Kastell Othona

Kastell Othona

hf

Kastell Bradwell on Sea
Alternativname Othona/Othonae
Limes Britannien
Abschnitt Strecke 3,
Datierung (Belegung) 3 – 5. Jahrhundert n. Chr.
Typ Limitaneikastell/Flottenstation?
Einheit numerus Fortensium,
classis Britannica?
Größe ca. 2 ha
Bauweise Steinbauweise
Erhaltungszustand quadratische Anlage mit abgerundeten Ecken,
oberirdisch nicht sichtbar bzw. überwachsen,
Ostseite vollkommen abgeschwemmt
Ort Bradwell on Sea
Geographische Lage 51° 44′ 7″ N, 0° 56′ 24″ O51.7352777777780.94Koordinaten: 51° 44′ 7″ N, 0° 56′ 24″ O
Vorhergehend Kastell Walton Castle nördlich
Anschließend Kastell Regulbium südlich
Die Sachsenküstenkastelle um 380 n.Chr.
Skizze des Kastells nach Barry Cunliffe (1977)
St.Peter on the Wall
Mauerrest des Kastells, Foto von 1900

Othona war Bestandteil der Festungskette am englischen Abschnitt der Sachsenküste. Größere Untersuchungskampagnen fanden im späten 19. Jahrhundert und in der Mitte des 20. Jahrhunderts statt.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Funktion

Die Fundstelle liegt im County (Grafschaft) von Essex, Distrikt Maldon, auf dem Gebiet der Gemeinde Bradwell-on-Sea, das ist ca. 9 km nordöstlich von Southminster und 30 km östlich von Chelmsford (das römische Caesaromagus). Othonas Lage am Rand der Dengie-Halbinsel war ideal für die Kontrolle der Mündung des Blackwater in den Colne; Letzterer passiert auch Camulodunum, das heutige Colchester. Die Festung war somit strategisch sehr günstig angelegt, da von hier aus Einfälle von Piraten und Plünderern schon im Keim erstickt werden konnten. Vielleicht diente das Kastell auch als Hafen und Versorgungsbasis der Kanalflotte.

Name

Die Bedeutung des Namens Othona ist unklar. Manche führen ihn auf Kaiser Otho zurück, da die britischen Sachsenküstenkastelle aber ausnahmslos erst gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr errichtet wurden, ist diese Theorie unwahrscheinlich. In der Notitia Dignitatum wird der Stützpunkt als Othonae bezeichnet. Unglücklicherweise sind auch keinerlei Inschriften oder andere schriftliche Quellen bekannt, die Anhaltspunkte über die Historie dieses Kastell geben könnten. Nach Abzug der Römer nannten die Angelsachsen den Ort Ythancester, der Name leitete sich wahrscheinlich vom antiken Kastellnamen ab.[1]

Forschungsgeschichte

Die Überreste des Kastells wurden 1864 von Oxley Parker entdeckt. Er hob auch Suchgräben im inneren des Kastells aus konnte aber keine weitere Bausubstanz finden. Weitere Ergebnisse dieser Grabungen sind unbekannt. 1947 setzte Brinson einen Suchgraben an der Westmauer an. Bei einer Begehung des Kastellgeländes und seiner unmittelbaren Umgebung wurde abgeschätzt wie weit die Zerstörung schon vorangeschritten war und welches archäologisches Potential für künftige Untersuchungen die Fundstelle noch aufzuweisen hatte. Geophysikalische Untersuchungen zeigten aber, dass die Zerstörungen an den Fundamenten noch nicht so gravierend waren wie befürchtet. Für die Zukunft sind noch weitere geophysikalische Untersuchungen und Grabungen geplant.

Funde aus dem Kastell umfassten vor allem Gewandfibeln aus dem 1. Jahrhundert, Armreifen, römische und angelsächsische Eisengegenstände, ein Fragment eines gestempelten Hohlziegels, ein goldener Ring mit einer Onyx-Kamee sowie Münzen, die die Erbauung des Kastells unter der Herrschaft des Caurausius als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Steinmaterial der Kastellmauer wurde auch teilweise noch im Uferschlick gefunden, zusammen mit römischer Keramik, Terra Sigillata, sog. Nene Valley Ware und Dachziegelfragmente.

