Impressionismus (Literatur)

Impressionismus (Literatur)

Der Begriff Impressionismus wird in der deutschen Literaturwissenschaft als literarhistorischer Ordnungsbegriff verwendet, allerdings ohne durchgehenden fachwissenschaftlichen Konsens, da er oft als zu „unpräzise“[1] empfunden wird. Die Verfechter des Begriffs gehen davon aus, dass die Bewegung des Impressionismus, die subjektive Wiedergabe von Momenteindrücken, neben der Malerei und der Musik um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auch die Literatur erfasste.

Inhaltsverzeichnis

Impressionismus-Begriff

Impressionismus stammt von dem lateinischen Wort impressio und bedeutet Eindruck. Er ist eine Bezeichnung für eine zwischen 1890 und 1920 verbreitete Literatur, die sich auf die sprachliche Gestaltung augenblickhafter Empfindungen konzentrierte. In der Literatur ist der Impressionismus der Übergang vom Naturalismus, der die Wirklichkeit der Dinge beschreibt, zum Symbolismus, der sich um den Traum bemüht.

In der Malerei versucht diese Eindrucks- oder Stimmungskunst des Impressionismus eine Stimmung, wie sie der vergängliche Augenblick hervorruft, durch eine fein nuancierte Farbgestaltung festzuhalten. Dabei ist das Zusammenspiel von Licht und Schatten wichtiger als die reale Struktur der Dinge, welche sich in Farb- und Lichtreflexen regelrecht auflöst. „Ähnlich läßt sich literarischer Impressionismus als Kunst der persönlichen Augenblicksempfindung bezeichnen: aus der Erfahrung, daß Dinge, wie sie 'wirklich' sind, künstlerisch nicht reproduziert werden können, greift der Impressionist subjektive Eindrücke von Weltausschnitten auf und gestaltet sie - meist in lyrischen Gedichten […]“[2]

Wie im Impressionismus der Malerei erhalten auch in der Literatur Farben und Licht (zum Beispiel das Glitzern und Funkeln von Gegenständen) eine große Bedeutung in der Darstellung.

Der Ausdruck „Impressionismus“ verdeutlicht, dass man nur Impressionen, Eindrücke, festhalten will. Die Schilderung der Wirklichkeit tritt gegenüber der Schilderung der Wahrnehmung dieser Wirklichkeit in den Hintergrund.

Ein Beispiel für die neue Art, die Wirklichkeit zu sehen, stellt das 1908 beendete Romanfragment Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke dar; die tagebuchähnlichen Aufzeichnungen des Romanhelden Malte Laurids Brigge erzählen keine zusammenhängenden Geschichten, stattdessen werden Umwelt und Erinnerungen als pointillistische Folgen stimmungsvoller Impressionen vermittelt.[3]

Der im Naturalismus entstandene Sekundenstil kehrt im Impressionismus wieder; das Stilideal der Detailtreue wird übernommen. Die Impressionisten verwenden für ihre Momentaufnahmen in der Regel kurze literarische Formen, Skizzen, Novellen, Einakter, Lyrik.

Impressionistische Lyriker erstreben eine möglichst genaue Wiedergabe persönlicher Eindrücke. Zudem erfassen sie seelische Stimmungen und das Flüchtige des Augenblicks sowie die Wiedergabe von Sinneseindrücken. Dies bedingte eine Vorliebe für Lyrik oder einer lyrischen Grundstimmung.

Das sozialkritische und politische Element des Naturalismus hingegen wird zugunsten eines Rückzugs auf die Subjektivität und den Individualismus aufgegeben. Wiederkehrende Themen des Impressionismus sind ein Leben in einer Scheinwelt, eine Flucht vor der Realität und die subjektive Realität psychologischer Vorgänge.

Die Subjektivität des Ich spielt eine wesentliche Rolle. Eine für den Impressionismus bedeutende Theorie des „Ichs“ wurde von dem zuerst in Prag und dann in Wien lehrenden Physiker und Erkenntnistheoretiker Ernst Mach in seiner 1885 erstmals veröffentlichten Schrift Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen formuliert. Mach beschreibt darin das Ich, dessen Beständigkeit von den Eigenschaften abhängt, aus denen es sich zusammensetzt.

In dem Essay Das unrettbare Ich bemerkt der Wiener Literat Hermann Bahr 1904, es handle sich in Machs Schrift schlichtweg um die „Philosophie des Impressionismus“.[4] Laut Mach ist das, was man als Einheit der Persönlichkeit empfindet, nur eine scheinbare Einheit, eine durch die Kontinuität der langsamen Änderung hervorgerufene Täuschung. Weil das Ding, der Körper, die Materie nichts als der Zusammenhang der Elemente, der Farben, Töne, usw., also eine wechselnde Verbindung von Merkmalen sei, ist das unveränderliche „Ich“ lediglich ein Komplex, eine Konstruktion aus unterschiedlichen, der Veränderung unterworfenen Elementen, wie z.B. Erinnerungen, Stimmungen, Gefühle.[5]

Vertreter des Impressionismus in der Literatur

Siehe auch

Literaturangaben

  1. Werner, Ralph Michael: Impressionismus als literarhistorischer Begriff. Untersuchung am Beispiel Arthur Schnitzlers Frankfurt/M., Bern, 1981. 377 S. Europäische Hochschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur. Bd. 402
  2. Otto F. Best: Impressionismus, Symbolismus. S10.
  3. Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. München: Süddeutsche Zeitung Bibliothek 2004.
  4. Erstmals: Neues Wiener Tagblatt, 37 (1903) #99, 1-4, hier 4. (10. April 1903), Buchausgabe: Dialog vom Tragischen. Berlin: S. Fischer 1904, S. 114.
  5. vgl. Victor Žmegac (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Band II/2. Weinheim: Beltz Athenäum Verlag 41995. S. 271.

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