Bolivarische Revolution

Bolivarische Revolution

Bolivarische Revolution oder Bolivarianische Revolution (spanisch Revolución Bolivariana) wird ein vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez geführter Prozess genannt, der die Gesellschaft gegen den Neoliberalismus ausrichten und dabei das politische Leben neu gestalten soll.

Inhaltsverzeichnis

Benennung

Während die Botschaft Venezuelas und einige Autoren den Ausdruck bolivarische Revolution verwenden, greifen viele auch auf den Begriff bolivarianische Revolution zurück, abgeleitet von bolivariana aus dem Spanischen. Gemeint ist dabei die Revolution im ihm zugeschriebenen Geiste von Simón Bolívar. Oft wird auch die Bezeichnung Zweite Bolivarische Revolution verwendet, als erste wird dann das Werk Bolívars selbst angesehen.

Entstehung

Chávez war bereits seit seiner Jugend ein begeisterter Anhänger des in Caracas geborenen südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfers Simón Bolívar. Auch die spätere Gründung seiner Bewegung, der MBR-200, fand bewusst am 24. Juli 1983, dem 200. Geburtstag Simón Bolívars statt. Während seiner Studienzeit entwickelte Chávez im Laufe mehrerer Jahre gemeinsam mit anderen Offizieren eine linksnationalistische Doktrin namens Bolivarismus. Diese orientierte sich zwar in Teilen an Bolívar, war aber stark beeinflusst von den Schriften des marxistischen Historikers Federico Brito Figueroa, dem Chávez im Studium begegnet war, integrierte aber auch Einflüsse aus linken Theorien, z. B. Fidel Castros, Che Guevaras oder Salvador Allendes und seit 2007 auch Leo Trotzkis.

Kernpunkte

Die zentralen Punkte des Bolivarismus sind:

  • nationale Unabhängigkeit
  • Einigung Lateinamerikas oder zumindest Südamerikas
  • politische Beteiligung der Bevölkerung durch Volksentscheide und Referenden
  • ökonomische Eigenständigkeit
  • eine Ethik des Dienstes am Volk
  • gerechte Verteilung der umfangreichen Erdöleinnahmen
  • Bekämpfung von Korruption

Umsetzung

Da sich Chávez’ Politik stark auf die Unterstützung durch die Bevölkerung stützt und die Integration basisdemokratischer Elemente in die Politik ein wesentlicher Zug des Bolivarismus ist, rief er 2000 zur Gründung der Bolivarischen Zirkel auf. Die Zirkel können für lokale Projekte Finanzierung von Seiten des Staates erhalten. Diese dezentral auf Stadtteil- und Blockebene organisierten und trotz ihres Ursprungs autonomen Zirkel sollten eigentlich die bolivaristischen Ideen in die Bevölkerung tragen und ein Forum zur praktischen Mitarbeit bilden. Anders aber als z. B. Nachbarschaftskomitees waren sie in ihrer Kompetenz nicht auf lokale Politik beschränkt, sondern äußerten sich auch zu gesamtpolitischen Fragen.[1]

Mittlerweile sind die Zirkel nahezu nicht mehr existent. An ihre Stelle traten zahlreiche andere Formen der Basisorganisierung, unter anderem rund um die Misiones genannten Sozialprogramme in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Betreuung von Obdachlosen, Alten und alleinstehenden Müttern, Berufsbildung u.a.

Als Parallelstruktur zu den aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Institutionen begann im Jahre 2005 als Initiative von unten der Aufbau von Kommunalen Räten. Fundament und zentrales Entscheidungsorgan dieser Räte sind die Nachbarschaftsversammlungen. Im April 2006 verabschiedete die Nationalversammlung ein Gesetz für die Kommunalen Räte. Mehrere kommunale Räte können sich zu einer Comuna und mehrere Comunas und Räte schließlich zu einer Kommunalen Stadt zusammenschließen. 2009 gab es in ganz Venezuela bereits etwa 30.000 Kommunale Räte, die in städtischen Gebieten aus etwa 200 bis 400 Familien bestehen. Etwa 200 Comunas befanden sich im Aufbau. Finanziert werden die Räte im Wesentlichen durch den Staat und seine Institutionen.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Dario Azzellini, Venezuela Bolivariana. Revolution des 21. Jahrhunderts?, Neuer ISP Verlag, 2006, ISBN 3-89900-120-6, S. 295–299.
  2. Dario Azzellini: 10 Jahre Bolivarianischer Prozess an der Regierung. In: arranca! Abgerufen am 14. Februar 2010.

Literaturhinweise

  • Azzellini, Dario (2006): Venezuela Bolivariana. Revolution des 21. Jahrhunderts?, Neuer ISP Verlag, ISBN 3-89900-120-6, 320 S.
  • Diehl, Oliver und Muno, Wolfgang: Venezuela unter Chavez - Aufbruch oder Niedergang?. Vervuert Verlagsges., Frankfurt a.M. 2005, ISBN 978-3865271808 (175 Seiten).
  • Niebel, Ingo: Venezuela not for Sale: Visionäre gegen neoliberale Putschisten. Homilius, Berlin 2006, ISBN 978-3897068704 (334 Seiten).
  • Twickel, Christoph (2006): Hugo Chávez. Eine Biographie. Edition Nautilus. ISBN 3-89401-493-8
  • Winter, J. & Schamansky, A. (2005): Sind die Andenstaaten unregierbar? Ursachen der politischen Krise in Bolivien, Ekuador und Peru. In: Zeitschrift Entwicklungspolitik Nr. 14, Jg. 2005, Seite 30-34. Download unter: [1]
  • Scheer, André: Kampf um Venezuela, Hugo Chávez und die Bolivarianische Revolution. Neue Impulse Verlag, 2004, ISBN 978-3910080492 (169 Seiten).
  • Sevilla, Rafael & Boeckh, Andreas (Hrsg.): Venezuela – Die Bolivarische Republik. Bad Honnef 2005, ISBN 3-89502-197-0
  • Luger, Ralph: Die Bolivarische Revolution und ihre historischen Voraussetzungen - Venezuelas Weg in eine Delegative Demokratie. WVB, Wien 2007, ISBN 978-3-86573-383-2 (Diplomarbeit, 173 Seiten).
  • Michael Zeuske: Kleine Geschichte Venezuelas. München: Beck, ISBN 978-3-406-54772-0.
  • Michael Zeuske: Von Bolívar zu Chávez. Die Geschichte Venezuelas. Zürich: Rotpunktverlag 2008, ISBN 978-3-85869-313-6.

Filme

Weblinks


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