OHC-Ventilsteuerung

OHC-Ventilsteuerung
Schnitt durch einen Zylinderkopf, oben die beiden oben liegenden Nockenwellen (DOHC)
Direkt arbeitende OHC-Nockenwelle, links Auslass-, rechts Einlassventil
Motor einer Einzylinder-Norton International 500 cm³ mit oben liegender Nockenwelle, Königswellen-Antrieb

Die OHC-Ventilsteuerung bezeichnet eine Bauform des Hubkolben-Viertaktmotors, bei der die Ventilsteuerung durch eine oben liegende Nockenwelle (englisch: Overhead Camshaft) erfolgt; dabei wird je Zylinderreihe (bei V-, Boxer- und prinzipiell auch bei Sternmotoren) gezählt.

Kennzeichnendes Merkmal des OHC-Motors ist die Lage der Nocken, die oberhalb der Trennlinie Zylinder - Zylinderkopf liegen müssen; bei Boxermotoren, sonstigen Motoren mit mehreren Zylinderreihen und hängend eingebauten Reihenmotoren ist mit "oberhalb" gemeint: auf der dem Verbrennungsraum zugewandten Seite der Trennlinie; oben liegende Nockenwellen liegen also bei hängend eingebauten Flugmotoren tatsächlich unterhalb der Verbrennungsräume. Die Ventile können dabei von den Nocken direkt über Tassenstößel, indirekt über Kipp- oder Schlepphebel gesteuert werden.

Inhaltsverzeichnis

Varianten und Abkürzungen

DOHC bezeichnet eine Bauform, bei der die Ventile von zwei oben liegenden Nockenwellen (englisch: Double Overhead Camshaft, auch Twin cam) je Zylinderreihe gesteuert werden. (DOHC-V- und -Boxermotoren haben also vier Nockenwellen.) Die Ventile von DOHC-Motoren werden fast immer direkt über Tassenstößel oder Schlepphebel gesteuert.

SOHC (englisch: Single Overhead Camshaft) bezeichnet zwei verschiedene Bauformen beim Viertaktmotor. Zum einen wird so gelegentlich die klassische OHC-Steuerung des Zweiventilmotors genannt, bei der eine einzelne Nockenwelle direkt über den in einer Linie angeordneten Ventilen angeordnet ist. Gebräuchlicher ist die Bezeichnung SOHC jedoch bei Motoren mit drei oder vier Ventilen je Zylinder, bei der die Ventile, anders als beim DOHC-Motor, von nur einer zentralen oben liegenden Nockenwelle je Zylinderbank gesteuert werden. Die Nockenwelle ist platzsparend zwischen den V-förmig angeordneten Ein- und Auslassventilen verbaut, die Betätigung der Ventile erfolgt in der Regel über (Rollen-)Kipphebel. Der Zylinderkopf eines SOHC-Motors baut dadurch deutlich kompakter als der eines DOHC-Motors. Beispiele für Vierventil-SOHC-Motoren sind die Husaberg FE 570 und der Chrysler Neon, Dreiventil-SOHC-Motoren findet man in der Honda NTV und diversen Mitsubishi Colt.

OHC-Motoren, deren Nockenwelle seitlich oben im Zylinderkopf liegt, nennt man speziell CIH-Motoren (Camshaft In Head). Diese Bauform mit herkömmlichen (Hydro-)Stößeln findet man z. B. bei Vier- und Sechszylindermotoren der Marke Opel, die von 1965 bis Anfang der 1990er hergestellt wurden.. Diese Motoren sind jedoch nicht so drehzahlfest wie übliche OHC-Motoren. Sie haben Kipphebel und Stößel, aber keine Stoßstangen. Bei CIH-Motoren stehen alle Ventile in einer Reihe.

Eine ganz ähnliche Lösung, jedoch mit V-förmig hängenden Einlass- und Auslassventilen - diese Anordnung ermöglicht einen halbkugelförmigen Brennraum - nennt Ford CVH-Motor (Camshaft in head, "V" valve angle, hemispharic combustion chamber = Nockenwelle im (Zylinder-)Kopf, V-förmig angeordnete Ventile, hemisphärischer Brennraum), der in Europa von 1,1 bis 1,8 Litern Hubraum und mit ca. 50 bis 132 PS Nennleistung von 1980 bis ca. 2000 angeboten wurde. Bei diesem OHC-Motor sitzt die über einen Zahnriemen angetriebene Nockenwelle mittig über der Kurbelwelle in einem Leichtmetall-Zylinderkopf zwischen den Ventilen. Diese werden über hydraulische Ventilstößel (beim RS1600i mechanisch, beim Sierra 1.8 Rollenstößel) und Kipphebel angetrieben. Die kompaktere Bauweise - wie auch bei CIH - gegenüber den klassischen OHC-Motoren war ein Vorteil, die bauartbedingte Höchstdrehzahl von ca. 8000/min ein Nachteil. Ähnliche Konstruktionen gab es in den sechziger Jahren bei BMW und NSU und später bei Peugeot.

