Henri Nannen

Henri Nannen

Henri Nannen (* 25. Dezember 1913 in Emden; † 13. Oktober 1996 in Hannover) war ein deutscher Verleger und Publizist. Er war langjähriger Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift Stern.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und Anfänge als Journalist

Henri Nannen, Sohn eines Polizeibeamten, machte eine Buchhändlerlehre, studierte von 1934 bis 1938 Kunstgeschichte in München und sammelte erste Berufserfahrung als freier Mitarbeiter in der Fachzeitung Die Kunst des Verlegers Hugo Bruckmann. Beim Reichssender München begann er seine journalistische Karriere. Während der Olympischen Spiele 1936 war er Stadionsprecher in Berlin. Er wirkte auch als Sprecher in Leni Riefenstahls zweiteiligem Olympiafilm mit. Nannen erhielt zu dieser Zeit ein Arbeitsverbot und den Verweis von der Universität wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Erst eine Intervention Bruckmanns bewirkte 1937 deren Aufhebung.

Im Zweiten Weltkrieg diente er bei der Luftwaffe als Kriegsberichtserstatter in der Propagandakompanie, so weit bekannt in der Abteilung „Südstern“ der SS-Standarte Kurt Eggers.[1] Diese war mit Propaganda gegen die Westalliierten in Italien befasst. Hinweise auf eine SS-Mitgliedschaft Nannens ergeben sich daraus jedoch nicht. Das „Südstern“-Teileinheitszeichen soll angeblich Vorbild für das Logo des späteren Magazins Stern gewesen sein. 1944 veröffentlichte er den Heftroman Störfeuer von "MI71" der Serie Kriegsbücherei der deutschen Jugend (Band 144), die von 1939 bis 1945 in 156 Bänden im Steiniger Verlag, Berlin, erschien, und in der auch bekannte Autoren wie Fritz Otto Busch und Otto Mielke publizierten.

Nach dem Krieg gründete er 1946 die Tageszeitung Hannoversche Neueste Nachrichten, als deren Herausgeber er bis 1947 fungierte. Von 1947 bis 1949 war er Chefredakteur der Hannoverschen Abendpost.

Chefredakteur und Herausgeber des Stern

1948 rief Nannen die Illustrierte Stern aus der Jugendzeitschrift Zick-zack ins Leben. Schon 1951 verkaufte er seine Anteile am Stern, unter anderem an den Druckereibesitzer Richard Gruner und die Wochenzeitung Die Zeit von Gerd Bucerius. Von 1949 bis 1980 war er Chefredakteur des Stern, bis 1983 war er dessen Herausgeber. Unter seinem Engagement wurde aus der Illustrierten Stern Europas auflagenstärkstes Magazin. Durch seine Reportagen löste der Stern öffentliche Kontroversen aus.

Im Dezember 1970 kam es zu einem von etwa 15 bis 20 Millionen Zuschauern gesehenen Fernsehduell zwischen Nannen, der die Politik von Willy Brandt eher bejahte, und dem Moderator des ZDF-Magazins Gerhard Löwenthal, der die Politik Brandts ablehnte. Löwenthal warf Nannen in der Sendung vor, dieser beschäftige einen "Mann namens Weidemann", der während des Krieges im oberitalienischen Bevilacqua (Venetien) einen Partisanen und eine unschuldige Geisel erhängt habe, und Nannen selbst sei in dieses Kriegsverbrechen involviert gewesen. Nannen ging gegen diese Behauptung gerichtlich vor und der Stern setzte seine Reporter zur Klärung dieses Falles ein. Diese konnten die beiden für die Tat verantwortlichen deutschen Unteroffiziere ausfindig machen und entdeckten zudem noch ein siebzig Seiten starkes Manuskript, das eineinhalb Jahre zuvor Journalisten des Axel Springer Verlages zusammengestellt hatten und das diese inkriminierenden Vorwürfe enthielt. Die darin enthaltenen Vorwürfe waren allerdings Axel Springer und dem Welt-Chefredakteur Herbert Kremp zu vage und zu unbewiesen, um veröffentlicht zu werden. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die von Löwenthal und seinem Mitarbeiter Meyer veröffentlichten Texte in längeren Passagen mit Springers Nannen-Dossier wörtlich übereinstimmten, einigten sich die Parteien gerichtlich. Löwenthal und das ZDF erklärten öffentlich, "sorgfältige Recherchen" hätten ergeben, dass "weder Weidemann noch ein Angehöriger seiner Einheit für Verhöre, Todesurteile und Hinrichtungen verantwortlich oder daran beteiligt waren", und nahmen die im Zusammenhang mit den Vorfällen von Bevilacqua gegen Hans Weidemann und gegen die politische Glaubwürdigkeit von Henri Nannen erhobenen Vorwurfe in aller Form zurück.[2]

1970 stiftete Nannen den Egon-Erwin-Kisch-Preis. Dieser Medienpreis ging im Jahr 2005 in der Kategorie „Reportage“ des neu geschaffenen Henri-Nannen-Preises auf. Für den Skandal um die von Konrad Kujau gefälschten Hitler-Tagebücher übernahm Nannen 1983 insofern die Verantwortung, als er sich öffentlich der Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht bezichtigte.

Privates

Anlässlich seines 70. Geburtstages schenkte der passionierte Kunstsammler zusammen mit seiner Frau Martha Nannen im Rahmen einer Stiftung seiner ostfriesischen Heimatstadt Emden seine bedeutende Kunstsammlung, die hauptsächlich aus Gemälden und Skulpturen deutscher Expressionisten bestand. Die dafür erbaute Kunsthalle in Emden wurde 1986 eröffnet. 1989 wurde ihm die Ehrenbürgerwürde seiner Geburtsstadt verliehen, in die er in den 1980er Jahren auch zurückgekehrt war.

Er war seit 1990 in dritter Ehe mit Eske Nannen, geb. Nagel, verheiratet, die der Kunsthalle heute als Geschäftsführerin vorsteht.

Henri Nannen hat einen Sohn (geb. 1946).

Auszeichnungen

Siehe auch

Literatur

  • Erich Kuby: Der Fall „Stern“ und die Folgen. Konkret Literatur, Hamburg 1983, ISBN 3922144330.
  • Nils Minkmar: Die doppelte Wundertüte. Wie Henri Nannen den ‚Stern‘ erfand. In: Lutz Hachmeister, Friedemann Siering (Hrsg.): Die Herren Journalisten. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47597-3, S. 185–195.
  • Hermann Schreiber: Henry Nannen. Drei Leben. Bertelsmann, München 1999, ISBN 3570001962.
  • Peter Wanjek: Der deutsche Heftroman. Ein Handbuch der zwischen 1900 und 1945 im Deutschen Reich erschienen Romanhefte, Wilfersdorf (Ganzbiller) 1993, S. 296.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Habbo Knoch, Die lange Dauer der Propaganda, S. 213. In: Geschichte für Leser: populäre Geschichtsschreibung in Deutschland im 20. Jahrhundert, Band 2004 und Südstern-Flugblätter im Bestand der Staatsbibliothek Berlin
  2. Hang von Kuenheim: Löwenthal hißte die weiße Fahne. „Stern“-Chef Nannen siegte über den ZDF-Moderator. In: Die Zeit Nr. 44, 29. Oktober 1971 (abgerufen am 31. Januar 2011).

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