Ärmelkanal

Ärmelkanal
Ärmelkanal
Ärmelkanal
Blick vom Cap Gris-Nez über den Kanal auf die Kreidefelsen von Dover

Der zum Atlantik gehörende Ärmelkanal (englisch English Channel wörtlich ‚Englischer Kanal‘, französisch La Manche wörtlich ‚Der Ärmel‘) verbindet diesen über die Straße von Dover mit der Nordsee, einem seiner Randmeere.

Inhaltsverzeichnis

Geographie und Namensgebung

Der Ärmelkanal liegt zwischen Frankreich im Süden und Großbritannien im Norden. Im Kanal liegen die britischen Kanalinseln und die Isle of Wight, die von einem Seitenarm, dem Solent, umschlossen wird. Der größte Fluss, der in den Kanal mündet, ist die Seine. Bekannte Städte am Kanal sind Le Havre (Frankreich), Southampton und Plymouth (beide Großbritannien).

Der Ärmelkanal ist etwa 563 Kilometer lang und an der breitesten Stelle 248 Kilometer breit. In der Straße von Dover, der schmalsten Stelle, sind es nur 34 Kilometer Breite von Dover nach Cap Gris-Nez. Der Kanal öffnet sich dabei von Osten nach Westen trichter- oder ärmelförmig und hat daher seinen Namen. Der Kanal hat in der Nähe des offenen Atlantiks eine durchschnittliche Tiefe von 120 Metern; an der Einmündung in die Nordsee sind es nur 45 Meter. In der internationalen Seefahrt ist der Name Ärmelkanal ungebräuchlich; stattdessen spricht man vom Englischen Kanal. Das französische Département Manche ist nach dem Kanal benannt.

Geologie

Während der letzten Eiszeiten war der Wasserstand bis zu 120 Meter niedriger als heute. Die Nordseeküste lag etwa 600 Kilometer nördlich ihrer jetzigen Lage, das Gebiet des Ärmelkanals war bis auf das westliche Ende Festland. Nach letzten Forschungen gab es einen breiten Fluss, der sich entlang des heutigen Ärmelkanals dahinzog und durch Rhein, Seine und Themse als Nebenflüsse gespeist wurde. Dieses Flusssystem war vermutlich das größte, das jemals in Europa entstand.[1]

Als das Wasser nach der Eiszeit langsam zu steigen begann, bildete sich im südlichen Nordseebecken ein großer Süßwassersee, der durch die Doggerbank nach Norden und durch eine Kreideverbindung nach Westen abgesperrt war. Die Kreide zwischen den heutigen Städten Dover und Calais war etwa 6500 v. Chr. so weit erodiert, dass das Wasser der südlichen Nordsee über den Ärmelkanal in den Atlantik abfließen konnte. Die letzte Landverbindung zwischen Großbritannien und dem Kontinent verschwand vor etwa 7000 Jahren.

Wellen und Winderosion tragen die Kreide an dieser Stelle ständig weiter ab, so dass sich der Kanal auch heute noch langsam verbreitert. Erst als der Wasserstand weiter stieg, bildete sich das durchgehende Nordseebecken, so dass heute das Wasser aus dem Atlantik über den Ärmelkanal in die Nordsee fließt und an der norwegischen Küste entlang in den Atlantik zurückkehrt.

Tunnelprojekt der Kanalgesellschaft

Im Jahr 1875 begann die Kanalgesellschaft bei Sangatte mit einem Tunnelbau. In England wurde zur selben Zeit bei Abbotscliff mit Kanalarbeiten begonnen. Bis 1882 wurden auf beiden Seiten jeweils ca. 1.800 Meter Tunnel gebaut. Da England eine spätere Invasion durch die Franzosen fürchtete, wurden die Arbeiten um 1882 eingestellt.

Vision Brückenstadt

1962/1963 entwickelten die Architekten Yona Friedman und Eckhard Schulze-Fielitz die Vision einer Brückenstadt über den Ärmelkanal. Das gigantische Bauwerk, eine megastructure aus Tragwerk und eingebauten Modulen, sollte die Funktionen einer Stadt übernehmen.

Eurotunnel

Durch den Eurotunnel zwischen Folkestone und Sangatte besteht seit 1994 ein Anschluss Großbritanniens an das Eisenbahnnetz des europäischen Kontinents.

Schiffsverkehr

Wichtige Fährverbindungen sind von Dover nach Calais und von Cherbourg nach Portsmouth.