Alle diese Viertakt-Hubkolbenmotoren sind zugleich OHV-Motoren, da ihre Ventile - unabhängig von der Lage der Nockenwelle(n) - im Zylinderkopf "hängend" angeordnet sind. OHV-Motoren werden jedoch, um eine klare Unterscheidung der Ventilsteuerungen zu gewährleisten, nur dann so genannt, wenn sie keine oben liegenden Nockenwellen haben.

SV-Motoren haben "stehende" Ventile und keine oben liegende Nockenwelle.

Koaxial zur Kurbelwelle ist üblicherweise die Nockenwelle eines Sternmotors angeordnet; wegen der kurzen Bauweise mit großem Durchmesser wird sie hier als Nockentrommel oder -ring oder -scheibe bezeichnet. Wegen der koaxialen Anordnung spricht man bei Sternmotoren nicht von obenliegenden Nockenwellen, allerdings können sich die Steuernocken - je nach Durchmesser der Nockentrommel - unterschiedlich nahe bei den Ventilen befinden. Grundsätzlich können auch bei Sternmotoren Nockenwellen in den Zylinderköpfen angeordnet werden.

Grundsätzlich sind auch Ventilsteuerungen ohne Nockenwellen (z. B. über eine Pneumatik) und sogar die ventillose Steuerung der Gaswechselvorgänge beim Viertaktmotor durch Schiebersteuerungen möglich.

Antrieb

Oben liegende Nockenwellen werden in der Regel mit einem Zahnriemen oder einer Steuerkette angetrieben. Königswellen, Stirnradkaskaden oder Schubstangenpaare (Albert Roders ULTRAMAX-Steuerung) findet man nur vereinzelt bei historischen Motoren. Eine Kombination aus Stirnrad- und Kettenantrieb stellt der sog. Weller-Trieb des Engländers John Weller dar (* 1877; † 1966; zugleich Mitbegründer des englischen Automobilherstellers AC Cars Ltd.). Ein Stirnradpaar reduziert dabei die Kurbelwellendrehzahl auf die Hälfte, von dort treibt eine Kette im Übersetzungsverhältnis 1 : 1 die obenliegende(n) Nockenwelle(n) an. Dieser Antrieb wurde 1927 von der englischen Motorradfabrik A.J.S. zwecks Abkehr vom Königswellentrieb eingeführt. John Weller hat sehr viele Detailverbesserungen an Spann- und Führungseinrichtungen für Kettenantriebe eingeführt.

Im Vergleich zu Ketten sind Zahnriemen billiger, benötigen keine Schmierung (und somit keine öldichte Kapsel) und laufen leise. Als erster Anwender des Steuerzahnriemens gilt der Dingolfinger Landmaschinen- und Automobilhersteller Hans Glas. Nachteil ist die notwendige exakte Spannung des Riemens und die Gefahr, dass dieser bei falscher Spannung oder Materialermüdung reißen kann, was meist einen kapitalen Motorschaden bewirkt. Regelmäßige Kontrolle und rechtzeitiger Austausch sind folglich nötig.

Geschichte

Einfache und doppelte obenliegende Nockenwellen sind bei Hochleistungsmotoren seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt. Einer der wohl ersten Motoren mit obenliegender Nockenwelle kam bereits 1909 im von der Firma Deutz produzierten Prinz Heinrich Typ 9C zum Einsatz. Ein weiteres frühes Beispiel für einen derartigen Motor wurde 1913 bei Alfa Romeo entwickelt und kam im Grand Prix Modell des italienischen Automobilproduzenten für 1914 erstmals zum Einsatz. Ebenfalls in das Jahr 1914 fällt die Entwicklung der ersten Flugzeugmotors mit obenliegender Nockenwelle durch das Unternehmen Hispano-Suiza. In der Großserienherstellung spielte diese Bauweise jedoch vor dem Zweiten Weltkrieg kaum eine Rolle. Weil sie leichter zu warten waren und als zuverlässiger galten, wurden stattdessen SV-Motoren verwendet. Bei diesen verursachte ein abreißendes Ventil oder Ausfall des Nockenwellen-Antriebes keine teuren Folgeschäden. Zudem waren die damals üblichen Königswellen mit zwei Kegelradpaaren weit aufwändiger herzustellen als Stirnräder oder kurze Steuerketten. Die Schwingungsdämpfer für lange Steuerketten oder die Zahnriemen heutiger Motoren waren damals noch nicht erfunden oder serienreif.

