Kastell Tolna

Kastell Tolna

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Kastell Tolna
Alternativname Alta Ripa
Limes Pannonischer Limes
Abschnitt 7
Datierung (Belegung) 1. Jh. n. Chr.
bis Ende des 4. /Anfang des 5. Jh.
Typ Reiterkastell
Einheit a) Ala Siliana civium Romanorum ?
b) Ala I Brittonum civium Romanorum
c) Cohors quingenaria Maurorum equitata
d) Equites Dalmatae
e) Cuneus equitum Stablesianorum
Größe unbekannt
Bauweise Stein
Erhaltungszustand spekulativer, archäologisch nicht nachgewiesener Kastellplatz
Ort Tolna
Vorhergehend Burgus Dunakömlőd (nordöstlich)
Anschließend Kastell Szekszárd (südwestlich)

Das Kastell Tolna, das auch unter dem antiken Namen Alta Ripa bekannt wurde, ist ein mutmaßliches, archäologisch nicht gesichertes römisches Militärlager, das als Reiterkastell einen Abschnitt des pannonischen Donaulimes gesichert haben soll. Der einstige Standort dieser Anlage wird in Tolna, einer südungarischen Stadt angenommen, die im gleichnamigen Komitat liegt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Tolna befindet sich an einem sehr tiefliegenden Uferstreifen. Die Donau hat in diesem Bereich ihren Lauf in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach stark geändert. Die Limesstraße umging diesen Ort, doch führte eine Abzweigung in die antike Ansiedlung.[1]

Name

Die Verbindung zwischen Tolna und dem aus antiken Schriften bekannten Alta Ripa wurde schon sehr früh hergestellt, weist doch schon der lateinische Name auf ein tiefliegendes Ufer hin. Als Parallele wurde das gleichnamige Alta Ripa (heute Altrip) am linksseitigen Rheinufer südlich von Ludwigshafen genannt. Aufgrund des nur relativ spärlichen Fundmaterials aus Tolna lässt sich eine Verbindung zum pannonischen Alta Ripa jedoch bis heute nicht zweifelsfrei nachweisen.[1]

Forschungs- und Baugeschichte

In der Wiener Ausgabe seiner Imago antiquae et novae Hungarie, die 1754 erschien, dokumentierte der damals bereits verstorbene ungarische Jesuit und Geschichtsgelehrte Samuel Timon (1675–1736) eine Volkssage aus Tolna, nach der einst in der Donau ein Tempel gestanden habe. Timon sah darin einen Hinweis auf die römische Vergangenheit des Ortes, glaubte aber noch, Tolna mit Lussonium identifizieren zu können. Heute wird dieser Kastellort mit dem etwas nördlicher gelegenen Dunakömlőd gleichgesetzt. Ergänzend erwähnte der ungarische Statistiker und Geograph Elek Fényes (1807–1876) zahlreiche Gebäudereste, die bei Niedrigwasser im Donaubett zu sehen waren, was der Archäologe Mór Wosinsky (1854–1907) anhand seiner Kindheitserinnerungen für den Nordostrand des damaligen Dorfes bestätigen konnte. Heute können diese Angaben nicht mehr überprüft werden. Aus der Umgebung von Tolna sind zwar Kleinfunde und Steindenkmäler bekannt, doch bei den antiken Bauten, speziell dem Kastell, muss davon ausgegangen werden, dass sie – falls sie existiert haben – von der Donau im Laufe der Jahrhunderte vollständig abgeschwemmt worden sind.[2]

Truppe

Ein Weihealtar für Hercules Augusti aus dem Umfeld von Tolna weist auf die Präsenz der römischen Armee hin. Dieser im 1. Jahrhundert entstandene Stein fand sich zwischen Tolna und dem nahen Mözs. Er nennt den Decurio Marcus Domitius Secundinus, der eine Schwadron der Ala Brittonum (Reitereinheit der Briten) führte.[3]

2001 stellte der Epigraphiker Barnabás Lőrincz seine Truppenaufstellung für Pannonien zusammen, die – im Fall von Tolna – 2004 durch Barbara Pferdehirt, Direktorin des Römisch-Germanisches Zentralmuseum in Mainz, korrigiert werden konnte. Zudem sind in die unten gezeigte Liste noch die beiden spätantiken Einheiten mit aufgenommen worden.

