Jerichow (Film)

Jerichow (Film)
Filmdaten
Deutscher Titel Jerichow
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 2008
Länge 93 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Christian Petzold
Drehbuch Christian Petzold
Produktion Schramm Film Koerner & Weber
Musik Martin Steyer
Kamera Hans Fromm
Schnitt Bettina Böhler
Besetzung

Jerichow ist ein deutscher Kinofilm von Christian Petzold. Der Film, der 2008 eine Einladung in den Wettbewerb der 65. Filmfestspiele von Venedig erhielt,[1] hatte am 2. Januar im Münchner FilmCasino Deutschlandpremiere, der offizielle deutsche Kinostart war am 8. Januar 2009.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Der entlassene Afghanistan-Soldat Thomas kehrt nach Jerichow, in den dünn besiedelten Nordosten Deutschlands, in das nach dem Tod seiner Mutter geerbte Haus zurück. Sein letztes Geld wird ihm von Leon, von dem er es sich einst geliehen hatte, abgenommen. Die Vermittlerin von der Arbeitsagentur kann ihm nur einen schlecht bezahlten Saisonjob als Gurkenpflücker vermitteln, und den Einkauf im Supermarkt kann er nur mit Geld vom Staat begleichen.

Durch Zufall lernt er den Türken Ali kennen, der im betrunkenen Zustand mit seinem Auto in einen Graben gefahren ist. Thomas hilft ihm, das Auto wieder auf die Straße zu bringen. Damit Ali nicht von der Polizei angehalten wird, fährt Thomas ihn nach Hause. Dort sieht er zum ersten Mal Alis Frau Laura. Nachdem Ali schließlich doch wegen Trunkenheit der Führerschein abgenommen wird, engagiert dieser Thomas als Fahrer, um seine 45 verpachteten Imbissbuden kontrollieren und beliefern zu können.

Ali will zusammen mit Laura den Einstand von Thomas feiern. Am Strand tanzt Ali betrunken und selbstvergessen zu türkischer Musik. Unbewusst verstrickt er Thomas und Laura in eine gegenseitige Abhängigkeit und der Film entwickelt sich zum Thriller.

Allmählich entwickelt sich ein intensives Verhältnis zwischen Laura und Thomas, von dem Ali jedoch zunächst nichts mitbekommt. Stattdessen wird Alis Alkoholproblem immer deutlicher. Ebenso wird erkennbar, dass Laura in ihrer Ehe mit Ali unglücklich ist, und ihn auch, bevor sie Thomas kennenlernte, bereits betrogen hat. Ali erklärt schließlich, dass er für kurze Zeit zu seinen Verwandten in die Türkei fliegen müsse und überlässt seinen Betrieb während dieser Zeit seiner Frau Laura und Thomas. Es wird deutlich, dass Thomas von Ali sehr geschätzt wird.

Während seiner Abwesenheit beschließen Laura und Thomas gemeinsam, Ali bei seiner Rückkehr zu ermorden, damit sie künftig zusammen leben können. Als Ali schließlich zurückkehrt, fährt ihn Laura an den Strand, wo sich Thomas bereits im Gebüsch versteckt hat. Dort offenbart Ali seiner Frau, dass er nicht, wie er zunächst behauptet hatte, bei seiner Familie in der Türkei war, sondern in einer Klinik in Leipzig. Dort wurde bei ihm eine schwere Krankheit diagnostiziert, seine Lebenserwartung beträgt nur noch zwei bis drei Monate. Laura ist davon berührt und will ihren Plan, Ali zu ermorden, aufgeben. Dieser entdeckt jedoch Thomas und erkennt, dass dieser eine Beziehung mit Laura hat. Er ist außer sich und fordert beide schließlich auf, zu verschwinden. Vor ihren Augen steigt Ali kurz darauf in sein Auto, fährt über die Klippen, stürzt in die Tiefe und stirbt.

Filmidee

Der Regisseur und Drehbuchautor Christian Petzold schilderte die Idee zum Film wie folgt: „Als wir damals YELLA drehten, lasen wir in einer Prignitzer Tageszeitung, dass die Polizei einen Vietnamesen festgenommen hatte. Er stand neben seinem defekten Wagen am Straßenrand. Achsbruch, Hinterachse. Der Kofferraum voller Münzgeld, das reichte für die Festnahme. Es stellte sich heraus, dass dem Mann 45 Imbißstuben gehörten, dass das Geld im Kofferraum Wechselgeld und Tageseinnahmen waren. Er hatte sich ein Geschäft aufgebaut, ein Haus gekauft, etwas außerhalb, in einem Wald, fernab anderer Häuser, für sich und seine Familie.“[2]

Dass der Film auf Motiven des Romans The Postman Always Rings Twice von James M. Cain basiert, erklärte Petzold in einem Zeitungsinterview: „... das große Wort »Heimat«. Wenn in Deutschland Leute mit diesem Wort kommen, müssen Ausländer aufpassen. Deshalb fand ich es wichtig, dass es gerade ein Türke wie Ali ist, der mitten in Sachsen-Anhalt das Geld, das Haus und die Firma hat. In der Vorlage von James M. Cain – »Wenn der Postmann zweimal klingelt« – geht es ja auch um einen Griechen. Dass in Cains Liebesgeschichte auch Rassismus eine wichtige Rolle spielt, fand ich nie genug gewürdigt. Dieser Rassismus ist im Wort »Heimat-Building« auf furchtbare Weise verborgen.“[3]

Drehorte

Der Film wurde an verschiedenen Orten in der Prignitz und in Mecklenburg-Vorpommern gedreht, u.a. in Wittenberge, Ahrenshoop und am Flughafen Rostock-Laage, jedoch nicht in der namengebenden, sachsen-anhaltischen Kleinstadt Jerichow selbst.

Kritiken

Das Lexikon des Internationalen Films sieht in Jerichow „ein vielschichtiges, darstellerisch intensives Drama um Träume, Sehnsüchte und Leidenschaft, in dem die Protagonisten ziellos durchs Leben driften und nur an Güter glauben, die mit den Händen greifbar sind. Auf der Grundlage eines Kriminalromans, den Luchino Visconti bereits 1942 verfilmte (Ossessione), entstand ein beeindruckender Film, der nicht nur deutsche Befindlichkeiten überzeugend spiegelt.“[4]

Christina Krisch schrieb in der Kronen-Zeitung, dass dieses neorealistische Beziehungsdrama eine unheilvolle Ménage à trois sei und ein subtil arrangiertes Kammerspiel über verlorene Träume. Der Film wisse mit seinen kleinen, scheuen Gesten heimlicher Begierde viel zu erzählen.[5]

Auszeichnungen

Jerichow war im Wettbewerb der 65. Filmfestspiele von Venedig vertreten, hatte aber gegenüber Darren Aronofskys The Wrestler das Nachsehen. 2009 wurde das Drama mit dem Preis der deutschen Filmkritik als bester Film ausgezeichnet. Jerichow erhielt außerdem Nominierungen für den Deutschen Filmpreis in den Kategorien Bester Spielfilm und Beste Regie.[6]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nach Jerichow! Der Tagesspiegel vom 30. Juli 2008, S. 22
  2. Christian Petzold im Presseheft zum Film
  3. Bleiben ist Niederlage – Christian Petzold im Interview, Der Tagesspiegel vom 5. Januar 2009
  4. Jerichow im Lexikon des Internationalen Films
  5. Kritik in der Kronen-Zeitung vom 5. Februar 2009
  6. vgl. Deutscher Filmpreis: Die Nominierungen im Überblick bei welt.de, 13. März 2009

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