Janusz Korczak

Janusz Korczak
Janusz Korczak (um 1930)

Janusz Korczak, eigentlich: Henryk Goldszmit (* 22. Juli 1878 oder 1879[1] in Warschau; † nach dem 5. August 1942 vermutlich im Vernichtungslager Treblinka), war ein polnischer Arzt, Kinderbuchautor und bedeutender Pädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Goldszmit wuchs als erstes Kind von Cecilia Głębicka und Józef Goldszmit mit einer jüngeren Schwester, Anna, in Warschau auf.

Die wohlhabende Anwaltsfamilie Goldszmit galt als assimiliert und lebte im Einfluss der jüdischen Aufklärungsbewegung Haskala. Erst in Zeiten des wachsenden Antisemitismus begann Henryk, sich mit seiner jüdischen Abstammung zu beschäftigen.

Die Schuljahre absolvierte Goldszmit in einem Humanistischen Gymnasium in Warschau, wo er Latein, Deutsch, Französisch und Altgriechisch lernte; Unterrichtssprache war Russisch, da Warschau aufgrund der Teilungen Polens des 18. Jahrhunderts Bestandteil des Russischen Reichs war. 1896 verschlechterte sich mit der Erkrankung und dem Tod seines Vaters in einem Nervenkrankenhaus die finanzielle Situation der Familie dramatisch, so dass der junge Henryk mit Nachhilfestunden den Lebensunterhalt mitfinanzieren musste. Im selben Jahr gewann er als Gymnasiast einen Nachwuchspreis für seinen ersten Roman Der Gordische Knoten.

Karriere

Goldszmit studierte von 1898 bis 1904 Medizin an der Kaiserlichen Universität Warschau, blieb aber nebenher schriftstellerisch tätig, so gewann er 1899 unter dem Pseudonym Janusz Korczak mit einem Drama einen literarischen Wettbewerb. Eigentlich Janasz Korczak – nach der Titelfigur von Kraszewskis Roman Janasz Korczak und die schöne Schwertfegerin genannt, wurde der Name durch einen Druckfehler zu Janusz Korczak, welchen dieser dann beibehielt. 1901 erschien die Erzählung „Kinder der Straße“, in welcher er das erste Mal das Schicksal von Straßenkindern literarisch verarbeitet. Die ersten Romane machten ihn so bekannt, dass er zum Modearzt avancierte.

Nach seiner Promotion als Facharzt für Pädiatrie erhielt er eine Anstellung an einer Warschauer Kinderklinik (1904–1911). Seine Tätigkeit dort wurde 1904/1905 unterbrochen, als er im Russisch-Japanischen Krieg als Feldarzt dienen musste, sowie während zweier Auslandsaufenthalte zur Fortbildung (ein Jahr in Berlin sowie ein halbes Jahr in Paris).

Engagement für Kinder

Korczaks Waisenhaus Dom Sierot in der Krochmalna Straße in Warschau ca. 1935

Die zusätzlichen Einnahmen seiner schriftstellerischen Arbeiten sollten seinem ärztlichen und sozialen Engagement für arme und verwahrloste Kinder zugute kommen. Mehrfach fuhr er als unbezahlter Betreuer mit zu den Sommerkolonien – durch Spenden finanzierte Sommerferienlager für Kinder des städtischen Proletariats. Als er dann 1911 die Leitung eines nach seinen Plänen neu errichteten jüdischen Waisenhauses angeboten bekam, gab er den Arztberuf auf und sagte zu.

Dom Sierot (polnisch: Waisenhaus) wurde sein Lebensinhalt. Getragen von der jüdischen Gesellschaft Hilfe für die Waisen nahm es jüdische Kinder bis zum Alter von 14 Jahren auf. Goldszmit erhielt den pädagogischen Spielraum, um seine auf prinzipiellen Kinderrechten fußenden Ideen umzusetzen und nach neuen Wegen zu suchen, beispielsweise bei der Umsetzung eines Kinderrepublik-Modells. Als er nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs erneut als Divisionsarzt der russischen Armee einberufen wurde, führte seine Mitarbeiterin Stefania Wilczyńska (genannt Stefa) die Arbeit im Dom Sierot weiter. Aber Goldszmit blieb weiterhin pädagogisch tätig: Zum einen schrieb er mit Wie man ein Kind lieben soll sein wichtigstes pädagogisches Werk, zum anderen betreute er während seiner Stationierung bei Kiew mehrere Waisenhäuser ärztlich, wobei er Maryna Falska kennenlernte, die dort ein Internat für polnische Kinder leitete.

