Ulrich Mühe

Ulrich Mühe
Ulrich Mühe (2005)

Friedrich Hans Ulrich Mühe (* 20. Juni 1953 in Grimma; † 22. Juli 2007 in Walbeck), war ein deutscher Film- und Theaterschauspieler. Sein größter Erfolg war die Hauptrolle in dem Kinofilm Das Leben der Anderen, der 2007 den Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film erhielt.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Ausbildung

Ulrich Mühe war der Sohn eines Kürschnermeisters und wuchs zusammen mit seinem Bruder Andreas auf, der später die Werkstatt des Vaters fortführte.[1] Nach dem Schulabschluss durchlief er eine Berufsausbildung mit Abitur als Baufacharbeiter. Seinen anschließenden Wehrdienst, den er wegen eines Magengeschwürs vorzeitig beenden musste, leistete er bei den Grenztruppen der DDR an der Berliner Mauer ab. Von 1975 bis 1979 studierte er Schauspiel an der Theaterhochschule „Hans Otto“ Leipzig.

Als Theaterschauspieler

Ulrich Mühe mit Inge Keller (l.) und Simone von Zglinicki (r.) bei einer Aufführung von Ibsens Gespenster, 18. November 1983

Nach dem Studium wurde Ulrich Mühe an das Städtische Theater Karl-Marx-Stadt engagiert, bevor ihn Heiner Müller 1982 nach Berlin holte, und zwar zunächst als Gast an die Volksbühne Berlin. 1983 wurde Mühe Ensemblemitglied am Deutschen Theater, wo er in Rollen wie dem Egmont (1986), Lessings Philotas und dem Patriarchen in Nathan der Weise (1988) überzeugte und zum Star des Ensembles aufstieg. Hervorzuheben ist Mühes Arbeit in der Titelrolle in Hamlet und in Die Hamletmaschine in einer Inszenierung von Heiner Müller aus dem Jahre 1989.

Nach der Wende hatte er wechselnde Theaterengagements, unter anderem am Burgtheater unter Claus Peymann (Clavigo von Goethe mit Andrea Clausen und Paulus Manker sowie Peer Gynt) und 1990 bei den Salzburger Festspielen als König Alphons in Die Jüdin von Toledo (mit Susanne Lothar). Seit Ende der 1990er Jahre widmete er sich wieder verstärkt der Bühne und spielte beispielsweise 1999 an den Hamburger Kammerspielen in Sarah Kanes Gesäubert (Regie: Peter Zadek) und an der Wiener Burg den Henri in Yasmina Rezas Drei Mal Leben (Regie: Luc Bondy). Außer in weiteren außergewöhnlichen Bühnenproduktionen wie beispielsweise Wittgenstein Incorporated (Wiener Festwochen, 2003) und Sarah Kanes Zerbombt (Berlin, 2005) konnte man Mühe auf vielen Literaturlesungen und -veranstaltungen sehen.

Ulrich Mühe war Mitglied der Abteilung Darstellende Kunst der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Als Filmschauspieler

Von 1983 an wirkte Mühe in verschiedenen Kino- und Fernsehfilmen mit. Als Leutnant Lohse, der Hauptrolle in Das Spinnennetz von Bernhard Wicki von 1989, brillierte er neben Klaus Maria Brandauer und erlangte damit erstmals auch im Westen größere Bekanntheit; seine Berühmtheit in Gesamtdeutschland baute er besonders 1992 mit seiner Rolle in der oscarnominierten Satire Schtonk! über die gefälschten Hitler-Tagebücher aus.

Neben seiner Ehefrau Susanne Lothar spielte Mühe auch in den Filmen Benny’s Video (1992), Das Schloss (1996 – Verfilmung des gleichnamigen Franz-Kafka-Romans) und Funny Games (1997) des österreichischen Regisseurs Michael Haneke.

2000 gab er in der TV-Verwechslungskomödie Goebbels und Geduldig in einer Doppelrolle die wohl anatomisch authentischste Verkörperung des Propagandaministers in der Filmgeschichte. 2002 verkörperte er in dem mehrfach ausgezeichneten Drama Der Stellvertreter nach dem gleichnamigen Theaterstück von Rolf Hochhuth einen hochrangigen SS-Mann, der mit Begeisterung seine Aufgabe bei der Judenvernichtung erfüllt.

2004 stellte Mühe den Stasihauptmann Gerd Wiesler in Florian Henckel von Donnersmarcks Kinofilm Das Leben der Anderen dar, der im März 2006 in die deutschen Kinos kam und 2007 den Oscar als bester fremdsprachiger Film erhielt. Ulrich Mühe wurde für diese Rolle mit dem Deutschen Filmpreis 2006 als bester Hauptdarsteller und dem Europäischen Filmpreis 2006 als bester Darsteller sowie mit der Goldenen Henne ausgezeichnet.

Darüber hinaus spielte Mühe seit 1998 im Fernsehen den Gerichtsmediziner Dr. Robert Kolmaar in der ZDF-Krimiserie Der letzte Zeuge. Sein letzter Kinofilm war 2010 Nemesis, in dem er zusammen mit Susanne Lothar die Hauptrolle spielt. Der Film konnte aufgrund eines Rechtsstreits erst drei Jahre nach seinem Tod gezeigt werden.

Privatleben

Grab von Ulrich Mühe in Walbeck

Mühe heiratete in erster Ehe die Dramaturgin Annegret Hahn, mit der er zwei Söhne hatte: [1] Andreas Mühe (* 1979) ist Fotograf, [2] Konrad Mühe (* 1982) studiert Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin [3], sein Kurzfilm Fragen an meinen Vater erhielt bei der Berlinale 2011 eine Lobende Erwähnung der Jury. [4] In zweiter Ehe war Mühe von 1984 bis 1990 mit der Schauspielerin Jenny Gröllmann verheiratet, die er bei den Dreharbeiten zu Die Poggenpuhls kennengelernt hatte. Aus dieser Ehe ging eine Tochter, die Schauspielerin Anna Maria Mühe, hervor.