Insgesamt wurden über 200 Münzen von Gallienus bis Arcadius geborgen, viele stammen auch aus konstantinischer Zeit, die meisten jedoch aus der Periode des Carausius. Die Keramik stammt in der Mehrzahl ebenfalls aus dieser Periode, einige wenige dürften im 2. Jahrhundert angefertigt worden sein, auch eine Gewandspange die im Kastellbereich gefunden wurde. Die meisten Funde aus dem Kastell werden heute im Colchester Museum aufbewahrt.

Entwicklung

In seiner Chronik aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. berichtet Eutrop, dass der Flottenadmiral Carausius um 285 n. Chr. den Auftrag bekommen habe, den Ärmelkanal von Portus Itius (Boulogne) aus zu befrieden, der von Piraten unsicher gemacht worden sei, die Eutrop als „Franken“ und „Sachsen“ bezeichnet.[2] Die dabei erwähnten Überfälle auf die britannische und gallische Küste behinderten im zunehmendem Maße den zivilen Seeverkehr und vor allem die Überführung von britannischen Handelswaren und Edelmetallen nach Gallien und Rom. Aufgrund der zunehmenden Gefährdung durch diese Piraten organisierte Carausius, später der Gründer und Herrscher (Usurpator) des sog. „Britannischen Sonderreiches“, um das Jahr 287 die Verteidigung der britannischen Kanalküste neu. Durch Neu- oder Umbau schon bestehender Anlagen schufen er und sein Nachfolger Allectus nach und nach eine dichte Kette aus teilweise stark befestigten Kastellen, in die auch Othona einbezogen wurde. Ein weiterer Grund für den Ausbau der Befestigungslinie am Ärmelkanal war sicher auch die Angst vor einer Invasion der römischen Zentralregierung. Als die römische Armee unter Flavius Stilicho 398 in Britannien militärisch noch einmal aktiv wurde, richtete die römische Verwaltung auf beiden Seiten des Kanals einen eigenen Militärbezirk, das litus Saxonicum (Sachsenküste) ein, dessen Truppen in Britannien von einem Comes litoris Saxonici per Britanniam befehligt wurden. Um diese Zeit fand dieser möglicherweise auch erstmals Eingang in die Truppenlisten der Notitia Dignitatum. Das weitverzweigte Flusssystem Britanniens ermöglichte es den germanischen Eindringlingen, mit ihren kleinen flachgehenden Ruderbooten rasch ins Innere der Insel voranzukommen. Die Befestigungen standen sicher auch mit den römischen Militärlagern im gallischen Teil des litus Saxonicum in Verbindung.

Cedd, Missionar und Bischof der östlichen Sachsen, gründete im Jahr 653 auf dem ehemaligen Kastellareal ein Kloster, von dem heute noch die Kapelle von St. Peter-on-the-Wall zu sehen ist. Große Mengen ihres Baumaterials (Ziegel, Kalkstein) stammen vom Kastell und sind überall in ihrem Quadermauerwerk zu finden. Von diesem Kloster aus wurde Essex auch christianisiert. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Sturmflut im November 1099 einen Großteil des Kastells zerstört hat. Die Wälle an der Westseite standen noch bis ins 17. Jahrhundert und wurden von Philemon Holland in der Ausgabe von William Camdens Britannien als huge ruin beschrieben.[3]

Kastell

Vom Kastell ist nur mehr wenig zu sehen, die erhaltenen Abschnitte der Wälle sind heute meist von dichten Buschwerk überwuchert. Nur die frühmittelalterliche St.Peter Kapelle, die auf den Fundamenten des Westtores steht, markiert heute die archäologische Stätte. Über 2 m des Südwalles haben sich noch unter einer kleinen Baumgruppe und Brombeergestrüpp erhalten. Da das meiste Land um die Kapelle landwirtschaftlich intensiv genutzt wird, schreitet die Zerstörung auch der letzten Überreste des Kastells weiter voran.