Der darauffolgende Zeitabschnitt – nach der Rückkehr aus dem Krieg und der Normalisierung des täglichen Lebens im wieder zur Hauptstadt des eigenständigen polnischen Staates gewordenen Warschau – lässt sich als Korczaks Blütezeit bezeichnen. Neben seiner Tätigkeit am Dom Sierot übernahm er 1919, zusammen mit Maryna Falska, auch die Leitung des Waisenhauses Nasz Dom (Unser Haus), das, zuerst in Pruszków bei Warschau untergebracht, 1928 in den Warschauer Villenvorort Bielany umziehen konnte. Diesem war zwei Jahre lang auch eine Alternativschule angegliedert. Außerdem war er am Institut für Sonderpädagogik als Dozent tätig, ab 1926 Sachverständiger für Erziehungsfragen beim Bezirksgericht sowie 1926 bis 1930 Redakteur der Kinderzeitung Mały Przegląd (Kleine Rundschau). Er schrieb zahlreiche Bücher, in denen er – weitaus häufiger in Kinderbüchern und Erzählungen als in pädagogischen Schriften – seine Erfahrungen und Ideen beschrieb. Schließlich wurde er in den Jahren 1935/36 auch Mitarbeiter des polnischen Rundfunks, als er, allerdings nicht unter seinem Namen, sondern lediglich als „Alter Doktor“, vor dem Mikrofon mit Kindern und über Kinder plauderte.

Tätigkeit im Warschauer Ghetto

Im Zusammenhang mit dem offenen Antisemitismus, der sich in der Gesellschaft ausbreitete, beschäftigte sich Korczak Mitte der 1930er Jahre mit dem Zionismus, reiste zweimal (1934 und 1936) nach Palästina und erwog die Emigration, die er letztlich aber verwarf.

Im September 1939 begann mit dem Polenfeldzug in Europa der Zweite Weltkrieg. Entsprechend der antisemitischen Ideologie des Nationalsozialismus setzte damit eine massive Unterdrückung, Entrechtung und Verfolgung der Juden ein, die im Holocaust, dem beispiellosen Völkermord an ihnen, münden sollte. Nach dem Befehl zur Umsiedlung der gesamten jüdischen Bevölkerung Warschaus in das Warschauer Ghetto im Oktober 1940 musste auch das Dom Sierot umziehen, da das Gebäude knapp außerhalb des vorgegebenen Stadtviertels lag. Trotz der unsäglichen Bedingungen im Ghetto fand Korczak in den letzten Monaten noch die Energie zu schriftlichen Notizen. Sein Pamiętnik, der gerettet werden konnte und 1958 von Igor Newerly erstmals veröffentlicht wurde, ist eine Mischung aus Lebenserinnerung, tagebuchartigen Beschreibungen der Gegenwart im Ghetto sowie Zukunftsvisionen und Traumdeutungen.[2]

Deportation und Tod

Skulptur „Korczak und die Kinder des Ghettos“ in Yad Vashem

Im August 1942 wurden im Rahmen der Aktionen zur so genannten „Endlösung der Judenfrage“ die etwa 200 Kinder des Waisenhauses von der SS zum Abtransport in das Vernichtungslager Treblinka abgeholt. Obwohl Korczak wusste, dass dies wahrscheinlich den Tod bedeutete, wollte er die Kinder nicht im Stich lassen und bestand darauf, mitzufahren. Ein Augenzeuge des Abtransports wurde der Komponist und Pianist Władysław Szpilman, der die Szene in seinen Memoiren wie folgt beschreibt:

