Geheimes Markusevangelium

Geheimes Markusevangelium
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Kloster von Mar Saba, Bethlehem

Das Geheime Markusevangelium ist eine hypothetische erweiterte bzw. modifizierte Fassung des Markusevangeliums. Dessen Existenz wird angenommen aufgrund eines Textfragments, welches als Zitat einer erweiterten Textfassung sowie dessen Bearbeitung durch Karpokrates von Alexandria erscheint. Das Fragment wird von Morton Smith beschrieben. Smith will es 1958 im Kloster von Mar Saba gefunden haben in drei handschriftlichen Textseiten am Werkende einer gedruckten Werkausgabe von Ignatius von Antiochien.[1] Das Schriftbild wäre für einen Schreiber des 18. Jahrhunderts typisch. Der Text erscheint als Brief des Clemens von Alexandria, welcher auf die Textbearbeitung durch Karpokrates hinweist und dabei die fraglichen Passagen, die zwischen Mk 10,34 und 35 sowie nach 10,46a platziert wären, zitiert.

Smith hatte den Text 1973 publiziert[2] und daran weitreichende Spekulationen bezüglich des historischen Jesus und frühchristlicher Moralvorstellungen geknüpft. Diese werden von nahezu allen Bibelwissenschaftlern als unhaltbar beurteilt. Auch die Authentizität des Textes wird von vielen als sehr fraglich erachtet. Falls er tatsächlich auf Clemens zurückgehen sollte, müsste die erweiterte Evangelienfassung nach Mitte des 2. Jh. datiert werden - nicht, wie Smith postuliert hatte, als früher denn die überlieferte Markus-Fassung. Viele Forscher halten den Text rundweg für eine Fälschung von Smith. Dafür spricht die Entsprechung zur Handlung eines kanadischen Romans von James Hogg Hunter, Das Geheimnis von Mar Saba 1940.[3]

Inhaltsverzeichnis

Textinhalt

Der Briefadressat, Theodorus Clemens, soll wegen einiger angeblicher Markus-Zitate, die die Karpokratianer verbreiteten, Clemens befragt haben. Letzterer berichtet nun: Markus habe in Alexandria ein erweitertes Evangelium verfasst, das in der Bibliothek von Alexandria aufbewahrt werde:

[Solchermaßen] verfaßte [Markus] ein geistigeres Evangelium zum Gebrauch für jene, die eben vervollkommnet wurden. Desungeachtet enthüllte er nicht die nicht zu verbreitenden Dinge, noch schrieb er die hierophantische Lehre des Herrn nieder, sondern fügte den schon geschriebenen Geschichten noch andere hinzu und brachte überdies gewisse Aussprüche hinein, von denen er wußte, daß ihre Interpretation als ein Mystagogon die Hörer in das innerste Heiligtum jener Wahrheit führen würde, die von sieben [Schleiern] verhüllt ist. So bestimmte er insgesamt, meiner Meinung nach, weder ungern noch unvorsichtig, die Dinge vorher und hinterließ sterbend sein Werk der Kirche in Alexandria, wo es noch heute aufs sorgfältigste behütet und nur denen vorgelesen wird, die in die großen Geheimnisse eingeweiht werden.

Gleichwohl sei Karpokrates, der Anführer einer gnostisch-christlichen Sekte, unter Anwendung hinterlistiger magischer Künste in den Besitz einer Kopie gelangt und beschmutze nun die „makellosen und heiligen Worte“, indem er ihnen „äußerst schamlose Lügen“ beimenge. Und wenn nun die Karpokratianer ihr verfälschtes Werk zeigten, solle man unter Eid verneinen, dass es das Geheime Evangelium des Markus sei – auch wenn es Teile dieses Evangeliums enthalte.

