Internationale Marxistische Tendenz

Internationale Marxistische Tendenz
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Die Internationale Marxistische Tendenz (IMT) (auch: Internationale Marxistische Strömung), bis 2006 als Komitee für eine Marxistische Internationale (KMI) bekannt, ist eine internationale – dem eigenen Selbstverständnis nach revolutionär-sozialistische − Vereinigung, die 1993 von Ted Grant und Alan Woods gegründet wurde und dem trotzkistischen Lager zuzuordnen ist. Sie gruppiert sich um die Website In Defence of Marxism und propagiert marxistische Ideen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Programmatik

Die IMT sieht den größten Unterschied zu anderen trotzkistischen Organisationen darin, dass sie "sektiererisches Verhalten" ablehnt. Ein solches Verhalten drückt sich nach Auffassung der IMT insbesondere in Abspaltungen linker Strömungen von den sogenannten traditionellen Massenorganisationen der Arbeiterklasse (Gewerkschaften, Sozialdemokratie, teilweise auch Kommunistische Parteien) aufgrund von – aus Perspektive der IMT – rein „subjektiv“-organisationspolitischen oder ideologischen Erwägungen aus. Die Strömung arbeitet in allen Ländern, in denen ihr eine solche Arbeitsweise möglich erscheint, auf der Grundlage eines „vorbereitenden Entrismus“ innerhalb der Strukturen der Sozialdemokratie und der ehemaligen kommunistischen Parteien mit. Andere trotzkistische Organisationen kritisieren die Vorgehensweise der Strömung als opportunistisch.

Die IMT ging ursprünglich aus einer Spaltung innerhalb des 1974 gegründeten Committee for a Workers’ International (CWI) hervor. Wesentliche Gründe hierfür war neben der Auffassung vom fortgeschrittenen Verbürgerlichungsprozess der Sozialdemokratie der Mehrheit des CWI eine unterschiedliche Einschätzung der internationalen Lage nach dem Fall der Berliner Mauer. Diese Differenzen führten 1991 zu einer Spaltung innerhalb des britischen Militant und auf internationaler Ebene 1992 zum Bruch zwischen einer Mehrheit um Militant-Generalsekretär Peter Taaffe und einer Minderheit um Ted Grant.[1]

Während die Sektionen des CWI die Taktik des Entrismus nun einzustellen und eigenständige Organisationen zu gründen begannen, setzten die Mitglieder der späteren IMT die Arbeit innerhalb der Sozialdemokratie fort.

Die Strömung war in Teilen der Linken lange unter dem Namen Komitee für eine Marxistische Internationale (KMI) bekannt. Weder intern noch in der Außendarstellung der Gruppe hatte dieser Name im Sinne einer Selbstbezeichnung jemals Bedeutung. Die Selbstbezeichnung "der Strömung" lautet seit dem Weltkongress im Juli/August 2006 offiziell Internationale Marxistische Tendenz. Dieser Name wird durchgängig verwendet.

Darstellung der Arbeit einiger ausgewählter Sektionen

Venezuela

Die Kampagne Hands Off Venezuela (HOV), die 2002 weltweit von der Tendenz gestartet wurde, setzt sich zum Ziel, dass in den Gewerkschaften der Industrienationen der „revolutionäre Prozess“ in Venezuela anerkannt wird, und tritt gegen mediale Verzerrungen dieses Prozesses auf. Diese Arbeit verlaufe in vielen Ländern bisher sehr erfolgreich. So sei es trotz ernsthafter Verhinderungsanstrengungen der venezolanischen und europäischen Politik, sowie diverser "linksradikaler" Organisationen zu der Großveranstaltung am 11. Mai 2006 in der Wiener Arena gekommen, der über 5000 Menschen beiwohnten und auf der Hugo Chávez eine Rede hielt. Unabhängig von konkreten Ergebnissen beim weltweiten Aufbau der "Hands Off Venezuela"-Strukturen rechnet sich die IMT-Strömung an, als einzige größere marxistische Kraft den sozialistischen Charakter des Prozesses der "Bolivarischen Revolution", sowie die Rolle Hugo Chávez' innerhalb dieser Bewegung von Beginn an "richtig", d.h. in seiner dialektischen Vielschichtigkeit angemessen erkannt und folgerichtig gegen alle Angriffe (mit)verteidigt zu haben. Daher hat die Kampagne - trotz ihrer politischen und ökonomischen Unabhängigkeit, sowie ihrer deutlichen Kritik insbesondere an Teilen der Außenpolitik Chávez' - die Rückendeckung des venezolanischen Präsidenten.