„Eines Tages, um den 5. August […] wurde ich zufällig Zeuge des Abmarsches von Janusz Korczak und seinen Waisen aus dem Ghetto. Für jenen Morgen war die ‚Evakuierung‘ des jüdischen Waisenhauses, dessen Leiter Janusz Korczak war, befohlen worden; er selbst hatte die Möglichkeit, sich zu retten, und nur mit Mühe brachte er die Deutschen dazu, daß sie ihm erlaubten, die Kinder zu begleiten. Lange Jahre seines Lebens hatte er mit Kindern verbracht und auch jetzt, auf dem letzten Weg, wollte er sie nicht allein lassen. Er wollte es ihnen leichter machen. Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen, stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es so viele Beeren und Pilze gäbe. Er ordnete an, sich festtäglich zu kleiden und so hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an. Die kleine Kolonne führte ein SS-Mann an, der als Deutscher Kinder liebte, selbst solche, die er in Kürze ins Jenseits befördern würde. Besonders gefiel ihm ein zwölfjähriger Junge, ein Geiger, der sein Instrument unter dem Arm trug. Er befahl ihm, an die Spitze des Kinderzuges vorzutreten und zu spielen - und so setzen sie sich in Bewegung. Als ich ihnen an der Gęsia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges. Bestimmt hat der ‚Alte Doktor‘ noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Waisen Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert: ‚Nichts, das ist nichts, Kinder‘ um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen.“[3]

Sein genaues Todesdatum ist unbekannt. Korczaks Tagebuchaufzeichnungen enden mit dem 5. August 1942.

Janusz Korczak, israelische Briefmarke, 1962
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1978) zum 100. Geburtstag

Nachleben und -wirkungen

  • 1957 wurde Erwin Sylvanus’ Schauspiel Korczak und die Kinder uraufgeführt, das zu den meistgespielten deutschen Nachkriegsstücken zählt.
  • 1975 verfilmte der polnische Regisseur Aleksander Ford als deutsch-israelische Co-Produktion unter dem Titel Sie sind frei, Doktor Korczak die Geschichte von Janusz Korczak mit Leo Genn in der Hauptrolle.
  • 1980 wurde die Schule Bullenhuser Damm in Hamburg nach ihm umbenannt.
  • 1988 entstand im DEFA Studio für Dokumentarfilme, Berlin, über Janusz Korczak ein biographischer Filmessay von Walther Petri und Konrad Weiß mit dem Titel Ich bin klein aber wichtig.
  • 1990 verfilmte der polnische Regisseur Andrzej Wajda Korczaks Lebensgeschichte. Wojciech Pszoniak spielte in der deutsch-polnischen Co-Produktion Korczak nach einem Drehbuch von Agnieszka Holland die Titelrolle.
  • 1996 veröffentlicht Karlijn Stoffels den Jugendroman Mosje en Reizele (Mojsche und Rejsele), eine Liebesgeschichte in Korczaks Waisenhaus während der deutschen Besatzung.
  • Anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentags 1997 schrieb die Wülfrather Gruppe fünf brote und zwei fische ein „Tragical“ genanntes Musical mit dem Titel Im Schatten der Mauer, das die letzten drei Jahre des Kinderheims im Warschauer Ghetto darstellt und auch in Israel aufgeführt wurde.
  • Eine Gruppe von Jugendlichen und Erwachsenen der evang.-ref. Kirchgemeinde Johannes in Bern schrieb im Jahr 2010 unter dem Titel Geranien im Ghetto – Janusz Korczak, ein Leben für Kinder ein Mundart-Theaterstück über das Leben von Korczak.[4]

Ehrungen

  • Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1972[5]
  • Bronzestatue Korczak und die Ghetto-Kinder auf dem nach ihm benannten Platz in Yad Vashem (Boris Saktsier, 1978)
  • In Deutschland sind zahlreiche Schulen und Einrichtungen für Kinder nach Janusz Korczak benannt.
  • Im Berliner Ortsteil Hellersdorf trägt seit dem 20. November 1995 eine neu angelegte Straße seinen Namen.[6]
  • In Luxemburg wird seit 1993 von der Stiftung Kannerschlass in Zolver alle zwei Jahre der Prix Janusz Korczak vergeben, um Personen für außergewöhnliche Verdienste im Sozialbereich zu ehren.

