Jakobsbrunnen

Jakobsbrunnen
Jakobsbrunnen, zwischen 1934 und 1939

Der Jakobsbrunnen ist ein Brunnen in Samarien am Fuß des Berges Garizim in der Nähe von Sichem (heute Nablus). Die Ortstradition geht auf Angaben aus der Bibel (Gen 33,18-19 EU) zurück.

Inhaltsverzeichnis

Biblische Tradition

Tanach (Altes Testament)

Der israelitische Stammvater Jakob kaufte laut Gen 33,19 EU ein Grundstück bei Sichem am Fuß des Garizim. Dieses Grundstück übertrug er seinem Lieblingssohn Josef und dessen Nachkommen, namentlich Efraim (Gen 48,21-22 EU). Auf dem gleichen Grundstück fand Josef später seine letzte Ruhestätte (Jos 24,32 EU).

Der Berg Garizim ist theologisch darüber hinaus bedeutsam, weil nach Dtn 27 EU und Jos 8,33 EU von der Berglehne des Garizim Segensworte über die Versammlung der Stämme Israels ausgesprochen wurden. Vom Abhang des gegenüberliegenden Ebal hingegen wurden Gerichtsworte angedroht.

Neues Testament

Nach dem Johannesevangelium (Joh 4,5-6 EU) soll Jakob auf diesem Grundstück einen Brunnen gegraben haben. Dieser Brunnen wird sonst in der Bibel nicht erwähnt, lediglich in Dtn 33,28 EU wird Israel als Quelle Jakobs bezeichnet. Auch außerbiblisch gibt es für seine Existenz keine Belege.[1]

Jesus und die Samariterin (Gemälde von Angelika Kauffmann 1741-1807)

In Joh 4 EU wird erzählt, wie Jesus von Jerusalem nach Galiläa unterwegs ist. Er ruht sich dabei am Jakobsbrunnen bei Sychar aus. Dort kommt es zur Begegnung mit einer samaritanischen Frau, die in ein theologisches Gespräch mündet, wobei die Frau als Repräsentantin ihres Volkes, der Religionsgruppe der Samaritaner, erscheint. Im Gespräch wird neben der Bedeutung Jesu als „lebendigem Wasser“ auch das Verhältnis zwischen Juden und Samaritanern erörtert. Das Südreich Juda und das Nordreich Israel, für das auch der Name „Josef“ als Synonym steht, waren nach der Spaltung des Volkes Israel seit der Zeit nach Salomo verfeindet. Den Juden in neutestamentlicher Zeit galten die Samaritaner wegen der Vermischung mit anderen Religionen als quasi-heidnisch (vgl. auch Lk 10,30-37 EU). Oft wird die von Jesus bei Johannes aufgedeckte Beziehung der Frau zu fünf Ehemännern (Joh 4,16-19 EU) als symbolischer Ausdruck dieses religiös ausschweifenden Lebens gedeutet.[2] Insofern kann auch dem Ort des Geschehens symbolische Qualität beigemessen werden, da der Jakobsbrunnen im Stammvater Jakob (= Israel) die gemeinsame Vergangenheit des ganzen Volkes Israel repräsentiert und Jesus sich der Frau dort als Messias sowohl der Juden als auch der Samaritaner offenbart (Joh 4,23-26 EU).[3]

Kirchliche Tradition

In der Tradition der orthodoxen Kirchen ist die in der Bibel namenlose Frau vom Jakobsbrunnen als Photina bekannt.

Seit dem 4. Jahrhundert n.Chr. wurde der Brunnen - mit Unterbrechungen - in fünf christliche Kirchengebäude integriert. Eine frühbyzantinische Kirche wurde vermutlich in den Samaritaner-Aufständen des 5. Jahrhunderts zerstört. Im 6. Jahrhundert wurde unter Justinian I. eine neue Kirche errichtet und stand wohl mindestens bis ins 9. Jahrhundert, ihr genaues Schicksal ist unbekannt. Eine dritte Kirche im westlichen Baustil wurde wohl 1175 von den Kreuzfahrern errichtet und bereits zwölf Jahre später von den islamischen Eroberern wieder zerstört. 1860 kaufte das griechisch-orthodoxe Patriarchat von Jerusalem das Gelände und errichtete wieder eine Kirche, die 1927 einem Erdbeben zum Opfer fiel. Nach einem Widereraufbauprojekt unter Leitung des örtlichen Priesters Abuna Justinus steht heute eine fünfte, wiederum griechisch-orthodoxe Kirche an der Stelle. Der Brunnen ist über die Jahrhunderte abgesunken und befindet sich in der Krypta der Kirche, einige Meter unter dem Bodenniveau.[4]

Literatur

  • Max Küchler: Art. „Jakobsbrunnen“, in: Neues Bibellexikon Band 2, Zürich, Düsseldorf 1995, Sp. 274 ISBN 3-545-23075-9
  • Birger Olsson: Structure and Meaning in the Fourth Gospel. A Text-Linguistic Analysis of 2:11 and 4:1-42 = CB NT 5. Lund 1974 ISBN 9-140-03344-9
  • Denys Pringle; Peter E. Leach: Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem: A Corpus. Volume 1 A-K, Cambridge 1993, ISBN 0-521-39036-2
  • Hartwig Thyen: Das Johannesevangelium = HNT 6. Tübingen 2005 ISBN 3-16-148485-1
  • Friedhelm Wessel: Die fünf Männer der Samaritanerin. Jesus und die Tora nach Joh 4,16-19, in: Biblische Notizen 68 (1993), Seite 26-34 ISSN 0178-2967

Fußnoten

  1. Birger Olsson, Structure and Meaning in the Fourth Gospel, Seite 140
  2. Vgl. Hartwig Thyen, Das Johannesevangelium, Seite 254-255
  3. Friedhelm Wessel, Die fünf Männer der Samaritanerin, Seite 26f.
  4. Denys Pringle; Peter E. Leach: Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem: A Corpus. Volume 1 A-K, Cambridge 1993, S. 258-262
32.21194435.277778

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