Friedrich Karl Vialon

Friedrich Karl Vialon

Friedrich Karl Vialon (* 10. Juli 1905 in Frankfurt am Main; † 8. April 1990) war ein deutscher Jurist, Nationalsozialist sowie Staatssekretär.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vialon, Sohn eines Kaufmanns, besuchte ein humanistisches Gymnasium und schloss seine Schullaufbahn 1924 mit dem Abitur ab. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften und promovierte mit der 1928 erschienenen Dissertation Die Legitimation durch nachfolgende Ehe: In rechtsvergl. Darst. m. bes. Berücks. d. dt., frz., engl. u. schweizer. Rechts zum Dr. jur. Vialon schloss das Jurastudium 1930 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab. Danach betätigte er sich als Gerichtsassessor an Amts- und Landgerichten sowie als Staatsanwalt. Ab 1935 war Vialon am Oberlandesgericht Karlsruhe beschäftigt und dort bei der Abteilung Organisation und Personal als Sachbearbeiter tätig. Im Juni 1937 wechselte Vialon ins Reichsfinanzministerium, wo er hauptsächlich in der Abteilung Haushalt beschäftigt war.[1]

Vialon war im Mai 1933 der NSDAP beigetreten und gehörte zudem der NSV, dem NS-Rechtswahrerbund, dem Reichsbund der Deutschen Beamten, dem NS-Altherrenbund sowie dem Kolonialbund an.[2]

Zweiter Weltkrieg

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Vialon am 1. September 1939 zur Wehrmacht eingezogen.[1] Von Ende Juli 1940 bis Dezember 1940 war er wieder für das Reichsfinanzministerium als Beauftragter des Reichsfinanzministers in den westlichen Wiederaufbaugebieten tätig und danach als Referent für verschiedene Länderhaushalte.[3] Ab Anfang Mai 1942 war er als Regierungsrat in Riga Leiter der Finanzabteilung im Reichskommissariat Ostland. In dieser Funktion war Vialon mit der „Sicherung der jüdischen Vermögenswerte“ beauftragt.[2] Vialon ließ Möbel, Edelmetalle, Kleidung und andere Wertgegenstände sammeln und registrieren und ordnete in einer Weisung vom 27. August 1942 an, dass auch die „Ausnutzung der Arbeitskraft der Juden“, […] „als angefallenes Vermögen gilt“.[4] Vialon, 1944 noch zum Ministerialrat befördert, bekleidete diesen Posten bis Oktober 1944.[3] Auf die am 21. Juni 1943 erlassene Weisung von Reichsführer SS Heinrich Himmler „alle im Gebiet Ostland noch in Gettos vorhandenen Juden in Konzentrationslagern zusammenzufassen“ verfasste Vialon eine Geheimverfügung:

„So wird z. B. ein kleiner Teil des bisherigen Rigaer Gettos voraussichtlich zu einem Konzentrationslager umgestaltet, in dem Werkstätten-Betriebe wehrwichtige Aufträge erledigen ... Die Leitung dieses zu errichtenden KZ soll nach meinem Wunsch vom Generalkommissar Riga übernommen werden ... Der finanzielle Ertrag soll, wie bisher, meinem Haushalt zufließen.“[5]

Vialons Intervention blieb jedoch erfolglos. Im Februar 1944 führte er auf einer Konferenz in Riga aus, dass das Reichskommissariat Ostland nun hoch verschuldet sei:

„Aus dem Judenvermögen hat das Ostland durch Veräußerung von Mobiliar usw. einen Erlös von rund viereinhalb Millionen, aus der Verwertung der Judenarbeit einen Erlös von fünfeinhalb Millionen Mark gehabt. Dadurch, daß die Gettos nunmehr aufgelöst und von der SS beschlagnahmt sind, fällt natürlich auch ein wesentlicher Gewinn des Ostlands fort.“[6]