Werke (Auswahl)

Gesamtausgabe

  • Janusz Korczaks Sämtliche Werke erschienen zwischen 1996 und 2005 in deutscher Übersetzung im Gütersloher Verlagshaus, editiert von Friedhelm Beiner und Erich Dautzenroth, in 16 Bänden und einem Ergänzungsband (mit den Erinnerungen von Zeitzeugen), versehen mit zahlreichen biographischen und bibliographischen Angaben.

Kinderbücher

  • König Hänschen der Erste (auch: König Maciuś der Erste; poln. Erstausgabe Król Maciuś Pierwszy 1923)
  • König Hänschen auf der einsamen Insel (poln. Erstausgabe Król Maciuś nad wyspie bezludnej 1923)
  • Wenn ich wieder klein bin (poln. Erstausgabe Kiedy znów będę mały 1925)

Pädagogische Schriften

  • Wie man ein Kind lieben soll (poln. Erstausgabe Jak kochać dziecko 1919)
  • Das Recht des Kindes auf Achtung (poln. Erstausgabe Prawo dziecka do szacunku 1928)
  • Die Regeln des Lebens (poln. Erstausgabe Prawidła życia 1930)
  • Fröhliche Pädagogik (poln. Erstausgabe Pedagogika żartobliwa 1939)

Kurzdarstellungen

Wie man ein Kind lieben soll (poln. Erstausgabe Jak kochać dziecko 1919), Korczaks wichtigstes pädagogisches Werk, besteht aus vier Teilen. Der erste Teil begleitet das Kind und dessen Erziehung von der Geburt bis zur Pubertät. Korczak beobachtet, beschreibt und formuliert jeweils seine Ansichten.

»Es geht mir darum, daß man begreift: kein Buch und kein Arzt können das eigene wache Denken, die eigene sorgfältige Betrachtung ersetzen.«[7]

Der zweite Teil, Das Internat, wendet sich an junge Erzieher: Korczak berichtet über seine Erfahrungen in der Erziehungsarbeit. Auch hier betont er die Beachtung der Individualität und Eigenpersönlichkeit sowohl des Erziehers:

»Habe Mut zu dir selbst, und such deinen eigenen Weg.«[8]

als auch des Kindes:

»Es ist einer der bösartigsten Fehler anzunehmen, die Pädagogik sei die Wissenschaft vom Kind – und nicht zuerst die Wissenschaft vom Menschen.«[9]

Im dritten Teil, Sommerkolonien, berichtet Korczak über seine ersten (ernüchternden) erzieherischen Erfahrungen in den Sommerkolonien. Der vierte Teil, Das Waisenhaus, schließlich behandelt im Waisenhaus konkret umgesetzte pädagogische Ideen wie Einrichtungen der Selbstverwaltung.

König Hänschen der Erste[10] bzw. König Maciuś der Erste[11] (poln. Erstausgabe Król Maciuś Pierwszy 1923) ist das bekannteste Buch Korczaks und gleichermaßen für Kinder wie für Erwachsene geeignet. Als Hänschen/Maciuś, ein 10-jähriger Junge, nach dem Tod seines Vaters zum König wird, nimmt er den Titel eines 'König-Reformators' an, der Demokratie für das ganze Staatsvolk, also auch für die Kinder, einführt. Die Geschichte spielt dann ebenso witzig wie ernsthaft den Gedanken eines Kinderparlamentes durch, das sich erfinderisch und lernfähig zeigt, dazu die eigenen Regeln immer wieder reformiert, sich aber auch mit feindlicher Beeinflussung und den Fragen von innerem und äußerem Frieden auseinandersetzen muss. Im ersten Band scheitert das Parlament, König Hänschen verliert den Krieg gegen den Feind und wird von den Siegern in die Verbannung geschickt, hat aber auch wertvolle Verbündete gewonnen.

