Otto Stählin

Otto Stählin

Otto Stählin (* 22. Januar 1868 in Reutti; † 14. Juni 1949 in Erlangen) war ein deutscher klassischer Philologe.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Da er schon als kleines Kind bei seiner Großmutter lesen lernte, besuchte er früh die Volksschule und bereits mit 9 Jahren die Lateinschule. Danach ging er zwei Jahre in Öttingen zur Schule und die letzten vier Gymnasialklassen durchlief er in Augsburg bei St. Anna. Nach dem Abitur 1885 begann er ein Studium in Erlangen, nahm aber aus gesundheitlichen Gründen im Winter ein Urlaubssemester, das er bei seiner Mutter in Davos verbrachte. Im Sommer 1886 begann er schließlich erneut das Studium der Theologie[3] und der Klassischen Philologie. Als Schüler von August Luchs und Iwan von Müller konzentrierte er sich auf das Studium der Philologie und verbrachte das Studienjahr 1887/88 in München, um dort als jüngster und bester von allen 39 Teilnehmern das Staatsexamen zu bestehen. Obwohl er danach nach Erlangen zurückkehrte, um sich der Theologie zu widmen, konnten ihn seine früheren Lehrer zu einer wissenschaftlichen Arbeit überreden, mit der er am 2. Dezember 1889 promoviert wurde: Observationes criticae in Clementem Alexandrinum. Erst anschließend schloss er sein Theologiestudium im August 1890 erfolgreich ab.

Die Jahre bis 1894 verbrachte Stählin im Militärdienst, als Inspektor bei St. Anna und auf Reisen in Italien, Griechenland und Kleinasien, die ihm durch ein staatliches Reisestipendium ermöglicht wurden. Im August 1894 wurde er zum Gymnasiallehrer ernannt und Adolf Harnack beauftragte ihn im Frühjahr 1895 mit der Herausgabe der Schriften des Clemens von Alexandria. Neben dem Schulunterricht verbrachte er deshalb einige Zeit in der Nationalbibliothek in Paris und in vielen italienischen Bibliotheken, um die griechischen Handschriften, in denen die Werke Clemens’ enthalten waren, zu untersuchen.[4] Im Herbst 1902 wurde er an das Maximiliansgymnasium in München versetzt, wo das enorme Arbeitspensum seine Untersuchungen stark beeinträchtigte. Durch den Zugriff auf wertvolle Informationen der dortigen Staatsbibliothek konnte er dennoch die ersten beiden Bände der Clemens-Ausgabe 1905 und 1906 vollenden.

Als Folge wurde er im Herbst 1908[5] als ordentlicher Professor der Klassischen Philologie und Pädagogik an die Universität Würzburg berufen, an der er den dritten Band 1909 vollendete, aber den noch ausstehenden Registerband hinter seine anderen Arbeiten stellen musste. Im Jahr 1913 erhielt er einen Ruf als Professor der klassischen Philologie und Pädagogik und Lehrstuhlinhaber der klassischen Philologie in Erlangen, den er annahm.[6][7]

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte er sich freiwillig als Oberleutnant, später als Hauptmann im Heeresdienst in Kösching und Sennelager zur Verfügung und erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse. Er war Mitunterzeichner der Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches für den preußischen Militarismus vom 23. Oktober 1914.[8][9][10] Im Herbst 1916 ließ er sich nach Erlangen versetzen, um bis Kriegsende die akademische Lehrtätigkeit mit seinen militärischen Aufgaben zu verbinden.

In der schwierigen Zeit der Inflation war er im Studienjahr 1921/22 Rektor der Universität Erlangen[11][12] und 1925 Organisator und 1. Vorsitzender der 55. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner mit mehr als 1000 Teilnehmern. Er engagierte sich sozial[13], auch in Form der Unterstützung der deutschen Jugendbewegung, bis ihn Adolf Harnack zur Fertigstellung der Clemens-Ausgabe mahnte. Durch seinen freiwilligen Eintritt in den Ruhestand am 1. April 1935[14] erhielt er die nötige Ruhe, die Arbeit am Registerband bereits 1936 zu beenden. Er wurde 1940 zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt.[15] Obwohl er 1935 emeritiert wurde, blieb er bis zu seinem Tod ordentlicher Professor.[16]

Durch den frühen Tod seines jüngsten Sohnes 1944, ein Augenleiden und Arteriosklerose wurde seine Lebenskraft sehr geschwächt. Nach einem schweren letzten Lebensjahr wurde er im Juni 1949 mit einem Aneurysma in die Klinik gebracht und starb dort an einer Lungenentzündung.