Aufgrund des mit täglich 400 bis 500 Schiffen hohen Verkehrsaufkommens im Kanal kommt es immer wieder zu Kollisionen:

  • Der elf Jahre alte Flüssiggastanker Ievoli Sun sank am 31. Oktober 2000 mit 6000 Tonnen giftiger Chemikalien und liegt seitdem in 70 Metern Tiefe. Teile der biologisch abbaubaren Chemikalien liefen in den folgenden Tagen aus.
  • Der 15 Jahre alte Autotransporter Tricolor sank nach einer Kollision am 14. Dezember 2002 mit 2871 Luxuswagen an Bord. In der Folge kollidierten weitere Schiffe mit dem Wrack, das bei Niedrigwasser nur knapp aus dem Wasser ragte. Es dauerte fast zwei Jahre, das Wrack in neun Teile zu zersägen und abzutransportieren.
  • Der mit 10.000 Tonnen Phosphorsäure beladene Chemietanker Ece sank nach einer Kollision am 31. Januar 2006.
  • Am 9. Juni 2006 kollidierten vor der Küste der Grafschaft Sussex zwei Öltanker. Trotz deren Beschädigung lief kein Öl aus.

Es sind bisher keine gravierenden Umweltschäden durch größere Tankerunfälle eingetreten.

Zur Regulierung des Schiffsverkehrs wurden im Ärmelkanal eine Reihe von Verkehrstrennungsgebieten eingeführt.

Seeleute auf Vollschiffen nannten den Ärmelkanal ein Meer von Kopf- und Herzweh (englisch: sea of sore heads and sore hearts), vor allem, wenn diese Schiffe mit allen Mann an Deck gegen vorherrschende Südwestwinde durch das enge und gefahrvolle Revier nach Westen gesegelt werden mußten.[2]

Bemerkenswerte Kanalquerungen

Straße von Dover

Der Kanal verleitet seit weit über 100 Jahren Menschen zu oft waghalsigen Querungsversuchen. Herausragende Ereignisse sind hier aufgelistet:

  • Die erste Überquerung des Kanals mit einem Gasballon gelang dem Franzosen Jean-Pierre Blanchard und dem US-Amerikaner John Jeffries am 7. Januar 1785, bereits zwei Jahre nach den ersten Ballonfahrten durch die Gebrüder Montgolfier.
  • Erstmals durchschwommen wurde der Ärmelkanal am 24. und 25. August 1875 von dem Engländer Matthew Webb. Er benötigte für die Strecke von Dover nach Calais 21:45 Stunden.
  • Das erste Telefongespräch zwischen Paris und London fand am 18. März 1891 mit Hilfe eines durch den Ärmelkanal verlegten Nachrichtenkabels statt.
  • Louis Blériot überflog im Jahr 1909 als erster Mensch mit einem Flugzeug den Ärmelkanal.
  • Als erste Frau durchschwamm 1926 die US-Amerikanerin Gertrude Ederle den Ärmelkanal.
  • Von 1948 bis ca. 1980 existierten über den Ärmelkanal spezielle Flugverbindungen, bei denen auch Autos transportiert wurden unter Verwendung von Flugzeugen der Typen Bristol Typ 170 und Aviation Traders ATL-98.
  • Bryan Allen überquerte den Ärmelkanal zwischen Folkestone und Cap Gris-Nez, Entfernung 35,8 km, am 12. Juni 1979 in 2:49 Stunden mit dem Muskelkraft-Flugzeug Gossamer Albatross. Die Masse des Fluggerätes betrug 32 kg bei einem Gesamtgewicht von 100 kg.
  • Die erste Ärmelkanalüberquerung ohne eigenen Antrieb absolvierte Mad Mike Küng am 28. Mai 2003 mit einem Gleitschirm.
  • Am 31. Juli 2003 überquerte Felix Baumgartner als erster Mensch in freiem Fall den Ärmelkanal von Dover bis Calais. Er sprang in 9800 Metern Höhe nur mit einem 1,8 Meter Spannweite betragenden Carbonflügel, einer Sauerstoffmaske und einem isolierenden Spezialanzug aus einer Skyvan ab und flog die 36 km lange Strecke mit einer Höchstgeschwindigkeit von 360 km/h in 6:22 Minuten.
  • Den Rekord für die schnellste Überquerung durch ein Amphibienfahrzeug hält das Gefährt Tonic, das im Jahr 2008 den Kanal in 74 Minuten und 30 Sekunden zwischen Calais und Dover durchquerte.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Artikel „Ärmelkanal war vor 20.000 Jahren ein Fluss“ in „Berliner Morgenpost“, Sonnabend, 16. September 2006
  2. Kemp, Peter (Hrsg.): The Oxford Companion to Ships and the Sea. 1. Auflage. Oxford University Press, Oxford 1976, ISBN 0-19-211553-7.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Ärmelkanal – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Ärmelkanal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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