsradikal“ bezeichnet wurde, so beispielsweise wegen eines idea-Leitartikels vom 4. Oktober 1989 mit dem Titel Wiedervereinigung – was sonst?, der sogar „friedensgefährdend“ genannt wurde.[23]

Matthies bezeichnete es als „Verleumdung“, „manipulativ“ und „einseitig“, dass die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland sowie die Kirchenpresse beim Bericht über diesen Vorfall nicht erwähnten, dass vor ihm schon ohne solche Kritik Kirchenrat Rolf Sauerzapf, Peter Scholl-Latour, Wolf Jobst Siedler und Elisabeth Noelle-Neumann den Preis angenommen hatten. Der Preis würde von der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung in Kooperation mit der Jungen Freiheit verliehen. Die Förderstiftung habe Verbindungen zur Jungen Freiheit genauso wie zur Fazit-Stiftung der FAZ über den Stiftungsrat.[4]

Am 21. Januar 2010 fand eine Begegnung zwischen Matthies und Wagner im Beisein von idea-Vorsitzenden Horst Marquardt und Bischöfin Ilse Junkermann statt. Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung bestand nach dem Gespräch weiterhin eine „unterschiedliche Einschätzung“ über die Annahme des Löwenthal-Ehrenpreises und „die damit verbundene Außenwirkung“. Die EKM stellte klar, dass auch Wagners vorherige Äußerung nicht dazu gedacht war, die Position von idea und Helmut Matthies mit Rechtsextremismus gleichzusetzen.[24]

Schriften

  • Hrsg., Die Medien-Herausforderung. Christen und die Publizistik. Brunnen-Verlag, Giessen/Basel 1994, ISBN 3-7655-5724-2.
  • Hrsg. Wie wird man Christ, Herr Bischof? Brendow, Moers 1988, ISBN 3-87067-331-1.
  • mit W. Thielmann, Heinz-Georg Binder: Gespräche über Gott und die Welt. Coprint Druck- und Verlagsges, Wiesbaden 1980, ISBN 3-922819-01-X.
  • Hrsg., Zwischen Anpassung und Widerstand. Interviews mit Bischöfen und Kommentare zur Situation der evangelischen Kirchen in der DDR. Coprint, Wiesbaden 1980, ISBN 3-922819-00-1.
  • mit Jens Motschmann: Rotbuch Kirche. 5. Auflage. Seewald Verlag, Ludger 1976, ASIN B001CQO9IA.
  • Literatur von und über Helmut Matthies im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Einzelnachweise

  1. Helmut Matthies: Rückblick auf eine ungewöhnliche Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende: „Wir sind doch evangelisch“. Webseite von idea. Abgerufen am 19. Juli 2010.
  2. a b Pur-Magazin 02/1997, S. 31
  3. a b c Chrischona-Magazin 02/2004, S. 4
  4. a b c d Die Geschichte einer Verleumdung. 7. Januar 2010, archiviert vom Original am 8. Juli 2010, abgerufen am 8. Juli 2010.
  5. Impressum Idea. Idea.de. Abgerufen am 25. Juni 2010.
  6. Die evangelische Allianz stellt sich vor: Hauptvorstand. Ead.de. Abgerufen am 25. Juni 2010.
  7. www.veb-medien.de
  8. Volker Dettmar: Interesse und Information. Vergleich der Presseagenturen „Evangelischer Pressedienst“ und „Informationsdienst der Evangelischen Allianz“. Peter Lang, Frankfurt am Main 1994 (zugl. Diss. Frankfurt a. Main), hier: Abschnitt über die Evangelische Notgemeinschaft, S. 78–83. Dettmar spricht von „extrem rechtskonservativ“.
  9. ideaSpektrum 23/2010 S. 19
  10. Helmut Matthies: Kirchliche Presse auf Linkskurs. In: Jens Motschmann, Helmut Matthies (Hrsg.): Rotbuch Kirche. Stuttgart 1976, S. 95–115.
  11. Helmut Matthies: Die Kirche redet – Süd und Südwestafrika im Zerrspiegel der Evangelischen Akademien. In: Motschmann/Matthies, S. 207.
  12. Motschmann/Matthies, S. 232.
  13. Eberhard Stammler: Kirche am Pranger. Törichte Thesen jungkonservativer Theologen. In: Die Zeit, Nr. 22/1977.
  14. Hans Hafenbrack: Geschichte des Evangelischen Pressedienstes. Evangelische Pressearbeit von 1848 bis 1981. Luther-Verlag 2004, S. 586. Siehe auch Olaf Schwencke: Protestantisches Prinzip. 30 Jahre Loccumer Kulturpolitische Kolloquien (PDF) Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 88, I/2000, S. 8–9. Schwencke bietet in Abschnitt 5 ein konkretes Beispiel.
  15. Volker Dettmar: Interesse und Information. Vergleich der Presseagenturen „Evangelischer Pressedienst“ und „Informationsdienst der Evangelischen Allianz“. Peter Lang, Frankfurt am Main 1994 (= zugl. Diss. Frankfurt a. M.), Seite 93.
  16. Stiftungspreis. Stiftung Ja zum Leben, archiviert vom Original am 25. Juni 2010, abgerufen am 25. Juni 2010.
  17. STH Basel. Sthbasel.ch. Abgerufen am 5. Juli 2010.
  18. Andreas SPÄTH: Walter-Künneth-Preis 2007. Ksbb-bayern.de. Abgerufen am 5. Juli 2010.
  19. Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF). Fkbf.de. Abgerufen am 25. Juni 2010.
  20. EKM - Archiv Pressestelle Magdeburg - Bildungsdezernent der EKM kritisiert Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea für Annahme eines Preises der „Jungen Freiheit“. Ekmd.de (28. Dezember 2009). Abgerufen am 25. Juni 2010.
  21. www.kna.de - Meldung vom 30. Dezember 2009 ohne Titel, 13:05 Uhr, zitiert nach Helmut Matthies bei kath.net.
  22. Von Christian Vollradt: Interview mit Ingeborg Löwenthal. Jungefreiheit.de. Abgerufen am 25. Juni 2010.
  23. Auszug aus der Laudatio. Jf-archiv.de. Abgerufen am 25. Juni 2010.
  24. Klärende Begegnung zwischen der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, archiviert vom Original am 25. Juni 2010, abgerufen am 25. Juni 2010.

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