Da aber die unreinen Geister immer auf die Zerstörung der Rasse der Menschen sinnen, machte sich Karpokrates, von ihnen unterrichtet und hinterlistige magische Künste gebrauchend, einen gewissen Presbyter der Kirche in Alexandria so gefügig, daß er von ihm eine Abschrift des Geheimen Evangeliums bekam, das er seiner blasphemischen und fleischlichen Doktrin entsprechend auslegte und es darüber hinaus beschmutzte, indem er den makellosen und heiligen Worten äußerst schamlose Lügen beimengte. Aus dieser Mischung sind die Lehren der Karpokratianer abgezogen. Ihnen darf man daher, wie ich oben sagte, nie nachgeben, noch auch sollte man, wenn sie ihre Fälschungen herausstellen, ihnen zugeben, daß das Geheime Evangelium von Markus ist, sondern sollte es sogar unter Eid verneinen. „Nicht alles Wahre muß allen Menschen gesagt werden.“

Es folgt eine Passage des "geheimen Evangeliums" im Originaltext unter Angabe der genauen Textstelle (zwischen Mk 10,34 und 35):

„Und sie kamen nach Bethanien, und eine gewisse Frau, deren Bruder gestorben war, war dort. Und herzu kommend, warf sie sich vor Jesus nieder und sagte zu ihm: 'Sohn Davids, habe Erbarmen mit mir.' Aber die Jünger wiesen sie zurück. Und Jesus, der in Wut geriet, ging mit ihr in den Garten, wo das Grab war, und sogleich wurde ein lauter Schrei aus dem Grab gehört. Und näher tretend, rollte Jesus den Stein vom Eingang des Grabes weg. Und sogleich ging er hinein, wo der Jüngling war, streckte seine Hand aus und zog ihn hoch, indem er dessen Hand ergriff. Aber der Jüngling, als er ihn ansah, liebte ihn und fing an, ihn anzuflehen, daß er bei ihm sein möge. Und sie gingen aus dem Grab heraus und kamen in das Haus des Jünglings, denn er war reich. Und nach sechs Tagen sagte ihm Jesus, was er tun solle, und am Abend kommt der Jüngling zu ihm, ein leinenes Tuch über [seinem] nackten [Körper] tragend. Und er blieb diese Nacht bei ihm, denn Jesus lehrte ihn das Geheimnis des Reiches Gottes. Und von da erhob er sich und ging auf die andere Seite des Jordans zurück.“

Anschließend weist der Verfasser darauf hin, dass die Worte „nackter Mann mit nacktem Mann“ und die anderen Dinge, von denen Theodorus geschrieben habe, dort nicht vorhanden seien.

Außerdem füge das geheime Evangelium den Worten „Und er kommt nach Jericho“ [in Mk 10,46] noch Folgendes hinzu:

„Und die Schwester des Jünglings, den Jesus liebte, und seine Mutter und Salome waren dort, und Jesus empfing sie nicht“.
Aber die vielen anderen [Dinge, über] die du schriebst, scheinen falsch zu sein und sind Fälschungen.
Nun, die wahre Erklärung und das, was mit der wahren Weisheit übereinstimmt...

Hier bricht der Bericht mitten auf der Seite ab.

Forschungsdiskussion

Befund

Der Forschungsbericht von Morton Smith und seine daraus gezogenen Folgerungen wurden in der bibelwissenschaftlichen Forschung zum größten Teil mit Skepsis aufgenommen. Die von Smith beschriebenen Dokumente sollen nach dem Transfer vom Kloster Mar Saba bei Jerusalem in die Bibliothek des Orthodoxen Patriarchates in Jerusalem nicht mehr aufzufinden sein. Es existieren nur die von Smith 1973 publizierten photographischen Reproduktionen.

Frühe linguistische Analysen hielten eine Verfasserschaft durch Clemens von Alexandria für möglich. Allerdings wurden inhaltliche Diskrepanzen zum sonstigen Werk des Clemens festgestellt.

