Christussäule (Hildesheim)

Christussäule (Hildesheim)
Die Christussäule im Hildesheimer Dom (seit 1893)
Die Christussäule auf dem Großen Domhof (1810-1893)
Empfang der Christussäule in St. Michael, 30. September 2009

Die Christussäule, auch Bernwardssäule, im Hildesheimer Dom ist eines der Kunstwerke aus der Zeit Bischof Bernwards (993-1022), deren herausragende Bedeutung ihr zusammen mit der ebenfalls im Dom befindlichen Bernwardstür und der Bilderdecke in St. Michael die Einstufung als Weltkulturerbe eingetragen hat.

Inhaltsverzeichnis

Ursprüngliche Aufstellung und Geschichte

Die Christussäule war für St. Michael geschaffen worden, die Gründung und Grablege Bernwards. Dort stand am Beginn des Ostchors der Kreuzaltar. Hinter dem Kreuzaltar erhob sich die Bronzesäule mit dem Triumphkreuz. Der Standort unter dem Triumphbogen, den Gallistl[1] aus den schriftlichen Quellen erschloss, wurde 2006 durch Grabung bestätigt[2]. Vor dem Kreuzaltar wiederum stand eine kupferbeschlagene Marmorsäule, deren Stein aus dem östlichen Mittelmeerbereich stammt und die späteren Quellen zufolge ein Geschenk Ottos III. an Bernward war. Damit war eine Gleichsetzung des Kreuzaltars mit dem Opfertisch im Vorhof des salomonischen Tempels hergestellt, der ebenfalls zwischen zwei Säulen (den Bronzesäulen Jachin und Boas) gestanden hatte[3]. Über der Christussäule hing bis 1662 ein großer Radleuchter mit dem Porphyrkrug in der Mitte, der, von der Hochzeit zu Kana stammend, ebenfalls ein Geschenk Ottos III. an Bernward gewesen sein soll. Diese Verbindung von Säulenkreuz, Altar und Jerusalemleuchter hatte ihr Vorbild im Golgota, den man mit dem Vorhof des Tempels gleichsetzte. Auch hat der Abstand von ca. 42 m zwischen dem einstigen Standort der Christussäule und der Grablege Bernwards in der Westkrypta von St. Michael eine Analogie in der Entfernung, die laut Pilgerberichten in der Grabeskirche zwischen Auferstehungsrotunde und Golgota lag.[4]

Während der Reformationswirren in Hildesheim wurde die Christussäule von Bilderstürmern 1544 ihres bekrönenden Kreuzes beraubt. Es wurde zu einer Kanone eingeschmolzen, was für eine beträchtliche Größe spricht. Nach Abriss des Ostchors der Michaeliskirche im Jahr 1650 und dem dadurch verursachten Einsturz der Ostvierung wurde 1676 auch das "etliche 100 Pfund schwere" Kapitell eingeschmolzen und durch ein Holzkapitell ersetzt, das durch gleiche Form und Aussehen über den Verlust hinwegtäuschen sollte. Ein Stich von Johann Ludwig Brandes (1730) überliefert, dass es mit Figuren versehen war. Da figürliche Kapitelle dieser Art im niedersächsischen Raum sonst erst im 12. Jh. auftauchen, ist die Möglichkeit erwogen worden, dass das eingeschmolzenen Kapitell nicht mehr das ursprüngliche bernwardinische gewesen, sondern dass letzteres während der Umbauten der Klosterkirche in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erneuert worden war [5]. Dass der Rest der Säule in der Folge nicht - trotz seines Werts als Rohstoffquelle - eingeschmolzen wurde, verdankt sie vor allem ihrer jahrhundertelangen Geltung als Berührungsreliquie, da man sie vom hl. Bernward persönlich angefertigt glaubte. Nach Säkularisierung des katholischen Klosters (1803) und Aufhebung der evangelischen Kirchengemeinde von St. Michael (1810) wurde in napoleonischer Zeit die Säule 1810 durch die private Initiative eines bischöflichen Beamten aufgekauft und wurde auf dem nördlichen Domhof zwischen Dom und Bischofshaus aufgestellt. 1870 erhielt sie durch den Hildesheimer Bildhauer Karl Küsthardt ein neues Bronzekapitell, das dem Holzkapitell oder dessen Abbildung nachgestaltet ist und dadurch mittelbar das Aussehen des alten Bronzekapitells bewahrt, das auf einem Kämpferblock den Bronzekruzifixus gehalten hatte. 1893 gelangte die Christussäule in den Hildesheimer Dom.

Am 30. September 2009 ist sie für die Dauer der Domsanierung, voraussichtlich bis Dezember 2013, zurück in die Michaeliskirche gebracht worden.

Gestalt und Aussage

Es handelt sich um eine Triumphsäule, die Bernward in bewusster Nachahmung der Trajans- und der Mark-Aurel-Säule in Rom aus Bronze gießen ließ. Sind dort die Ruhmestaten der Kaiser in spiralförmig sich aufwärts windenden Bilderfriesen dargestellt, so sind es hier die Taten Christi, beginnend mit der Jordantaufe und endend mit dem Einzug in Jerusalem. Gekrönt wurde die Säule ursprünglich von einem Triumphkreuz.

