Verminderte Erwerbsfähigkeit

Verminderte Erwerbsfähigkeit

Verminderte Erwerbsfähigkeit resultiert aus einem krankheits- bzw. behinderungsbedingten Zustand physischer oder psychischer Schwäche, der die Fähigkeit eines Menschen vereitelt oder einschränkt, seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu verdienen. Im Gegensatz zum Grad einer Behinderung bezieht sie sich ausschließlich auf die Leistungsfähigkeit im Berufsleben und nicht auf andere Lebensbereiche.

Inhaltsverzeichnis

Österreich

Der Sachverhalt in Österreich wird im Artikel Invaliditätspension beschrieben.

Deutschland

In Deutschland spielt dieser Begriff vor allem für eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rolle. Seit 1. Januar 2005 ist die Erwerbsfähigkeit auch ein Kriterium dafür, ob man Ansprüche nach dem SGB-II (Arbeitslosengeld II) oder nach dem Sozialhilferecht (SGB-XII) (hier Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt) hat, sofern man seinen Lebensunterhalt nicht selbst sicherstellen kann.

Rechtslage vor 2001

Bis zum 31. Dezember 2000 war eine Person erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) überstieg. Erwerbsunfähig war nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübte oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben konnte. Dabei war die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.[1]

Berufsunfähig waren Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken war (§ 43 Abs 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung). Der Versicherte durfte demnach nicht mehr im Stande sein, die erlernte oder die zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübte Berufstätigkeit oder aber eine zumutbare Verweisungstätigkeit auszuüben. Die Berufsunfähigkeitsrente betrug 2/3 der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Rechtslage seit 2001

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zum 1. Januar 2001 (BGBl. I S. 1827 vom 20. Dezember 2000) wurde die gesetzliche Vorschrift, die einen Anspruch regelt, neu gefasst. Erwerbsgemindert sind Personen, die keine sechs Stunden mehr am Tag arbeiten können. Es werden zwei Arten von Renten unterschieden:[2]

  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Eine teilweise Erwerbsminderung liegt vor, wenn der Antragsteller auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - unabhängig vom erlernten Beruf - nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich tätig sein kann.[3]
  • Rente wegen voller Erwerbsminderung – Volle Erwerbsminderung ist dann gegeben, wenn die Erwerbsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt weniger als drei Stunden täglich verrichtet werden können.[3] Unabhängig von dieser quantitativen Grenze können aber auch bestimmte qualitative Einschränkungen zur vollen Erwerbsminderung führen, selbst dann, wenn bei Beachtung dieser Einschränkungen noch ein über drei- oder gar über sechsstündiges Leistungsvermögen vorliegt. Zu solchen Einschränkungen gehören z.B. die sogenannte Wegefähigkeit, also die Fähigkeit, einen Arbeitsplatz überhaupt erreichen zu können, oder die Summe vieler, ungewöhnlicher Einschränkungen, wie auch die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen; kann die Erwerbstätigkeit nicht mehr regelmäßig ausgeübt werden, so liegt ebenfalls (volle) Erwerbsminderung vor.

Arbeitsmarktrenten

Bei Vorliegen einer teilweisen Erwerbsminderung kann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als sogenannte Arbeitsmarktrente gewährt werden, wenn der (Teilzeit-)Arbeitsmarkt als verschlossen gilt. Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte keinen seinem Leistungsvermögen entsprechenden (Teilzeit-)Arbeitsplatz innehat oder ihm kein solcher angeboten werden kann.

Zeitrente / Rente auf Dauer

Die Zeitrente ist vom Gesetzgeber als Normalfall vorgesehen. Nur wenn eine Besserung unwahrscheinlich ist, kann die Rente auf Dauer gewährt werden.

Voraussetzung

Die Wartezeit (d. h. die Anzahl an Monaten, die mindestens erforderlich ist) für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beträgt fünf Jahre Versicherungszeit (Beitrags- und Ersatzzeiten).

Als weitere versicherungsrechtliche Anspruchsvoraussetzung existiert die "3/5- Belegung", d. h. das Vorliegen von mindestens 36 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen im Zeitraum von 60 Kalendermonaten vor dem Eintritt der Erwerbsminderung. Der 5-Jahreszeitraum verlängert sich durch rentenrechtliche Zeiten u. a. Anrechnungszeiten usw. Teilbelegte Monate zählen hierbei als vollwertig (Monatsprinzip).

Für Auszubildende (während der Ausbildung und bis zu sechs Jahre nach Beendigung der Ausbildung) oder bei Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit gelten Sonderregelungen, sodass u. U. schon mit dem Eintritt in die Versicherung vom ersten Tag an Versicherungsschutz besteht.[4]

Alternativ zu der "3 in 5"-Belegung können die wartezeitrechtlichen Voraussetzungen auch dann erfüllt werden, wenn der Versicherte bereits vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte und der Versicherungsverlauf seitdem bis zum Eintritt des Leistungsfalles lückenlos ist.

Abstrakte Verweisung

Kann irgendeine Arbeit mindestens sechs Stunden täglich durchgeführt werden, so liegt keine Erwerbsminderung vor. Jede Verweisung ist möglich, ein sozialer Abstieg ist irrelevant. Vom Rentenversicherungsträger muss keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden, es reicht aus wenn dargestellt wird unter welchen Voraussetzungen eine Beschäftigung möglich wäre (z. B. leichte Arbeit, im Sitzen, ohne Lärm). Eine konkrete Verweisungstätigkeit muss nur benannt werden, wenn außergewöhnliche Einschränkungen vorliegen.