Die Textvariante weist Nähen u.a. zum Johannesevangelium auf.[4]

Hypothese einer gnostischen Texterweiterung des kanonischen Markusevangeliums

Mehrere Neutestamentler sehen im von Smith publizierten Text eine gnostische Überarbeitung des Markus-Evangeliums aus dem 2. Jh.[5] Klaus Berger datiert den Text auf etwa 130.[6]

Auch unter der Annahme einer Verfasserschaft des Clemens ist die Authentizität seines Berichts fraglich. Denn kein anderer Autor bezeugt die fragliche Textfassung des Markusevangeliums und Clemens gilt nicht als durchgehend verlässliche Quelle bei der Zuschreibung und Anerkennung außerkanonischer und apokrypher Texte.

Erklärungsbedürftig ist unter der Annahme einer gnostischen Texterweiterung die Erzählung vom "jungen Mann" in Mk 14,50-52 und die Lücke in Mk 10,46, die bereits vor der Entdeckung des "Geheimen Markus-Evangeliums" bekannt war. Man müsste den Autoren der gnostischen Erweiterung unterstellen, die sprachlichen Inkonsistenzen im Markus-Evangelium ebenfalls wahrgenommen und auf hochkomplexe Weise gelöst zu haben.

Hypothese eines zeitlichen Vorrangs des "Geheimen Markus-Evangeliums"

Nur sehr wenige Forscher nehmen an, dass das geheime Markus-Evangelium älter ist als das kanonische Markus-Evangelium. Helmut Koester beispielsweise argumentiert für folgende Textentwicklung: Anfangs stand die Ur-Fassung, die Matthäus und Lukas verwendet hätten. Danach sei jener Markus-Text publiziert worden, welchen die alexandrinische Kirche besessen habe. Daraus sei dann die gnostifizierte Version von Karpokrates hervor gegangen. Bald darauf oder gleichzeitig sei eine gekürzte Version von Markus weithin publiziert und zum kanonischen Markus-Evangelium geworden. Der Ur-Markus sei, ebenso wie die Logienquelle Q, nicht erhalten geblieben. Koester vermutet auch noch weitere Reflexe des "Geheimen Markusevangeliums" im kanonischen Markustext.[7]

Diese These beruft sich auf zwei Stellen im kanonischen Markus-Evangelium. So heißt es dort anlässlich der Festnahme von Jesus Christus durch die Hohepriester:

„Ein junger Mann aber, der nur mit einem leinenen Tuch bekleidet war, wollte Jesus nachgehen. Da packten sie ihn; er aber ließ das Tuch fallen und lief nackt davon.“ (Mk 14,50-52)

Die Tatsache, dass der junge Mann, der Jesus zu folgen versuchte, nur mit einem Leinentuch bekleidet war, ist unter der Hypothese der Vorgängerschaft des "Geheimen Markus-Evangelium" erklärbar: Es handelt sich dann um den Jüngling, den Jesus zuvor in Betanien von den Toten auferweckt hatte (nach Joh 12,1 also um Lazarus). Ein solcher Bezug auf Lazarus wird auch von Autoren vermutet, die sich nicht auf das geheime Markus-Evangelium beziehen. Die allgemeine kirchliche Tradition geht allerdings davon aus, der Jüngling sei Markus selbst gewesen.

Auch kann der abrupte Übergang in Mk 10,46 (im ersten Satz kommen die Jünger nach Jericho, im zweiten Satz verlassen sie es bereits wieder) bei Zugrundelegung des "Geheimen Markus-Evangeliums" als Folge einer Kürzung erklärt werden.

Die ungewöhnliche Schrumpfung des Markus-Evangeliums kann dann erklärt werden als Zensur von Stellen, die nicht mit der späteren kirchlichen Lehre übereinstimmten. So verurteilt etwa Paulus an verschiedenen Stellen die gleichgeschlechtliche Begierde zwischen Männern (Röm 1,27). Dies könnte ein Grund sein, warum das längere der beiden oben zitierten Fragmente gestrichen wurde. Die Streichung des kürzeren Fragments dürfte sich dagegen der Erwähnung Salomes verdanken. In gnostischen Schriften wird Salome, ebenso wie Maria Magdalena, zu den Jüngern gerechnet. Einige Autoren gehen davon aus, dass in den kanonischen Evangelien Texte gestrichen wurden, um ihre Bedeutung nachträglich zu schmälern.