Eine Art Vorreiter im Bezug auf die Entwicklung von Motoren mit obenliegender Nockenwelle stellt die Firma Alfa Romeo dar, die ab dem im Jahr 1922 erstmals angebotenen Modell RL Normale fast alle ihre Fahrzeuge mit Motoren dieser Bauweise ausstattete. Insgesamt gesehen gab es aber bis in die 1940er Jahre serienmäßig nur wenige Motoren mit obenliegenden Nockenwellen, darunter neben dern Alfa Romeos jener Zeit etwa den Jaguar XK-DOHC-Motor in Sportwagen und Limousinen, die Achtzylinder von Tatra und den Motor des Crosley CC mit einer königswellengetriebenen Nockenwelle. Erst gegen Ende der 1950er wurden OHC-Motoren bei Pkws populär. Pioniere waren neben Alfa Romeo (DOHC), BMW (OHC mit Kipphebeln), Lloyd bei den Alexander-Modellen und NSU, die auf den Nockenwellenantrieb mit einer Kette setzten. Eine Ausnahme bei NSU ist die Ultramax-Steuerung einiger Motorradmodelle und der Zweizylinder-Motoren im PKW-Modell "NSU Prinz", dort dient ein Paar von Schubstangen dem Nockenwellenantrieb. Der Durchbruch im Massenmarkt gelang allerdings erst mit dem Antrieb durch einen Zahnriemen. Das erste Modell mit zahnriemengetriebener Nockenwelle war 1962 der Glas 1004, allerdings noch ohne Durchbruch am Massenmarkt.

Vor- und Nachteile

Vorteile

Die oben liegende Nockenwelle bietet auf Grund ihrer geringen für die Ventilbetätigung bewegten Massen die ideale Voraussetzung für hoch drehende Motoren und ist wesentlich verschleißfester als die OHV-Technik.

Nachteile

Der Umstieg auf oben liegende Nockenwellen erforderte von den Fahrzeugherstellern fast vollständige Motorneukonstruktionen, weshalb viele Hersteller die Umstellung scheuten und ihre OHV-Motoren noch sehr lange nach Aufkommen der OHC-Technik anboten.

Im Gegensatz zu OHV-Motoren erfordern DOHC-Motoren größeren Aufwand bei der Wartung und einen regelmäßigen Austausch von Zahnriemen (Wartungsintervalle zwischen 40.000 bis 120.000 km). Die Steuerkette wurde durch ihre größere Länge eher unpräzise. Ein gerissener Zahnriemen oder eine gerissene Steuerkette bedeutet oft einen schweren Motorschaden: Die Ventile kollidieren mit den Kolben. Ausgenommen davon sind allerdings die Freiläufer, bei denen die Kolben nicht an die Ventile schlagen können.

Lange Steuerketten erfordern Führungs- und Spannschienen; nicht selten sind es drei oder vier im Umlauf. Insbesondere V-Motoren mit extrem langen Steuerketten-Umläufen sind wartungs- bzw. kontrollbedürftig (von der Kurbelwelle herauf zum ersten Zylinderkopf, herab zum Umlenkrad, herauf zum zweiten Zylinderkopf, wieder herab zur Kurbelwelle, das sind vier Ketten-Trums in V-Form). Spannschienen sind wegen ihrer kettenseitigen Kunststoffauflage Verschleißteile, die nach ca. 150.000 bis 300.000 km gewechselt werden sollten.

Die komplizierte Führung von Steuerkette oder Zahnriemen ist ein Grund für die Verwendung der OHV-Bauweise bei Lkw und vielen amerikanischen Fahrzeugen mit V-Motor: Hier genügt eine zentrale Nockenwelle, die über eine kurze Kette oder ein Zahnradpaar von der Kurbelwelle angetrieben werden kann.

Literatur

  • Peter Gerigk, Detlev Bruhn, Dietmar Danner: Kraftfahrzeugtechnik. 3. Auflage, Westermann Schulbuchverlag GmbH, Braunschweig, 2000, ISBN 3-14-221500-X
  • Max Bohner, Richard Fischer, Rolf Gscheidle: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. 27.Auflage, Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2001, ISBN 3-8085-2067-1
  • Peter A. Wellers, Hermann Strobel, Erich Auch-Schwelk: Fachkunde Fahrzeugtechnik. 5. Auflage, Holland+Josenhans Verlag, Stuttgart, 1997, ISBN 3-7782-3520-6
  • Hans Jörg Leyhausen: Die Meisterprüfung im Kfz-Handwerk Teil 1. 12 Auflage, Vogel Buchverlag, Würzburg, 1991, ISBN 3-8023-0857-3

Siehe auch

  • Themenliste Fahrzeugtechnik

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