Anschließend war Vialon wieder kurzzeitig für das Reichsfinanzministerium tätig. Am 18. Januar 1945 wurde er erneut der Wehrmacht zugeteilt, wo er als Feldwebel und Zugführer eingesetzt war. Bei Kriegsende geriet er im Mai 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er bereits im Juli 1945 entlassen wurde.[3]

Nachkriegszeit

Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft war Vialon als Wirtschafts- und Steuerberater tätig und leitete von 1949 bis 1950 einen mittelständischen Textilbetrieb. Ab März 1950 war Vialon im Bundesfinanzministerium tätig, wo er 1951 zum Ministerialrat, 1954 zum Ministerialdirigent und 1956 zum Ministerialdirektor befördert wurde.[3] Dort leitete Vialon verschiedene Referate bis er im Oktober 1957 in den Ruhestand verabschiedet wurde, nachdem Franz Etzel Bundesfinanzminister geworden war. Vialon war danach von 1958 bis 1962 als Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt tätig, wo er die Abteilung II (u.a. Wirtschaft, Landwirtschaft, Soziales und Verkehr) leitete.[7] Zusätzlich war Vialon ab 1959 Dozent sowie ab 1961 Honorarprofessor für Öffentliches Finanzrecht an der Universität Saarbrücken.[2] Vialon war Mitherausgeber der Fachzeitschrift Die öffentliche Verwaltung und begründete 1962 den Verwaltungsrat des ZDF mit, dem er bis 1964 angehörte.[3] Von 1962 bis zu seinem Rücktritt im Dezember 1966 war Vialon Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter dem Minister Walter Scheel.[2]

In dem Nachkriegsprozess gegen den ehemaligen SS-Führer Georg Heuser wurde Vialon als Zeuge gehört. Vialon gab sich in diesem Verfahren ahnungslos über seine frühere Tätigkeit als Leiter der Finanzabteilung im Reichskommissariat Ostland und stritt mit Verweis auf seine Tätigkeit als Haushaltsspezialist ab, etwas vom Holocaust mitbekommen zu haben. Auf die Frage wo die jüdischen Vermögenswerte denn hergekommen seien, äußerte sich Vialon u.a. folgendermaßen: „Die Juden hatten ja viele Sachen im Koffer mit ins Getto gebracht.“[3] Danach erhielt Vialon eine Anzeige wegen Meineides und es wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen wurden durch Staatsanwälte der DDR unterstützt, die der westdeutschen Justiz belastendes Aktenmaterial zur Verfügung stellten.[3] Eine Kurzvita zu Vialon ist auch im Braunbuch der DDR verzeichnet.[8] Nach jahrelangen Ermittlungen erhielt Vialon 1971 durch das Oberlandesgericht Koblenz einen Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelte gegen Vialon, in diesem Fall wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Mord – das Verfahren wurde 1973 eingestellt.[2][3]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Friedrich Karl Vialon bei www.munzinger.de
  2. a b c d e Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 640.
  3. a b c d e f g h Zweite Karrieren beim Bundesfinanzministerium nach 1945 auf www.anstageslicht.de
  4. Zeitgeschichte: Vialon – In den Ghettos gesammelt. In: Der Spiegel, Ausgabe vom 9. Oktober 1963, Nummer 41, S. 129.
  5. Vialon im einem Geheimerlass zu einem Befehl Himmlers. Zitiert bei: Zweite Karrieren beim Bundesfinanzministerium nach 1945.
  6. Vialon im Februar 1944 auf einer Konferenz in Riga. Zitiert bei: Justiz – Vialon – Gewinn des Ostlands. In: Der Spiegel, Ausgabe vom 6. November 1967, Ausgabe 46, S. 100.
  7. Hans Booms, Konrad Reiser, Bundesregierung, Bundesarchiv: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 17 – 1964, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, S. 575f.
  8. Kurzvita im Braunbuch der DDR: Vialon, Friedrich Karl – Buchhalter der SS-Mörder

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