Gegen die Annahme, dass das Markus-Evangelium dem kanonischen Markus-Text vorausliegt, wird u.a. das textkritische Prinzip ins Feld geführt, dass die kürzere von zwei Textvarianten meistens auch die ältere ist. Andererseits hätte die Annahme einer "Zensur" keinerlei unabhängige Belege oder nachweisliche Parallelen.

Pastiche

Eine weitere Hypothese ist auch, dass es sich um eine so genannte Pastiche handle, also eine Zusammenstellung von Texten aus verschiedenen Evangelien unter möglicher Verwendung von älterem Material. Solche Pastichen sind aus etwas späterer Zeit vielfach überliefert. Diese These wird vom Bibelwissenschaftler F. F. Bruce vertreten, der in seinem Londoner Vortrag jedes der einzelnen Textstücke identifiziert und dazu die Quelle angibt. Auch hier bleiben die Inkonsistenzen im kanonischen Markus-Evangelium und die Frage, warum sie im geheimen Evangelium aufgelöst sind, ein offenes Problem.

Moderne Fälschung

Einige Autoren vertreten die Hypothese, dass das geheime Markus-Evangelium eine moderne Fälschung oder ein Hoax von Morton Smith selbst ist. Stephen C. Carlson unternahm Handschriftvergleiche, Stil- und Vokabularanalysen und fand inhaltliche Hinweise auf eine Entstehung im 20. Jahrhundert.[8] Francis Watson beobachtet textinterne Anomalien, die gegen eine Autorschaft von Clemens sprechen. Smith habe zudem schon vor 1958/1960 ähnliche Interessen und Themen verfolgt.[9] Der Paläograph Agamemnon Tselikas beurteilt den Brief als Fälschung. Er stellt fest, dass die Handschrift keine Ähnlichkeit mit den Handschriften der Mönche hat. Das Buch war nach den präzisen Aufzeichnungen des Klosters nicht vor 1923 im Besitz und nach 1923 kann niemand den Brief hineingeschrieben haben, da die Bibliothek streng überwacht wird. Er kommt zu dem Schluss, dass die Eintragung anderswo erfolgte und das Buch nachträglich nach Mar Saba gebracht wurde. Daraus schließt er, dass Gelegenheit und Motiv Smith zum Verdächtigen machen und dass Smith die Fälschung vorgenommen hat, oder sie von jemand hat anfertigen lassen.[10]

Einige Wissenschaftler befanden 2009, dass der Text in der Ignatius-Ausgabe deutliche Unterschiede zur Handschrift Morton Smiths aufweist und darum nicht von Morton Smith geschrieben ist und der inzwischen verstorbene Smith somit unschuldig ist. Peter Jeffery stellte wegen der unterschiedlichen Interpretationen einen Klärungsbedarf fest und beauftragte Venetia Anastasopoulou die Handschrift Smiths mit der Ignatiusausgabe zu vergleichen. Venetia Anastasopoulou erstellte ein graphologisches Gutachten, wonach die Schrift in einer spontanen Art selbstsicher und ruhig geschrieben sei und sie weicht von der Handschrift Smiths ab. Es handelt sich darum um keine Fälschung von Smith selbst. Auch betrachtet sie das Werk insgesamt als keine Fälschung, sie schließt aus, dass die Fälscher im Umfeld von Smith zu finden sind, da der Text keine Ähnlichkeit mit einer modernen Schreibweise aufweist.[11][12]

Da es keine Originale mehr gibt, sondern nur die 1973 publizierten Fotos aus dem Jahr 1958, kann das Alter des Manuskripts nicht mehr durch chemische Analyse genau festgestellt werden.[13]

Interpretation und Wertung

Morton Smith

Die von Smith publizierten Schlussfolgerungen in seinen Büchern „The secret Gospel: The discovery and interpretation of the secret Gospel according to Mark“ (1974) und „Jesus the Magician“ (1981) werden von der großen Mehrheit der Forscher abgelehnt.