Die Christussäule (Höhe 3,79 m, Durchmesser 58 cm) beeindruckt, abgesehen von der technischen Leistung, durch die für ihre Zeit ganz ungewöhnliche Lebendigkeit und Bewegtheit ihrer halbplastisch herausgearbeiteten Figuren.

Thematisch ergänzt sie die Darstellungen der Bernwardstür, wo auf die Geburtsgeschichte Jesu sogleich Passion und Auferstehung folgen.

Beide Kunstwerke wie Bernwards Kunst- und Architekturschaffen insgesamt spiegeln sein Bemühen wider, seiner Bischofsstadt im Rahmen des von den Sachsenkaisern erneuerten christlichen Imperium Romanum die Stellung eines nordischen Rom zu geben und zugleich den Herrschern in Christus das Vorbild eines gerechten und gottverbundenen Königtums vor Augen zu stellen. Nicht zufällig wird auf der Christussäule das Drama um die Hinrichtung Johannes des Täufers mit dem schwachen und ungerechten König Herodes in auffallender Breite dargestellt.

Liturgische Bedeutung

Ein wesentlicher Hinweis auf die liturgische Bedeutung der Christussäule ist ihre ursprüngliche Anbringung auf der zentralen Mittelachse der St.-Michaels-Kirche in der Nähe des Kreuzaltares, weil dort die Kommunion ausgeteilt und das Sakrament aufbewahrt wurde. Innerhalb des Bildzyklus fällt eine Heraushebung der Evangelien zu den Fastensonntagen auf, die historisch mit der Reform von Gorze und Cluny [15] in Verbindung stehen dürfte. Dem entsprechen die Bezüge zur Fasten- und Bußliturgie, die auch im Bildprogramm der Bernwardstür gefunden wurden[16].

Abguss

Seit 1874 befindet sich in der Abgusssammlung des Victoria and Albert Museums in London ein Gipsabguss der Säule.

Literatur

  • Michael Brandt, Arne Eggebrecht (Hrsg.): Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen, Katalog der Ausstellung 1993. Band II, Bernward, Hildesheim 1993, ISBN 3-87065-736-7
  • Michael Brandt: "Bernwards Säule - Schätze aus dem Dom zu Hildesheim", Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7954-2046-8
  • Bernhard Bruns: Die Bernwardsäule, Lebensbaum und Siegessäule. Hildesheim 1995
  • Bernhard Gallistl: Der Dom zu Hildesheim und sein Weltkulturerbe, Bernwardstür und Christussäule. Hildesheim 2000 ISBN 3-89366-500-5
  • Bernhard Gallistl: Die Bernwardsäule und die Michaeliskirche zu Hildesheim. Mit Fotos von Johannes Scholz, Veröffentlichungen des Landschaftsverbandes Hildesheim e.V. Verlag Georg Olms. Hildesheim 1993. ISBN 3-487-09755-9
  • Roswitha Hespe: Die Bernwardsäule zu Hildesheim. Diss masch. Bonn 1949
  • Joanna Olchawa: Zur Bernwardsäule in Hildesheim. MA-Arbeit. Institut für Kunstgeschichte. FU Berlin. 2008

Weblinks

 Commons: Christussäule – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lit. Gallistl (1993) S. 32
  2. Grabungszeichnung Harenberg, in: Christiane Segers-Glocke (Hrsg.): St. Michael in Hildesheim: Forschungsergebnisse zur bauarchäologischen Untersuchung im Jahr 2006, CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hameln 2008, Copyright: 2008 Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege (= Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 34) ISBN 978-3-8271-8034-6: S. 153
  3. so u.a. Gallistl: Der Dom zu Hildesheim und sein Weltkulturerbe, Bernwardstür und Christussäule, s. 30-31
  4. Hartwig Beseler, Hans Roggenkamp. Die Michaeliskirche in Hildesheim. Berlin 1954. S. 102
  5. Lit. Olchawa (2008) S. 70 ff
  6. Brandt: Bernwards Säule, S. 29
  7. Gallistl: Der Dom zu Hildesheim und sein Weltkulturerbe, S. 108
  8. Brandt: Bernwars Säule, S.51
  9. Gallistl: Der Dom zu Hildesheim und sein Weltkulturerbe, S. 120
  10. Brandt: Bernwards Säule, S. 65
  11. Im Markus- und Lukasevangelium ist von der Heilung eines Blinden die Rede (Mk 10,46-52 EU, Lk 18,35-43 EU)
  12. Gallistl: Der Dom zu Hildesheim und sein Weltkulturerbe, S. 125
  13. Brandt: Bernwards Säule, S. 70
  14. Gallistl: Der Dom zu Hildesheim und sein Weltkulturerbe, S. 127
  15. Olchawa 2008. S. 95
  16. Bernhard Gallistl: In Faciem Angelici Templi. Kultgeschichtliche Bemerkungen zu Inschrift und ursprünglicher Platzierung der Bernwardstür. In: Jahrbuch für Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 75./76. Jahrgang 2007/2008. S. 84 Anm. 26
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