Alan Woods, dem - in gewählter Funktion - die Leitung der IMT obliegt, ist mit Chávez freundschaftlich verbunden und in Venezuela eine relativ bekannte Person. Gleichwohl ist es eine Falschmeldung, wenn gelegentlich behauptet wird, Woods sei offizieller und "professioneller" oder bezahlter Berater der venezolanischen Regierung. Gleichwohl bezieht sich Chávez - neben vielen anderen ideologischen Bezügen - seit dem Frühjahr 2007 auch positiv auf Trotzki. Dessen Schriften und Denken wurden Chávez durch die Arbeit der IMT und insbesondere durch Unterredungen mit Woods näher gebracht. Mit seinen gelegentlichen Bezugnahmen auf Trotzki erweist sich Chávez gemäß der Einschätzung der IMT keineswegs als Trotzkist, sondern diese Äußerungen sind demzufolge vielmehr der subjektive Ausdruck der objektiven historischen Tendenz in Richtung Sozialismus, die nach Auffassung der IMT in Lateinamerika derzeit zu beobachten ist. Ob sich diese Tendenz am Ende durchsetzen wird, hängt der IMT gemäß jedoch letztlich nicht von den Reden einzelner Politiker, sondern davon ab, ob es gelingt "das was in der Luft schwebt" zu einer organisierten politischen Strömung mit dem Ziel der Eroberung und Umgestaltung der politischen und ökonomischen Macht zu formieren.

Kuba

Seit 2003 besteht auch Kontakt mit kubanischen Trotzkisten. Die Bezeichnung Kubas als stalinistische Diktatur wurde fallen gelassen, da der Organisation im Zusammenhang mit ihrer Venezuela-Arbeit klar wurde, in Hinsicht auf die kubanische Revolution in der Vergangenheit eine nach ihrer heutigen Ansicht falsche Position vertreten zu haben. Gemäß der Maxime Ted Grants, dass es nicht verwerflich ist, Fehler zu begehen, sondern dass es vielmehr politisch schädlich ist, sich diese nicht eingestehen und die eigene Linie nicht entsprechend korrigieren zu wollen, veränderte die Gruppe ihre Einschätzung des kubanischen Staates und der Person Fidel Castros. Die Delegierten des IMT-Weltkongresses 2006 bestätigten diese neue Linie mit überwältigender Mehrheit und verabschiedeten - in Anbetracht der Krankheit Castros und der damit einhergehenden politischen Weichenstellungen - eine Solidaritätsbotschaft in Verteidigung des kubanischen Staates. Dieser wird jedoch auch weiterhin als "deformierter Arbeiterstaat" gesehen. Seither verteidigt die Strömung uneingeschränkt die Errungenschaften der kubanischen Revolution (verstaatlichte Industrie, Planwirtschaft, Außenhandelsmonopol, ein ihrer Ansicht nach im Vergleich zu Lateinamerika und den USA vorbildliches Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen), wirbt jedoch gleichzeitig inner- und außerhalb Kubas, für die Einleitung eines Prozesses der proletarischen Demokratisierung jenes deformierten Arbeiterstaates, u.a. weil nur auf diesem Weg die genannten "Errungenschaften der Revolution" wirklich verteidigt werden könn(t)en. Die Verteidigung der kubanischen und der venezolanischen Revolutionen gegen „US-amerikanische Aggression“ und „innere Feinde“ ist eines der Hauptanliegen der Tendenz.

Pakistan

In Pakistan ist die dortige Sektion der IMT namens Tabqati Jeddojudh (Klassenkampf) innerhalb der Pakistanischen Volkspartei (PPP) aktiv. Diese arbeitet dort seit den späten 1970ern und ist die mitgliederstärkste Teilsektion. Die pakistanischen IMT-Genossen verfügen über einigen Einfluss innerhalb der kämpferischen Gewerkschaftsbewegung sowie innerhalb einflussreicher linker Jugendverbände in der Region Kaschmir.

Deutschland

Die deutsche Sektion gruppiert sich um die Zeitschrift Der Funke, welche seit 1992 aus der ehemaligen deutschen CWI-Gruppe Voran heraus entstand und sich "der Strömung" anschloss. Sie arbeitet zzt. vor allem in den Jugendgruppen der Linkspartei namens Linksjugend ['solid] mit. Die SPD bildet zurzeit keinen Schwerpunkt in der politischen Arbeit der Gruppe.

Österreich

Die Gruppe Der Funke in Österreich orientiert sich weiterhin auf die SPÖ und insbesondere auf deren Jugendorganisation Sozialistische Jugend Österreich (SJ). Die Genossen sind ferner in der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter im ÖGB (FSG) aktiv. Die österreichische IMT-Sektion besteht gleichfalls seit 1992 und entstand als Abspaltung von der CWI-Gruppe Vorwärts. Besonders aktive Gruppen existieren nach eigenen Angaben in Oberösterreich, Vorarlberg und Wien. Die Genossen des österreichischen Funke waren nach den vorletzten Nationalwahlen eine der Kräfte der fraktionsübergreifenden Kampagne Wir sind SPÖ! gegen das Eingehen der "Großen Koalition" seitens der Parteiführung.

Schweiz

Die IMT-Sektion in der Schweiz trat mit ihrer Publikation Der Funke erstmals am 1. Mai 2007 an die Öffentlichkeit. Sie ist vor allem bei den Jungsozialisten (Juso) und in der Gewerkschaft Unia tätig. Ortsgruppen wurden in Winterthur und Genf errichtet.

Literatur

Einzelnachweise

  1. John Evers: „Zur Geschichte des Vorwärts“. In: „Trotzkismus in Österreich“. Arbeitsgruppe Marxismus (AGM), Wien 1996, S. 249

Weblinks


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