Von den verstreuten Andeutungen in den kanonischen Evangelien und dem geheimen Markus-Evangelium können wir uns ein Bild machen von der Taufe von Jesus, dem „Geheimnis des Reiches Gottes“. Es war eine Wassertaufe, die Jesus bei ausgewählten Jüngern vollzog, einzeln und des Nachts. Der Jünger trug dabei ein leinenes Tuch über dem nackten Körper. Dieses Tuch wurde wahrscheinlich für die eigentliche Taufe, das Eintauchen ins Wasser, entfernt. Dieses Eintauchen war eine vorbereitende Reinigung. Danach wurde der Jünger durch unbekannte Zeremonien mit dem Geist von Jesus vereinigt. Eins mit Jesus, nahm er so durch Halluzination an dessen Aufstieg in den Himmel teil, er trat ins Reich Gottes ein und wurde dadurch von den Gesetzen der niedrigeren Welt befreit. Freiheit vom Gesetz könnte die Vollendung der geistigen Vereinigung durch eine körperliche Vereinigung gewesen sein. Das geschah sicher in vielen Formen des gnostischen Christentums. Wie früh es begann, lässt sich nicht sagen. Morton Smith, The Secret Gospel (1974)

Homosexuelle Handlung oder Initiation?

In verschiedenen Medien der Schwulenbewegung wurde die von Morton Smith eher angedeutete Möglichkeit, dass Jesus und der unbekannte junge Mann in der Nacht eine sexuelle Beziehung eingegangen seien, zu einer durch das Geheime Markusevangelium belegten Tatsache uminterpretiert. Weiter wurde daraus geschlossen, dass Jesus entweder homosexuell oder bisexuell orientiert gewesen sei.

Allerdings ist diese Interpretation als anachronistisch zu bezeichnen, da die Formulierungen („... am Abend kommt der Jüngling zu ihm, ein leinenes Tuch über [seinem] nackten [Körper] tragend. Und er blieb diese Nacht bei ihm, denn Jesus lehrte ihn das Geheimnis des Reiches Gottes.“) für einen Leser in der Antike vermutlich keine homosexuelle Handlung implizierten. Die nächtliche Belehrung entspricht eher einem jüdischen Topos, wie er im Jubiläenbuch erhalten ist.

Identität des Jünglings

Obwohl die Parallelen zwischen dem im Clemens-Brief zitierten Bericht von der Erweckung des Jünglings und der Perikope von der Erweckung des Lazarus im Johannes-Evangelium natürlich sehr auffällig sind, kann nicht sicher geschlossen werden, dass der Jüngling des Clemens-Briefs mit dem Lazarus aus Joh 11 identisch ist (Das Neue Testament und Frühchristliche Schriften; Klaus Berger und Christiane Nord; Frankfurt 1999, S.924).

Insgesamt kann man sagen, dass die Frage nach der Identität des Jünglings kein neues Feld eröffnet, sondern ein bestehendes Feld erweitert. Zur wechselseitigen Identifizierung stehen die folgenden Gestalten des NT an:

  • der reiche Jüngling (Mk 10,17-22)
  • der Jüngling am Grab (Mk 16,5-7) (trägt ein langes, weißes Gewand)
  • der Jüngling im Garten Gethsemane (Mk 14,51,52) (trägt Leinengewand auf bloßer Haut, flieht unter Zurücklassung desselbigen)
  • Lazarus, Bruder von Maria und Martha (Joh 11,1-46; 12,1-2,9-11,17-19) (trägt bei der Auferstehung von den Toten Grabbinden und Schweißtuch)
  • der Jünger, den Jesus liebte (Joh 13,23-26; 19,26-27; 20,2-10; 21,20-24)

Insbesondere die rätselhafte Gestalt des Jünglings am Grab und die beiläufige Erwähnung des Jünglings im Garten Gethsemane beim sonst für seine lakonische Kürze bekannten Markus haben schon Generationen von NT-Exegeten vor bislang nicht gelöste Probleme gestellt.

