Gaußsches Gesetz

Gaußsches Gesetz

Das gaußsche Gesetz beschreibt in der Elektrostatik und Elektrodynamik den elektrischen Fluss durch eine geschlossene Fläche. Da das Gesetz in gleicher Weise auch für die klassische Gravitationstheorie formuliert werden kann, beschreibt es entsprechend den Fluss des gravitativen Beschleunigungsfeldes durch eine geschlossene Fläche.

Es handelt sich um eine Anwendung des Satzes von Gauß-Ostrogradski auf die Elektrostatik bzw. Elektrodynamik oder entsprechend die Gravitation. Es ist auch unter diesem Namen bekannt.

Wie das ampèresche Gesetz, das Analogon für den Magnetismus, ist auch das gaußsche Gesetz eine der vier maxwellschen Gleichungen (die erste) und somit fundamental für die klassische Elektrodynamik. Im Falle der Gravitation ergibt sich eine Gleichung, die der ersten Maxwellgleichung bis auf einige Konstanten äquivalent ist.

Im Folgenden werden wie üblich für dreidimensionale Gebiete Dreifachintegrale und für Oberflächen Zweifachintegrale benutzt; wenn es sich um geschlossene Oberflächen handelt, wird das durch ein spezielles Symbol im Zentrum des Doppelintegrals betont, das an eine Kugeloberfläche erinnern soll.

Inhaltsverzeichnis

Formulierung

Vorbereitung der integralen Form

Der Satz benutzt den Begriff des Flusses, der für alle Vektorfelder definiert ist. Man denke sich einen mit der Ladung Q geladenen Körper, der von einer orientierten, geschlossenen Fläche A umgeben ist (orientiert bedeutet, dass es eine ausgezeichnete äußere und eine innere Seite gibt). Die Fläche kann dabei beliebig geformt sein, es kann eine Kugel sein oder ein irgendwie verbeulter Ballon. Von der Ladung fließen nun nach der Feldvorstellung die Feldlinien durch diese Oberfläche, die von Q ausgehen, genau wie Wasser durch die Oberfläche flösse, gäbe es innerhalb der Fläche eine Quelle oder Senke.

Weil das Universum nach heutigem Kenntnisstand elektrisch neutral ist, müssen alle Feldlinien, die von einer Ladung ausgehen, bei einer anderen, ungleichnamigen Ladung enden. Der Fluss einer Ladung außerhalb von A fließt auf der einen Seite herein, an einer anderen Stelle wieder heraus. Der Gesamtfluss hängt also nur von der eingeschlossenen Ladung Q ab. Der Kernpunkt des Gesetzes ist, dass er tatsächlich gleich Q ist.

Die Oberfläche A kann in sehr kleine Vektoren \mathrm d \mathbf A unterteilt werden, deren Betrag genau der Flächeninhalt des Stückes ist, und deren Richtung genau senkrecht auf der Ebene steht (Normalenvektor). Der Fluss durch ein solches Stück ist die Komponente des Vektorfeldes in der Richtung des Stückes mal dem Flächeninhalt; genau das wird durch das Skalarprodukt ausgedrückt. Der Gesamtfluss durch A ist dann das Oberflächenintegral dieses Produktes über die gesamte Oberfläche.

Mit dieser Vorbereitung ist die integrale Formulierung nun zugänglich:

Formulierung der integralen Form

Zur Veranschaulichung des Normalenvektors

Die integrale Form des Gesetzes lautet im üblichen Größensystem, dem sog. Internationalen Maßsystem:

\Psi :=\int\,\!\!\!\!\!\int_{\partial V}\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\;\;\;\bigcirc\,\,\mathbf D\;\cdot\mathrm{d}\mathbf A \equiv Q(V)

In Worten: Der durch die Oberfläche \partial V eines Volumens V hindurchtretende Fluss Ψ ist gleich der gesamten in V enthaltenen elektrischen Ladung Q(V).


Dabei ist Ψ der Fluss des Vektorfeldes D durch die Oberfläche \partial V des Volumens V. Q(V) ist die darin enthaltene Ladung.