Beispiel: Ein leitender Angestellter, Geburtsjahrgang 1962 oder jünger, kann noch als Verpacker sechs Stunden täglich arbeiten. Er ist in keiner Weise erwerbsgemindert. Er hat keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.

Eine Sonderregelung gilt für vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte.[5]. Diese genießen auf Grundlage ihrer beruflichen Qualifikation Berufsschutz und erhalten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, d. h. die Hälfte des Betrags der Rente wegen vollen Erwerbsminderung.

Feststellung der Rest-Erwerbsfähigkeit

Die Resterwerbsfähigkeit wird oft durch die beim Rentenversicherungsträger angestellten Ärzte beurteilt, bei Bedarf mit Unterstützung durch externe ärztliche Gutachter. Dabei wird der Gutachter im Rentenantrags- und im Widerspruchsverfahren vom jeweiligen Versicherungsträger bezahlt. Die Beurteilung der Resterwerbsfähigkeit muss nach dem Willen des Gesetzgebers vollständig, umfassend und unter Beachtung der Wechselwirkungen der verschiedenen Krankheiten geschehen. Insbesondere bei seltenen Krankheiten und bei Krankheiten, bei denen man z.B. mit Röntgenuntersuchungen, Labormessungen usw. nur wenig oder nichts objektivieren kann, ist die Beurteilung schwierig.

Rechtsweg

Sofern das Widerspruchsverfahren nicht im Sinne des Versicherten verläuft, steht der Rechtsweg offen. Zuständig ist das dem Wohnsitz des Antragstellers zugeordnete Sozialgericht.

Auszahlung

  • Bei zeitlich unbefristeter Bewilligung wird die Rente mit dem auf den Eintritt der Erwerbsminderung folgenden Monat gezahlt, jedoch maximal drei Monate rückwirkend.
  • Bei zeitlich befristeter Bewilligung wird die Rente ab Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.[6]

Hinzuverdienst

Wenn ein Versicherter neben dem Rentenbezug zusätzlich eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmte Lohnersatzleistungen erhält, werden diese teilweise bis vollständig auf die Rente angerechnet.[7] Leistungen aus einer zusätzlich abgeschlossenen privaten Berufsunfähigkeitsversicherung oder Vermögenseinkommen stellen im Leistungsfall keinen Hinzuverdienst dar und haben somit keinerlei Einfluss auf die Leistungen des gesetzlichen Rententrägers.Quelle?

  • Es erfolgt keinerlei Rentenabzug,
    • bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung und einem Hinzuverdienst bis 400 Euro.[7]
    • bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe und einem Hinzuverdienst bis zum 0,23fachen der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, wobei mindestens 1,5 Punkte angesetzt werden.[7] Im Jahr 2011 ist in jedem Fall ein Hinzuverdienst in Westdeutschland von bis zu 881 Euro und in Ostdeutschland von 772 Euro ohne Abzüge möglich. Die Hinzuverdienstgrenze liegt damit ungefähr bei 68% des Durchschnittseinkommens der letzten drei Jahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung.
  • Die Rentenzahlungen werden eingestellt, wenn der Hinzuverdienst das 0,28fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, wobei mindestens 1,5 Punkte angesetzt werden, übersteigt. Im Jahr 2011 erfolgt eine Einstellung also frühestens bei einem Hinzuverdienst von 1073 Euro und in Ostdeutschland von 940 Euro

Statistische Angaben

Im Jahr 2008 bezogen etwa 1,6 Millionen Menschen Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 92% davon die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der durchschnittliche Zahlbeitrag nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung lag bei 697 Euro.[8]

Höhe

Die volle Erwerbsminderungsrente hat den Rentenartfaktor 1, die teilweise Erwerbsminderungsrente den Rentenartfaktor 0,5.

Zugrunde gelegt werden die erreichten Entgeltpunkte ebenso wie bei den anderen Rentenarten. Falls die Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahr eintritt, so wird die Zeit bis dahin als Zurechnungszeit behandelt.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der mit Vollendung des 17. Lebensjahres jedes Jahr durchschnittlich verdient, also im Jahr 2011 2555 Euro brutto monatlich, erhält für jedes gearbeitete Jahr einen Entgeltpunkt, für die noch nicht durchlebten Jahre bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres werden ihm entsprechend seinem bisherigen Durchschnitt, jeweils ein Entgeltpunkt hinzugerechnet. Er kommt somit auf 43 Entgeltpunkte. Für jeden Monat, den der Rentenbeginn vor Vollendung des 63. Lebensjahres liegt, wird der Zugangsfaktor reduziert, maximal um 0,108. Die monatliche Rente beträgt bei voller Erwerbsminderungsrente in Westdeutschland im Durchschnitt 1043 Euro.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. § 44 Absatz 2 SGB VI i. d. F. bis 31. Dezember 2000
  2. Voraussetzungen und Anspruch d. Erwerbsminderungsrente
  3. a b § 43 SGB VI
  4. § 53 SGB VI
  5. § 240 SGB VI
  6. § 101 Absatz 1 SGB VI
  7. a b c § 96a Absatz 2 SGB VI
  8. Renten der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente

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