Dorothea Christiane Erxleben

Dorothea Christiane Erxleben
Dorothea Christiane Erxleben
Dorothea Christiane Erxleben (Briefmarke aus der Serie Frauen der deutschen Geschichte)
Wohnhaus in Quedlinburg

Dorothea Christiane Erxleben (* 13. November 1715 in Quedlinburg; † 13. Juni 1762 ebenda; geborene Leporin) war die erste promovierte deutsche Ärztin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dorothea Leporin war die Tochter des Arztes Christian Polykarp Leporin (1689–1747), Arzt in Aschersleben und später Stadtsyndikus in Quedlinburg, und der Anna Sophia Leporin (1681–1757), Tochter des Konsistorialrats Albert Meinecke. Von Kind an war sie zart und kränklich. Das begabte Mädchen zeigte außergewöhnliche geistige Fähigkeiten und Interesse für naturwissenschaftliche Studien. Ihre erstaunlichen Lateinkenntnisse erwarb sie beim Rektor und Konrektor der Quedlinburger Ratsschule. Ihr Vater unterwies sie in Naturwissenschaften und gemeinsam mit ihrem Bruder in praktischer und theoretischer Medizin. Er unterrichtete sie, nahm sie zu seinen Patienten mit und ließ sich mit der Zeit sogar von ihr in seiner Praxis vertreten. Dorothea durchlief dieselbe Ausbildung wie ihr Bruder, und wie er strebte sie die Erlangung eines akademischen Grades an. Der Wunsch, mit ihrem Bruder zu studieren, wurde durch Einberufung desselben verwehrt. Der Bruder ließ sich zum Studium vom Militär vorzeitig beurlauben, um mit seiner Schwester ein Studium aufzunehmen. Er bekam derart große Schwierigkeiten, dass er in die nahe gelegenen Landgrafschaft Hessen-Kassel flüchtete. Trotz ihres breiten medizinischen Wissens blieb ihr der Zugang zur Universität zunächst verwehrt. Daraufhin wandte sich ihr Vater an Friedrich den Großen, der 1741 die Universität Halle anwies, Dorothea Leporin zur Promotion zuzulassen. Da Dorothea inzwischen den verwitweten Diakon Johann Christian Erxleben (1697–1759) geheiratet hatte, nahm sie das königliche Privileg vorerst nicht in Anspruch. Sie erzog die vier Kinder ihres Mannes und hatte mit ihm noch vier weitere eigene, darunter den späteren Mediziner und Zoologen Johann Christian Erxleben (1744–1777).[1]

Als sie anfing zu praktizieren, wurde sie von den anderen Ärzten ihrer Heimatstadt, weil sie keine formelle, universitäre Ausbildung zur Ärztin hatte, als Dilettantin verschrien. In der Schrift Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten[2] wehrte sie sich 1740 gegen die Vorwürfe:

„Die Verachtung der Gelehrsamkeit zeigt sich besonders darin, dass das weibliche Geschlecht vom Studieren abgehalten wird. Wenn etwas dem größten Teil der Menschheit vorenthalten wird, weil es nicht allen Menschen nötig und nützlich ist, sondern vielen zum Nachteil gereichen könnte, verdient es keine Wertschätzung, da es nicht von allgemeinem Nutzen sein kann. So führt der Ausschluss vieler von der Gelehrsamkeit zu ihrer Verachtung. Dieses Unrecht ist ebenso groß wie dasjenige, das den Frauen widerfährt, die dieses herrlichen und kostbaren Gegenstandes beraubt werden.“

Neben der hausfraulichen Tätigkeit in ihrer großen Familie praktizierte sie weiter. 1747 übernahm sie die Praxis ihres verstorbenen Vaters. Nachdem eine ihrer Patientinnen während der Behandlung gestorben war, wurde sie von anderen Ärzten wegen „medicinischer Pfuscherey“ angezeigt. Darauf hin entschloss sich die nun 39-jährige Dorothea, kurz nach der Geburt ihres vierten Kindes, ihre Promotion nachzuholen. Im Januar 1754 reichte sie ihre Dissertation mit dem Titel Quod nimis cita ac quounde curare saepius fiat causa minus tutae curationis, 1755 auf Deutsch unter dem Titel Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsicheren Heilung der Krankheiten, ein, und am 6. Mai desselben Jahres trat sie an der Universität Halle (Saale) zum Promotionsexamen an, das sie mit großem Erfolg ablegte.

Nach der Promotion führte sie ihr Leben wie bisher weiter: sie kümmerte sich um ihre Kinder, führte den Haushalt und behandelte ihre Patienten. In Quedlinburg blieb sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1762 die angesehene Frau Pastorin. Zwei ihrer Söhne, Johann Christian Polykarp, ein berühmter Naturforscher, und Johann Heinrich, Professor für Recht, führten ihr Erbe weiter.