Zeitstellung Truppenname Bemerkung
83–118/119 n. Chr. Ala Siliana bis torquata bis armillata civium Romanorum Die Silianische Reitereinheit römischer Bürger stand unter Kaiser Nero (54–68) in der Provinz Africa proconsularis, nahm am Bürgerkrieg in Italien teil und kam anschließend um 70/71 an den Niederrhein, wo die Truppe bis kurz nach dem Jahr 80 in Worringen (Burungum) Dienst tat. Anschließend löste sie dort die aus Britannien kommende Ala Indiana Gallorum ab. Die Ala Siliana wurde nach Pannonien versetzt.[4] Hier nennt sie ein Militärdiplom für den 3. September 84.[5] Später wurde die Truppe – ohne ihren Heeresverband zu verlassen – in den Dakerkriegen des Kaisers Trajan (98–117) eingesetzt[6] und im dakischen Gela stationiert. Die Auszeichnungen bis torquata und bis armillata erhielt die Einheit höchstwahrscheinlich während dieser Dakerkriege.[7]
118/119–123 n. Chr. Ala I Brittonum civium Romanorum Die von Barnabás Lőrincz bis 180 in Tolna vermutete 1. Reitereinheit der Briten römischen Bürgerechts kann nach einem 2004 neu entdeckten Militärdiplom nur bis 123 an diesem Standort gewesen sein, da die Truppe kurz nach dem 14. April 123 in die Provinz Dacia Porolissensis verlegt wurde, wo sie auch für den 10. August 123 belegt ist.[8]
ab 180 n. Chr. Cohors quingenaria Maurorum equitata Die Teilberittene Kohorte der Mauren wurde im Jahr 171 zeitgleich mit der Cohors milliaria Maurorum equitata (Teilberittene Doppelkohorte der Mauren) in Oberpannonien aufgestellt und nach den Markomannen- und Sarmatenkriegen nach Niederpannonien versetzt.[9] In Györköny, rund 25 Kilometer nordwestlich von Tolna, fand sich die Grabstele eines Veteranen der Cohors quingenaria Maurorum equitata aus der Zeit um 200.[10]
4. Jahrhundert Equites Dalmatae Nach dem spätantiken Staatshandbuch Notitia Dignitatum waren die Dalmatinischen Reiter im 4. Jahrhundert in Alta Ripa stationiert.[2]
4. Jahrhundert Cuneus equitum Stablesianorum Diese Kavallerieeinheit löste die Dalmatiner laut Notitia Dignitatum ab und kam dann in die bis heute unbekannte Garnison Conradeuha.[11]

Fundverbleib

Die meisten Funde sind heute in Szekszárd im Wosinsky Mór Múzeum zu sehen.

Limesverlauf zwischen dem Kastell Tolna bis zum Kastell Szekszárd

Spuren der militärischen Bauwerke entlang der Limestraße und der Donau.

Strecke[A 1] Name/Ort Beschreibung/Zustand
7 Mözs Südlich von Tolna verlief die Limesstraße in südwestliche Richtung. Bei Mözs wurde im 19. Jahrhundert ein Meilenstein entdeckt, der eine Entfernung von XCVII milia passuum von Aquincum aus angab. In der Nähe des Bahnhofs von Mözs wurde während eines archäologischen Luftbildfluges ein bisher nicht näher erforschter Wachturm lokalisiert.[2]
7 Szekszárd Das Kastell von Szekszárd wird nur vermutet. Archäologische Beweise liegen bis heute nicht vor.


Denkmalschutz

Die Denkmäler Ungarns sind nach dem Gesetz Nr. LXIV aus dem Jahr 2001 durch den Eintrag in das Denkmalregister unter Schutz gestellt. Zuständig ist das Staatliche Amt für das Kulturelle Erbe (Kulturális Örökségvédelmi Hivatal; KÖH) in Budapest. Die römischen Fundstellen aus Tolna und Umgebung gehören als archäologische Fundstätten nach § 3.1 zum national wertvollen Kulturgut. Alle Funde sind nach § 2.1 Staatseigentum, egal an welcher Stelle der Fundort liegt. Verstöße gegen die Ausfuhrregelungen gelten als Straftat bzw. Verbrechen und werden mit Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren bestraft.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Jenő Fitz: Der Römische Limes in Ungarn. Fejér Megyei Múzeumok Igazgatósága, 1976.
  • Zsolt Visy: Der pannonische Limes in Ungarn. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3806204888.

Einzelnachweise

  1. a b Zsolt Visy: Der pannonische Limes in Ungarn. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3806204888, S. 116.
  2. a b c Zsolt Visy: Der pannonische Limes in Ungarn. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, ISBN 3806204888, S. 117.
  3. CIL 3, 3305.
  4. D. Isac: Die Ala Siliana c. R. Torquata et Armillata in Dakien. In: Acta archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae. Band 35, 1983, S. 192.
  5. CIL 16, 30.
  6. Karl Strobel: Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans. Verlag Rudolf Habelt, Bonn 1984. ISBN 3774920214. S. 83.
  7. Barbara Pferdehirt: Die Rolle des Militärs für den sozialen Aufstieg in der römischen Kaiserzeit. Verlag Rudolf Habelt, Bonn 2002. ISBN 3884670697. S. 23.
  8. Barbara Pferdehirt: Römische Militärdiplome und Entlassungsurkunden in der Sammlung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Band 1. Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz 2004, ISBN 3884670867, S. 68.
  9. Barnabás Lőrincz: Die römischen Hilfstruppen in Pannonien während der Prinzipatszeit. Teil I: Die Inschriften. Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie, Wien 2001, ISBN 3-902086-02-5, S. 39.
  10. Alice Sz. Burger, Ferenc Fülep: Gebiet zwischen der Drau und der Limesstrecke Lussonium–Altinum. In: Die römischen Inschriften Ungarns (RIU). Bd. 4. Akadémiai Kiadó, Budapest 1984, ISBN 963-05-3254-9, S. 14.
  11. Notitia Dignitatum Occ. XXXIII 27.
  12. Siehe hierzu: Kulturális Örökségvédelmi Hivatal.

Anmerkungen

  1. Strecke = Nummerierung folgt Zsolt Visy: Der pannonische Limes in Ungarn (Theiss 1988) sowie Zsolt Visy: The ripa Pannonica in Hungary (Akadémiai Kiadó 2003).

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