Fort Black Jack

Fort Black Jack

Das Fort Black Jack (auch Fort Blackjack oder Camp Blackjack) war eine rund 15 Hektar umfassende militärische Einrichtung am südlichen Ortsrand von Inneringen, bis zum 1. Januar 1975 selbstständigen Gemeinde im Landkreis Sigmaringen, in Baden-Württemberg. Sie war vermutlich während des Kalten Krieges französische und später amerikanische Stellung von nuklearen Sprengköpfen. Das Gelände in Inneringen, heute Stadtteil von Hettingen, wurde in der Folgenutzung als Gewerbegebiet „Bergwiesen“ erschlossen.[1]

Geschichte

Die militärische Nutzung des Geländes auf der Schwäbischen Alb etwa 13 km nördlich von Sigmaringen begann, als sich dort im Jahr 1959 die französischen Luftstreitkräfte (frz. Armée de l’air) einrichteten. Von 1960 bis 1966 war das 3rd btry 520e Bde in Inneringen stationiert. Inneringen wurde unter ihnen zur Stellung von Flugabwehrraketen vom Typ Nike Ajax und ab 1964/65 vom Typ Nike Hercules ausgebaut.[2] Dies geschah im Rahmen der NATO in Unterstützung von der United States 357th Artillery Detachment. Mit dem Natorückzug der Franzosen 1966 wurde der Standort zunächst geschlossen und stillgelegt, dann aber von den US-Streitkräften wieder in Betrieb genommen.[3]

Als Fort Black Jack gehörte es von 1969 bis 1974 zu dem in Neu-Ulm ansässigen 1st Battalion der 81st Field Artillery Regiment der 7. US-Armee und danach bis Abzug im Juli 1983 zum 1st Battalion der 41st Field Artillery Regiment[4], die in Schwäbisch Gmünd beheimatet war.[5] Insgesamt sollen im Zeitraum von 1969 bis Juli 1983 neun Raketen des Typs Pershing IA mit nuklearen Sprengköpfen permanent einsatzbereit gewesen sein.[6] Jeweils drei Startrampen standen auf den Betonflächen im Freien verteilt.[7][6]

Erste mediale Aufmerksamkeit fand Inneringen durch das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, Ausgabe 45/1972. Der Artikel berichtete über militärische Simulationen mit Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing IA, die als Trägersystem für einen nuklearen Sprengkopf fungieren können, des 1. Bataillon der Mobilen 81. Artillerieregiments in Inneringen.[8] 1982 berichtete DER SPIEGEL in seinem Enthüllungsjournalismus von fest vermessenen Abschussplätzen, den sogenannten Combat Alert Sites (kurz CAS; „Combat Alert“ dt. für Kampfbereitschaft) für den atomaren Schnellschuss, den sogenannten Quick Reaction Alert (kurz QRA) bei Lehmgrube (Kettershausen, auch genannt Fort Von Steuben), bei Waldheide (Heilbronn, auch genannt Fort Redleg) und in Inneringen (Fort Black Jack).[9] DER SPIEGEL mutmaßte in der Ausgabe 6/1983 vom 7. Februar 1983 über eine mögliche Stationierung von Pershing II-Raketen falls die damals andauernden Genfer Abrüstungsverhandlungen erfolglos bleiben.[10] Tags darauf griff die Lokalzeitung Schwäbische Zeitung diese Meldung auf[11], was unter anderem dazu führte, dass Inneringen vom 1. bis 3. April 1983 Ziel eines dreitägigen Friedensmarsches, mit den meisten Ostermarschierer, die bereits seit Anfang der 1960er Jahren Inneringen zum Ziel hatten[12], gegen den NATO-Doppelbeschluss und die mögliche Stationierung der neuen Mittelstreckenraketen war.[13] Die Friedensbewegung ging davon aus, dass Inneringen im Kriegsfalle ein bevorzugtes Ziel russischer Raketen sein könnte.[14]

Die US-Streitkräfte zogen zum 1. Juli 1983 aus Inneringen ab.[15] Am Buß- und Bettag 1983, der 16. November, wurde dann um 3 Uhr der ehemalige US-Militärstützpunk von 34 Demonstranten, unter ihnen der damalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Willi Hoss, für fast neun Stunden besetzt.[16]

Einzelnachweise

  1. Ehem. QRA-Bereitschaftsstellung „Fort Blackjack“ der NATO auf der Seite von WikiMapia; abgerufen am 5. Januar 2011
  2. Former french Nike Air Defense guided missile site in Germany, abgerufen am 5. Januar 2011
  3. US Army Inneringen; abgerufen am 5. Januar 2011
  4. 56th Field Artillery Brigade; abgerufen am 6. Januar 2011
  5. Inneringen im Pershing-Wiki
  6. a b Lothar Liebsch, Oberstleutnant a. D. (LL): Inneringen, ehemaliger Atomwaffenstandort, Deutschland. hrsg. für die „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ (IPPNW), in Deutschland „IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“, Darmstädter Signal, Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen“, Stand: Dezember 2009; abgerufen am 5. Januar 2011
  7. Hartmut Schwarm: Atomares Patt. In: Y – Das Magazin der Bundeswehr vom 9. April 2009; abgerufen am 5. Januar 2011
  8. US-ARMEE: Macht bumm. In: DER SPIEGEL, Nr. 45/1972, S. 63f.; abgerufen am 5. Januar 2011
  9. ATOMRAKETEN: Bremsen versagt. In: DER SPIEGEL, Nr. 45/1982, S. 31f.; abgerufen am 5. Januar 2011
  10. ATOMWAFFEN: Netzwerk Friedhof. In: DER SPIEGEL, Nr. 6/1983, S. 104f.; abgerufen am 5. Januar 2011
  11. Ablösung der Pershing-1-Rakete durch Pershing 2? Laut »Der Spiegel« in Inneringen: Rampe für den atomaren Schnellschuß. In: Schwäbische Zeitung vom 8. Februar 1983; abgerufen am 5. Januar 2011
  12. Besonderes: US-Stützpunkt in Inneringen, auf der privaten Internetseite von Reinhold Teufel, Bürgermeister von Pfronstetten, aus Inneringen; abgerufen am 5. Januar 2011
  13. kws: »Friedensmarsch« vom l. bis 3. April. Die Ziele der Ostermarschierer 1983: »Atomraketenstellungen« Inneringen und Engstingen. In: Schwäbische Zeitung vom 24. März 1983; abgerufen am 5. Januar 2011
  14. Michael Schmid: Vor 25 Jahren: Ostermarsch zu Atomraketen in Inneringen und Großengstingen, Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V., veröffentlicht am 21. März 2008; abgerufen am 5. Januar 2011
  15. Keine Pershing-Raketen mehr. Amerikaner sind aus Inneringen abgezogen. Verwendung des Nato-Stützpunktes offen. In: Schwäbische Zeitung vom 27. Juli 1983; abgerufen am 5. Januar 2011
  16. Besetzungsaktion im November 1983; abgerufen am 5. Januar 2011
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