Das geheime Evangelium der Adidam

In den 1980er Jahren wurde das apokryphe Markus-Evangelium von der Adidam, einer für viele sexuelle Varianten offenen kalifornischen religiösen Gruppe in Hindu-Tradition, vereinnahmt und publiziert. Der Guru der Bewegung meinte, Smith habe in diesem Brief das Herz-Meister-Da entdeckt, eine alte Bestätigung, dass auch Jesus ein Geisttäufer gewesen sei, der Jünger in den echten spirituellen Yoga-Vorgang eingeweiht habe.

Morton Smiths The Secret Gospel wurde im Verlag der Gruppe (Dawn Horse Press) mit einem entsprechenden Vorwort von Elaine Pagels neu herausgegeben.

Edwin Yamauchi

Ein prominenter Kritiker von Smiths Interpretation war der Historiker Edwin Yamauchi. In seinem 1986 erschienenen Essay über Magie und Wunder wies er auf einige schwache Punkte von Smiths Arbeit hin, insbesondere bezüglich seiner Reinterpretation von Jesus als Magus-Zauberer. Yamauchi argumentierte, dass die Neigung von Smith zum Finden von Parallelen zwischen Jesus und dem Leben des Pythagoräers Apollonius von Philostratus historisch anachronistisch sei. Er argumentierte auch, dass Smith Abschnitte von griechischen magischen Papyri außerhalb ihres Kontext zitierte, um sein Argument zu unterstützen, dass Jesus und die frühen Christen Magie praktiziert hätten.

F. F. Bruce

Der Bibelwissenschaftler F. F. Bruce sah 1974 in dem Text eine gnostische Apokryphe, die deutlich jünger ist als die kanonischen Schriften, und hält es für gut möglich, dass sie innerhalb der Karpokraten oder einer ähnlichen Gruppe entstanden ist. Dass Clemens sie für echt hielt, sieht er als irrelevant an angesichts von Clemens' sehr unkritischer Akzeptanz anderer Apokryphen. Für ihn ist die Geschichte sehr offensichtlich eine eher unbeholfene Nachahmung der Auferweckung des Lazarus bei Johannes und keine unabhängige Markus-Parallele dazu, ganz zu schweigen davon, dass es sich um die Quelle des Johannesberichts handeln könnte.

Literatur

  • Morton Smith: Clement of Alexandria and a Secret Gospel of Mark. Harvard University Press, Cambridge MA 1973, ISBN 0-674-13490-7, (wissenschaftlich).
  • Morton Smith: Auf der Suche nach dem historischen Jesus. Entdeckung und Deutung des geheimen Evangeliums im Wüstenkloster Mar Saba. Ullstein, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-550-07467-0, (populär).
  • F. F. Bruce: Außerbiblische Zeugnisse über Jesus und das frühe Christentum. Herausgegeben von Eberhard Güting. Brunnen-Verlag, Gießen 1991, ISBN 3-7655-9366-4, (Monographien und Studienbücher).
  • Stephen C. Carlson: The Gospel Hoax. Morton Smith's Invention of Secret Mark. Baylor University Press, Waco TX 2005, ISBN 1-932792-48-1.
  • Edwin M. Yamauchi: A Secret Gospel of Jesus as 'Magus'? A Review of the Recent Works of Morton Smith. In: Christian Scholar's Review 4, 1975, 3, ISSN 0017-2251, S. 238–251.