In der Fortsetzung König Hänschen auf der einsamen Insel[12] (in König Maciuś der Erste als zweiter Teil enthalten) (poln. Erstausgabe Król Maciuś na wyspie bezludnej 1923) denkt Hänschen viel über das Leben nach und über die Fehler, die er begangen hat. Er flieht von der Insel und kehrt nach einer langen Odyssee in seine Hauptstadt zurück, wo er abdankt, um als Normalsterblicher zu arbeiten und zu lernen.

Das Buch ist auch als detailreiche Illustration der reformpädagogischen Ansätze Korczaks für die Waisenhaus-Selbstverwaltung lesbar.

Wenn ich wieder klein bin (poln. Erstausgabe Kiedy znów będę mały 1925) ist eine Erzählung in Ich-Form. Der Erzähler ist zu Beginn ein Erwachsener, ein Lehrer, der sich in die sorglose, unbeschwerte Kindheit zurückwünscht – unter einer Bedingung:

»Wenn ich wieder ein Kind wäre, würde ich gern alles im Gedächtnis behalten, alles wissen und können, was ich jetzt weiß und kann. Und, dass niemand merkt, dass ich schon groß war.«[13]

Dieser Wunsch wird ihm durch einen Zwerg erfüllt und es beginnt die Binnenhandlung. Der Leser begleitet den Jungen durch sein Leben, er erfährt von seinen schönen und schlimmen Erlebnissen und von seinen Sorgen und Problemen, die ihn immer wieder vom Schulstoff ablenken. Man erlebt die Oberflächlichkeit und Ungerechtigkeit der Erwachsenen im Umgang mit Kindern mit.

Das Vorwort an den erwachsenen Leser lautet:

 »Ihr sagt:
'Der Umgang mit Kindern ermüdet uns.'
Ihr habt recht.
Ihr sagt:
'Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen.
Hinuntersteigen, uns herabneigen, beugen, kleiner machen.'
Ihr irrt euch.
Nicht das ermüdet uns. Sondern – dass wir zu ihren Gefühlen emporklimmen müssen. Emporklimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen.
Um nicht zu verletzen.«[14]

Das Recht des Kindes auf Achtung (poln. Erstausgabe Prawo dziecka do szacunku 1928) ist die Zusammenfassung einer Vortragsreihe Korczaks und lässt sich als Streitschrift charakterisieren, in der er sich zum Anwalt des Kindes macht. Er schildert die Kindheit als eine Phase der Rechtlosigkeit, der Ungerechtigkeiten und der Abhängigkeiten, um dann vehement grundsätzliche Rechte für das Kind einzufordern (ein Gedanke, der bereits in Wie man ein Kind lieben soll auftaucht und hier weiterentwickelt wird). Er formuliert das Recht auf Achtung der Kindheit als vollwertigen Lebensabschnitt und konkretisiert dies in verschiedenen Einzelrechten wie

Achtung der Unwissenheit des Kindes
Achtung der Wissbegierde des Kindes
Achtung der Misserfolge und Tränen des Kindes
Achtung des Eigentums des Kindes

sowie das Recht des Kindes so zu sein, wie es ist.

Die Regeln des Lebens (poln. Erstausgabe Prawidła życia 1930) hat den Untertitel Eine Anleitung zur Erziehung für junge Menschen und für Erwachsene. Den Grundgedanken des Buches beschreibt Korczak zu Beginn selbst:

 »(...)eines Tages ein Bub bemerkte:
Wir haben viel Kummer, weil wir die Regeln des Lebens nicht kennen. Manchmal erklären die Erwachsenen einem etwas in aller Ruhe, aber oft sind sie unwillig.
(...)
Ich nahm ein Blatt Papier und schrieb mir auf:
'Die Regeln des Lebens'.
(...)
Der Bub hat recht – das ist es.
Und ich entwarf einen Plan.
Über das Leben daheim will ich schreiben, über die Eltern, die Brüder und Schwestern, über Freuden und Leiden daheim.
Dann über die Straße.
Dann über die Schule.«[15]

Fröhliche Pädagogik (poln. Erstausgabe Pedagogika żartobliwa 1939) sammelt die pädagogischen Radioplaudereien des 'Alten Doktors', die der Polnische Rundfunk Mitte der 30er Jahre ausgestrahlt hatte. In jedem Kapitel erzählt Korczak Begebenheiten aus dem kindlichen Leben zu einem bestimmten Thema und formuliert zum Schluss eine Art pädagogische Conclusio.