Othona ist von seiner Bauweise her typisch für das späte 3. Jahrhundert, wahrscheinlich wurde es während oder kurz vor der Ursurpation des Carausius erbaut. Die vor Ort aufgefundenen Münz- und Keramikfunde datieren in den Zeitraum von 280 bis 468 n. Chr. Das Münzspektrum erstreckt sich von Gallienus bis Honorius, die meisten von ihnen tragen jedoch das Porträt des Carausius. In diesem Zeitraum wurden auch die Kastelle in Dover, Lymphe und Burgh Castle errichtet.[4] Robin George Collingwood beschreibt die Kastellmauern in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts folgendermaßen:

Die Uferbefestigungen sind komplett verschwunden; der Westwall ist 522 Fuß lang, der nördliche und südliche wahrscheinlich 290 bzw. 150 Fuß, beide enden abrupt am Flußufer. Das Kastellareal, ursprünglich etwas größer, umfasst heute ungefähr 4 acres, wie groß es ursprünglich war ist nicht mehr festzustellen. Die Mauern waren an der Basis 12 Fuß dick und sind noch über 4 Fuß hoch erhalten. An der Außenseite laufen dreifache Ziegelbänder entlang. Die Kastellecken sind offensichtlich noch abgerundet, die ovalen Zwischentürme dürften jedoch zeitgleich mit der Mauer errichtet worden sein. An der Westseite befand sich ein Tor, auch die Überreste eines Wehrgrabens sind noch sichtbar.[5]

Spätere Ausgrabungen bestätigten den trapezoiden Grundriss der Verteidigungsanlage, der im Norden, Süden und Westen noch gut zu erkennen ist. Vermutlich hatte das Kastell tatsächlich – wie in Garrianonum – noch die klassischen abgerundeten Ecken. Die Ostseite wurde von den Gezeiten komplett abgetragen, nur einige wenige Überreste von Mauerwerk sind noch sichtbar. Die bis heute erhaltenen Grundmauern umfassen ein Areal von annähernd zwei Hektar, das Kastell muss noch um einiges größer gewesen sein. Die Wehrmauer war größtenteils aus vor Ort gewonnenen Steinmaterial hochgezogen und mit dreigliedrigen Ziegelbändern versehen. Eine Schnittgrabung im Südwall ergab eine Dicke von ungefähr 4,2 m. Die Fundamente waren sehr massiv gemauert und etwas breiter und bestehen aus vermörtelten Bruch- und dicht gepackten Feldsteinen. Weiters wurden Anzeichen einer inneren Erdrampe und Spuren eines umlaufenden Wehrgrabens, in dessen Verfüllung Keramik aus angelsächsischer Zeit entdeckt wurde, festgestellt. Am besten kann man den Graben noch am Westwall erkennen.

In der Nordwestecke fand man die Reste eines Hufeisenturmes und eines weiteren zwischen Ersterem und der Kapelle. Das Kastell war zusätzlich von einem einzelnen Spitzgraben umgeben. Die Mauern waren durch eine innere Erdrampe abgestützt, die Kasernen werden im nordwestlichen Sektor des Lagerareals vermutet.

Garnison

Laut der Notitia Dignitatum diente in Othonae eine Einheit der Limitanei, die numeri Fortensium (die Tapferen) unter dem Oberkommando des Comes litoris Saxonici per Britanniam (übersetzt: „Graf der Sachsenküste in Britannien“) als Garnisonstruppe.[6] Festungskommandant war ein Offizier im Rang eines Praepositus.

Straßenverbindungen

Der Zugang zum Kastell vom Festland erfolgte über eine Straße an der Ostseite des Kastells, die heute aber komplett im Meer verschwunden ist. Es gibt auch Hinweise, dass eine römische Straße von Othona zum Ufer des Crouch nahe Battlesbridge angelegt war, sich dort mit einer anderen Straße vereinigte, die dann zu einer größeren römischen Siedlung auf Foulness Island führte. Sie folgte dann weiter dem Lauf des Crouch und traf bei Brentwood auf eine von Nord nach Süd verlaufende Hauptstraße.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. CBA Report 18, S. 8.
  2. Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-17-016588-5, S. 33.
  3. 1637, S. 443.
  4. N. Fields: 2006, S. 24.
  5. Collingwood, 1930, S. 49.
  6. ND: Pars Occ., XXVIII.13.

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