Siehe auch

Einzelnachweis

  1. Es handelt sich um die Ausgabe von Isaac Voss, Amsterdam 1646. Erster Fundbericht Smith' auf der Jahrestagung der Society of Biblical Literature, New York 1960.
  2. Morton Smith: Clement of Alexandria and a Secret Gospel of Mark. Harvard University Press, Cambridge MA 1973, ISBN 0-674-13490-7. Ferner in einem populärwissenschaftlichen Werk: Morton Smith: The Secret Gospel, Harper and Row, New York 1973, dt. Übers. Auf der Suche nach dem historischen Jesus. Entdeckung und Deutung des geheimen Evangeliums im Wüstenkloster Mar Saba. Ullstein, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-550-07467-0. Edition auch in der durch Otto Stählin besorgten Werkausgabe von Clemens Alexandrinus: Ursula Treu (Hg.): Die Griechischen Christlichen Schriftsteller. Clemens Alexandrinus 3, Akademie Verlag, Berlin 1980, mit Vermerk der Vorläufigkeit.
  3. Vgl. Hans-Josef Klauck: Die apokryphe Bibel: ein anderer Zugang zum frühen Christentum, Mohr Siebeck, Tübingen 2008, S. 87-93, hier 89. Craig A. Evans: The Apocryphal Jesus: Assessing the Possibilities and Problems, in: Craig A. Evans, Emanuel Tov (Hgg.): Exploring the origins of the Bible, Baker, Grand Rapids 2008, 147-172. Stephen C. Carlson: The Gospel hoax: Morton Smith's invention of Secret Mark, Baylor University Press, Texas 2005, S. 111. Robert M. Price: Second Thoughts on the Secret Gospel, in: Bulletin for Biblical Research 14/1 (2004), 127-132, hier 131f. Scott Gregory Brown: Mark's other gospel: rethinking Morton Smith's controversial discovery, Studies in Christianity and Judaism 15, Canadian Corporation for Studies in Religion, Wilfrid Laurier University Press, Waterloo, Ontario 2005, S. 57ff. Jacob Neusner: Who Needs "The Historical Jesus"? An Essay-Review, in: Bulletin for Biblical Research 4 (1994), S. 113-126, hier 115f.
  4. Vgl. F. F. Bruce: The 'Secret' Gospel of Mark, Ethel M. Wood Lecture delivered before the University of London on 11 February 1974, The Athlone Press, London 1974.
  5. Vgl. etwa Gerd Theissen: Der historische Jesus, 2001, S. 130: „Die Mehrheit der Ausleger sieht das geheime Evangelium als eine gnostische Revision des kanonischen Markus, die im zweiten Jahrhundert verfasst wurde. Dies wird unterstützt durch die Betonung ihres 'geheimen' Charakters und seinen Gebrauch in karpokratischen Kreisen, die es offensichtlich verwendeten, um bestimmte liturgische Gebräuche zu legitimieren.“ Ähnlich Robert H. Gundry 1993; N.T. Wright, 1996; W. Schneemelcher: Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 1, 5. A., S. 92.
  6. K. Berger / C. Nord (Hgg.): Das Neue Testament und die frühchristlichen Schriften, Insel, Frankfurt/M. 1999, S. 6.926.
  7. Vgl. H. Koester: From Jesus to the Gospels: interpreting the New Testament in its context, Fortress, Minneapolis 2007, S. 52.
  8. Stephen C. Carlson: The Gospel Hoax. Morton Smith's Invention of Secret Mark. Baylor University Press, Waco TX 2005, ISBN 1-932792-48-1.
  9. Francis B. Watson: "Beyond Suspicion: on the Authorship of the Mar Saba Letter and the Secret Gospel of Mark", in: Journal of Theological Studies 61/1 (2010), S. 128-170.]
  10. Agamemnon Tselikas’ Handwriting Analysis Report, beauftragte durch die britische Zeitschrift Biblical Archaeology Review, 2010.
  11. Ms. Anastasopoulou’ Handwriting Analysis Report
  12. Links zu den einzelnen Beiträgen der Wissenschaftler
  13. Vgl. Bernd Kollmann: Die Jesus-Mythen. Sensationen und Legenden, Herder, Freiburg 2. A. 2009, ISBN 978-3-451-32198-6, S. 55.

Weblinks


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