Sekundärliteratur

  • Brandt, Susanne: Gedankenflüge ohne Illusion. Janusz Korczak als Impulsgeber für die dialogische Begegnung mit Kindern. Mit einem Beitrag von Michael Kirchner. Phantastische Bibliothek, Wetzlar 2010

(Schriftenreihe des Zentrums für Literatur; Bd. 10)

  • Janusz Korczak: Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto 1942. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 3-525-33579-2
  • Erich Dauzenroth, Adolf Hampel (Hrsg.): Wer war Janusz Korczak. 8 Vorträge und ein Feature. Universität Gießen, Gießen 1975 (Digitalisat)
  • Friedrich Koch: Der Aufbruch der Pädagogik. Welten im Kopf: Bettelheim, Freinet, Geheeb, Korczak, Montessori, Neill, Petersen, Zulliger. Hamburg 2000, ISBN 3-434-53026-6
  • Friedrich Koch: Drei Gründe, sich mit Korczak zu befassen. In: PÄDAGOGIK Nr.10/1991, Seite 53 ff.
  • Hanna Mortkowicz-Olczakowa: Janusz Korczak, Arzt und Pädagoge. Pustet, München und Salzburg 1973
  • Wolfgang Pelzer: Janusz Korczak. Rowohlt Verlag, Reinbek 1987, 9. Aufl. 2004, ISBN 3-499-50362-X

Weblinks

 Commons: Janusz Korczak – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Das genaue Geburtsjahr ist nicht bekannt. In seinem Pamiętnik schreibt Korczak: Mein Vater hat sich jahrelang nicht um eine Geburtsurkunde für mich bemüht. Später hatte ich deswegen Schwierigkeiten. (Zitiert in der Übersetzung von Armin Droß. In: Das Recht des Kindes auf Achtung. Hrsg. von Elisabeth Heimpel und Hans Roos. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970. S. 332.)
  2. ‚Pamiętnik‘ bedeutet sowohl ‚Tagebuch‘ als auch ‚Erinnerungen‘; dt. als Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto 1942 erschienen (siehe: Literatur).
  3. Władysław Szpilman, Der Pianist, Mein wunderbares Überleben, Ullstein München 2002, ISBN 3-548-36351-2, S. 93-94
  4. Homepage der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern: Janusz Korczak-Wochen
  5. Elke Heidenreich: Janusz Korczak bekommt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Radiofeature für den SWF 1972, Druckversion in: E. Heidenreich: Wörter aus 30 Jahren, Rowohlt, Hamburg 2003, ISBN 3-499-23226-X, S.11-37
  6. Janusz-korczak-Straße auf Kauperts.de, abgerufen am 7. Januar 2011
  7. Deutsch von Armin Droß. In: Wie man ein Kind lieben soll. Hrsg. von Elisabeth Heimpel und Hans Roos. 3. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1971. S. 2 (ISBN 3-525-31502-3)
  8. ebda. S. 228
  9. ebda. S. 156
  10. Deutsch von Katja Weintraub. Ausgaben zuerst in Warschau 1957 und Göttingen 1971, (ISBN 3-525-39106-4)
  11. Deutsch von Monikar Heinker (Leipzig und Weimar 1978)
  12. (ISBN 3-525-39144-7)
  13. Deutsch von Mieczyslaw Wójcicki. In: Wenn ich wieder klein bin und andere Geschichten von Kindern. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973. S. 13 (ISBN 3-525-31509-0)
  14. ebda. S. 7
  15. Deutsch von Armin Droß. In: Das Recht des Kindes auf Achtung. Hrsg. von Elisabeth Heimpel und Hans Roos. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970. S. 96f. (ISBN 3-525-31503-1)

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