Nachwirkung

Am 20. April 1899 wurden Frauen im Deutschen Reich erstmals offiziell zu den Staatsprüfungen der Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie zugelassen (siehe auch Artikel Frauenstudium). An den Universitäten von Preußen wurden Medizinstudentinnen erstmals im Wintersemester 1908/1909 zugelassen.

Von 1960 bis zu ihrer Schließung 1991 trug die Medizinische Schule bzw. Medizinische Fachschule Quedlinburg den Namen „Dorothea Christiane Erxleben“. An dieser für die DDR einmaligen Einrichtung wurde medizinisches Personal aus sechzig Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ausgebildet bzw. qualifiziert. Eine Kaserne im Norden von Halle/Saale, in der nach 1990 das Sanitätsregiment 13 stationiert war, trug bis zur Auflösung der Garnison Halle im Sommer 2007 den Namen Dr.-Dorothea-Erxleben-Kaserne.

Heute sind das Dorothea-Erxleben-Programm des Landes Niedersachsen zur Qualifizierung für eine Professur an Universitäten und Fachhochschulen sowie das Klinikum Quedlinburg nach ihr benannt.[3]

Das Musiktheaterstück „Kein Ort. Erxleben“ von Katrin Schinköth-Haase ist eine künstlerische Würdigung ihres Lebens.[4]

Schriften

  • Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten, 1742 (Digitalisat auf Commons)
  • Quod nimis cita ac quounde curare saepius fiat causa minus tutae curationis, Dissertation 1754
  • Akademische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten, dt. Ausgabe der Dissertation, 1755 (Reprint: Verlag Janos Stekovics, Dößel 2004, ISBN 3-89923-056-6)

Literatur

  • Heinz Böhm: Dorothea Christiane Erxleben. Ihr Leben und Wirken. Zu ihrem 270. Geburtstag am 13. November 1985. Städtische Museen, Quedlinburg 1985.
  • Julia von Brencken: Doktorhut und Weibermütze. Dorothea Erxleben – die erste Ärztin. Biographischer Roman. Kaufmann, 1997, ISBN 3-7936-0306-7.
  • Eva Brinkschulte, Eva Labouvie (Hrsg.): Dorothea Christiana Erxleben: Weibliche Gelehrsamkeit und medizinische Profession seit dem 18. Jahrhundert. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2006, ISBN 3-89812-364-2 (Sammelband wissenschaftlicher Aufsätze).
  • Liselotte Buchheim: Erxleben, Dorothea. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, S. 637 f.
  • Renate Feyl: Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft. Berlin 1981, ISBN 3-462-02388-8 (Kiwi-Taschenbuch).
  • Holger Friedrich: Merkmale aufklärerischer Vernunft in der deutschen Medizin des 18. Jahrhunderts. Das Organismusmodell Stahls, die lateinische Dissertation Erxlebens und die Rede von Mederer und Wuthwehrs zur Integration der Chirurgie im Spiegel der historischen Diskursanalyse. Masterarbeit, Universität Düsseldorf, 2010 (bibliothek.uni-halle.de).
  • August Hirsch: Erxleben, Dorothea. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 6, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 334 f.
  • Emmy Kraetke-Rumpf: Die Ärztin aus Quedlinburg. Das Leben der Dorothea Christiane von Erxleben. 2003, ISBN 3-86122-006-7.
  • Kornelia Steffi Gabriele Markau: Dorothea Christiana Erxleben (1715–1762): Die erste promovierte Ärztin Deutschlands. Eine Analyse ihrer lateinischen Promotionsschrift sowie der ersten deutschen Übersetzung. Dissertation, Universität Halle-Wittenberg, 2006 (Volltext).
  • Eike Pies: Dorothea Christiane Erxleben geborene Leporin (1715–1762), die erste promovierte Ärztin in Deutschland. Dommershausen-Sprockhövel 2011, ISBN 978-3-928441-80-3.
  • Werner Quednau: Die Ärztin Dorothea Christiana. Biographischer Jugendroman. Mohn, Gütersloh 1960, 237 S.
  • Gisela Stockmann: Dorothea Erxleben. Doktorwürde. In: Gisela Stockmann (Hrsg.): Schritte aus dem Schatten. Frauen in Sachsen-Anhalt. Dingsda-Verlag, Querfurt 1993, ISBN 3-928498-12-6.

Weblinks

 Commons: Dorothea Erxleben – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
 Wikisource: Dorothea Erxleben – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Allgemeine Deutsche Biographie, S. 637 f. (siehe Literatur).
  2. Untersuchung warum Frauen nicht studieren. auf Commons
  3. mwk.niedersachsen.de
  4. keinorterxleben.de

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