Bei einem Engagement 1990 am Theater in Zürich verliebte er sich in die Schauspielerin Susanne Lothar, die er bald darauf heiratete und mit der er bis zu seinem Tod zusammen war.[1] Er lebte mit ihr und den beiden gemeinsamen Kindern zunächst in Hamburg und ab 1999 in Berlin.

Kurz nach der Oscar-Verleihung im März 2007 wurde Mühe wegen eines Magenkarzinoms operiert.[5] Er erlag am 22. Juli in seinem Sommerhaus in Walbeck nahe der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze seiner Krankheit und wurde dort am 25. Juli 2007 beigesetzt.

Sonstiges

Politisches Engagement

Johanna Schall und Ulrich Mühe sprechen bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989

In der Wendezeit engagierte sich Mühe bei öffentlichen Diskussionen in der DDR und war einer der Initiatoren der Demonstration vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz. Er las öffentlich im damals von Dieter Mann geführten Deutschen Theater in Ost-Berlin aus Walter Jankas Buch Schwierigkeiten mit der Wahrheit, noch bevor dieses in der DDR erscheinen durfte.

Dokumentationen

Der Regisseur Christoph Rüter dokumentierte 1989–1991 die Probenarbeiten zu Heiner Müllers Inszenierung Hamlet/Maschine am Deutschen Theater in Ost-Berlin, in der Ulrich Mühe die Hauptrolle spielt: The Time is out of Joint/Die Zeit ist aus den Fugen (100 Min., WDR). Gleichzeitig zeigt der Film das Verschwinden der DDR. Ein weiterer Dokumentarfilm von Rüter, Jetzt bin ich allein, entstand nach dem Tod von Ulrich Mühe und wurde in zeitlicher Nähe zu seinem 1. Todestag erstmals am 26. Juli 2008 auf 3sat ausgestrahlt.[6] Nach Mühes Tod drehte sein Sohn Konrad den Kurzfilm Fragen an meinen Vater (2011).[7]

Auseinandersetzung mit Jenny Gröllmann

Im Jahr 2006 äußerte sich Ulrich Mühe in einem Interview mit Florian Henckel von Donnersmarck und Christoph Hochhäusler für das im Suhrkamp Verlag erschienene Filmbuch Das Leben der Anderen über vermeintliche informelle Kontakte seiner zweiten Ehefrau Jenny Gröllmann mit der HA II/13 des MfS. Gröllmann erwirkte daraufhin vor dem Landgericht Berlin einstweilige Verfügungen gegen den Verlag des Buches und gegen Mühe selbst. Sie erklärte eidesstattlich, sie habe nie „wissentlich“ mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet. Das Gericht gab dem Antrag Gröllmanns statt und untersagte die weitere Verbreitung des Buches.[8] Den Widerspruch Mühes wies das Gericht ab und untersagte ihm, Jenny Gröllmann weiterhin als Inoffizielle Mitarbeiterin zu bezeichnen, da die Unterlagen des MfS zwar „Verdachtsmomente“, jedoch keine Tatsachen liefern würden.[9] [10]

Im Audiokommentar des Films Das Leben der Anderen weist der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck darauf hin, dass die Birthler-Behörde Ulrich Mühe die IM-Tätigkeit von Jenny Gröllmann bestätigt habe, er sie aber nicht als solche bezeichnen dürfe, genauso wenig wie Bärbel Bohley, die eine ebensolche Tätigkeit ihres Anwalts Gregor Gysi zwar bestätigen könne, eine Bezeichnung Gregor Gysis als „IM-Notar“ jedoch unter Strafe verboten sei. Die verantwortliche Vertriebsfirma der DVD verpflichtete sich im Dezember 2006 schriftlich, diese Passagen zukünftig nicht mehr zu verbreiten.[11]

Filmografie

Theaterengagements

Wichtige Theaterrollen

Hörbücher/Hörspiele

Auszeichnungen

Quellen

  1. a b c Berliner Zeitung: Zerbrochen
  2. rbb-online: „Im Portrait: Der Fotograf Andreas Mühe“. 21. Januar 2010, abgerufen am 29. Januar 2010.
  3. Universität der Künste Berlin
  4. Berlinale: Preise der Internationalen Kurzfilmjury [1]
  5. Welt Online: „Ja, ich habe Krebs“. 21. Juli 2007
  6. Tagesspiegel: „Pathos, messerscharf“, 26. Juli 2008
  7. Fragen an meinen Vater, Berlinale Shorts, Berlinale 2001
  8. Spiegel Online: „Das Leben der Anderen: Gericht stoppt Suhrkamp-Buch“. 13. April 2006
  9. Spiegel Online: „Mühe-Prozess: Gröllmann darf nicht IM genannt werden“. 4. Juli 2006
  10. Stern Online: „Jenny Gröllmann: ‚Ich muss das zu Ende bringen – meinetwegen bis zum Tod‘“. 19. Juli 2006
  11. Schriftliche Unterlassungserklärungen der Rechtsvertreter der Buena Vista Home Entertainment gegenüber den Rechtsvertretern der betroffenen Personen vom Dezember 2006
  12. Insbesondere im englischen Sprachraum. Der Punkt ist Bestandteil des Namens. Als Quelle siehe die Seite in der Internet Movie Database
  13. Nemesis auf Limagofilm.com

Weblinks

 Commons: Ulrich Mühe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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