Familie

Stählin war seit dem 4. April 1899 mit Anna Seiler, einer Enkelin Heinrich Rankes verheiratet,[17] mit der er drei Söhne und zwei Töchter hatte: Gustav (1900), Professor der Theologie, Adolf, Professor der landwirtschaftlichen Hochschule, Johannes (1913), Jurist, der im August 1944 in Nordfrankreich fiel,[18] Sophie (1903), Medizinerin, und Agnes (1919), Altphilologin[19].

Er war der Bruder von Wilhelm Stählin.[20]

Ehrungen

Die Theologische Fakultät der Universität Erlangen verlieh Stählin 1927 den Ehrendoktor in Theologie und anlässlich der Zweihundertjahrfeier der Universität Erlangen am 4. November 1943 wurde der Geheimrat Otto Stählin zum Ehrensenator ernannt.[21]

Schriften (Auswahl)

  • Welcher Reiche wird gerettet werden? / Klemens von Alexandrien. Dt. Übers. von Otto Stählin. Kösel, München 1983, ISBN 3-466-25031-5
  • Die deutsche Jugendbewegung: Ihre Geschichte, ihr Wesen, ihre Formen. A. Deichert, Leipzig; Erlangen 1922
  • Die hellenistisch-jüdische Literatur. C. H. Beck, München 1921
  • Die altchristliche griechische Literatur. C. H. Beck, München 1924

Literatur

  • Gerhard Gessner (Hrsg.): Die Familie Stählin aus Memmingen. Deutsches Familienarchiv. Bd. 11., Degener, 1959.
  • Olaf Willett: Sozialgeschichte Erlanger Professoren 1743–1933. Vandenhoeck & Ruprecht, 2001, ISBN 3525351615.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.aristarchus.unige.it/cphcl/schede.php?word=nt
  2. 17. Juni 1949. In: Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft. 1949, Band 21. S. 186.
  3. Olaf Willett: Sozialgeschichte Erlanger Professoren 1743-1933. Vandenhoeck & Ruprecht, 2001, ISBN 3525351615 (S. 134)
  4. Stefan Rebenich, Theodor Mommsen, Adolf von Harnack: Theodor Mommsen und Adolf Harnack: Wissenschaft und Politik im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Walter de Gruyter, 1997 ISBN 3110150794
  5. Antritt der Stelle am 1. Oktober 1908; siehe Personen- und Vorlesungsverzeichnis SS 1949, S. 13.
  6. http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/nachlaesse/praechter/korr.htm
  7. Otto Stählin: Das Seminar für klassische Philologie an der Universität erlangen: Rede gehalten bei der Feier seines 150 Jährigen Bestehens, am 17. Dezember 1927. Verlag von Palm & Enke, 1928, S. 28.
  8. http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2006/467/pdf/A008838631.pdf
  9. Olaf Willett: Sozialgeschichte Erlanger Professoren 1743-1933. Vandenhoeck & Ruprecht, 2001, ISBN 3525351615 (S. 388)
  10. Steffen Bruendel: Volksgemeinschaft oder Volksstaat: Die"ideen von 1914" und die Neuordnung Deutschlands im ersten Weltkrieg. Akademie Verlag, 2003, ISBN 3050037458, S.44.
  11. http://www.uni-erlangen.de/infocenter/uniarchiv/materialien/rektoren.shtml
  12. Grundfragen der Erziehung und Bildung bei Platon und in der Gegenwart. Rede beim Antritt des Rektorates der Bayerischen Friedrich-Alexanders-Universität Erlangen am 4. November 1921 gehalten von Otto Stählin. Erlangen 1921
  13. Olaf Willett: Sozialgeschichte Erlanger Professoren 1743-1933. Vandenhoeck & Ruprecht, 2001, ISBN 3525351615, S. 344.
  14. Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft. 1935, Band 11, S. 64.
  15. http://www.badw.de/mitglieder/v_mit/index.html#s
  16. Personen- und Vorlesungsverzeichnis SS 1949, S. 13.
  17. Gerhard Gessner (Hrsg.): Die Familie Stählin aus Memmingen. Deutsches Familienarchiv. Bd. 11., Degener, 1959, S. 226.
  18. Gerhard Gessner (Hrsg.): Die Familie Stählin aus Memmingen. Deutsches Familienarchiv. Bd. 11., Degener, 1959, S. 227.
  19. Olaf Willett: Sozialgeschichte Erlanger Professoren 1743-1933. Vandenhoeck & Ruprecht, 2001, ISBN 3525351615 (S. 265)
  20. http://www.quatember.de/J1953/q53222.htm
  21. Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft. 1944, Band 20, S. 176.

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