Um den Summationsvorgang über die gesamte geschlossene Oberfläche auszuführen, denkt man sich folgende Schritte:

  1. Die gesamte geschlossene Oberfläche sei aus sehr vielen winzigen, ebenen Flächenelementen zusammengesetzt.
  2. Deren Orientierung im Raum wird durch die Richtung eines Vektors dA dargestellt, der senkrecht auf dem Flächenelement steht. Das sind die Richtungen der im Bild eingezeichneten Vektorpfeile.
  3. Die Länge der Pfeile ist ein Maß für den Flächeninhalt eines Elementes. Also: Richtung von dA: senkrecht auf den Flächenelementen; Flächeninhalt =|dA| (=Pfeillänge).
  4. Für jedes Flächenelement wird Richtung und Betrag des lokalen Feldes bestimmt. Das Ergebnis ist ein anderer Vektor D, der mit dem zugehörigen Normalenvektor einen beliebigen Winkel einschließen kann.
  5. Für jedes Flächenelement wird das sog. Skalarprodukt dA · D berechnet; das Ergebnis ist eine Zahl (und zwar |dA| · |D| · {Cosinus des eingeschlossenen Winkels} )
  6. Die Ergebnisse aller Flächenelemente werden summiert und ergeben den Gesamtfluss Ψ.
  7. Das Ergebnis wird immer genauer und konvergiert gegen einen sog. Grenzwert, wenn man die Flächenelemente kleiner und kleiner wählt (Grenzübergang).

Bei manchen Problemen wie der Berechnung elektrostatischer Felder in der Umgebung einfacher geometrischer Körper wie Platte, Linienladung oder Kugel kann man Ψ durch geschickte Wahl der Flächenelemente auch ohne Integral berechnen.

Formulierung der differentiellen Form

Statt der makroskopischen Gesamtladung Q kann man die Ladung auch durch die Ladungsdichte ρ in jedem Punkt ausdrücken, wobei Q wiederum das Volumenintegral von ρ über dem gesamten von A eingeschlossenen Volumen V ist.

Die Divergenz ist gewissermaßen der Fluss durch eine beliebig kleine Oberfläche (für die mathematisch korrektere Erklärung sei auf den Artikel zur Divergenz verwiesen). Man erhält dann unter Verwendung der integralen Form

 \nabla \cdot \mathbf D = \lim_{V \to 0} { 1 \over V } \int\,\!\!\!\!\!\int_{\partial V}\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\;\;\;\bigcirc\,\,\mathbf D\;\cdot\mathrm{d}\mathbf A = \lim_{V \to 0} { 1 \over V } \iiint_V \rho(\mathbf r) \operatorname{d} r
= { 1 \over V } \rho(\mathbf r) V
= { \rho(\mathbf r)},

wobei \nabla der Nabla-Operator ist. Die differentielle Form des Gesetzes lautet

\nabla \cdot \mathbf D = { \rho(\mathbf r) }

Zeitunabhängigkeit des gaußschen Gesetzes

Das gaußsche Gesetz wird in der Literatur häufig für den Bereich der Elektrostatik hergeleitet. Als eine der Grundgleichungen der elektromagnetischen Feldtheorie gilt es jedoch ohne Einschränkungen auch für die Elektrodynamik.

Um den hohen Aussagegehalt des zeitunabhängigen gaußschen Gesetzes und den starken Zusammenhang zum Satz der Ladungserhaltung zu veranschaulichen, bietet sich ein Gedankenexperiment an:

- Das Gedankenexperiment geht davon aus, dass es möglich wäre, Ladungen zu erzeugen, und es wird der Fall betrachtet, dass im leeren Raum zum Zeitpunkt t = 0 eine Ladung Q erzeugt werde. Gefragt ist nach dem Feld \vec D der elektrischen Flussdichte, das eine um die Ladung befindliche gedachte Kugelhülle mit Radius r durchdringt.

Da der Satz von Gauß keinerlei Zeitabhängigkeit enthält, müßte gleichzeitig mit dem Erzeugen der Ladung das zu den Ladungen gehörige Feld der elektrischen Flussdichte \vec D durch die Hüllfläche treten. Da man die Entfernung r grundsätzlich frei wählen kann, müsste das Feld beispielsweise auch in einer Entfernung von r = 1Lj (ein Lichtjahr) entfernt von der Ladung sofort mit dem Entstehen der Ladung vorhanden sein. Diese Vorstellung widerspricht jedoch der einsteinschen Relativitätstheorie, die aussagt, dass sich Information (die Information über die Existenz der Ladung) und Energie (die Feldenergie) grundsätzlich maximal mit der Lichtgeschwindigkeit c0 des Vakuums ausbreiten können. Dementsprechend kann das elektrische Feld im genannten Beispiel erst mit einem Jahr Verspätung an der gedachten Hüllfläche ankommen.

Da nach allen physikalischen Erkenntnissen beide Gesetze -- die einsteinsche Relativitätstheorie und das gaußsche Gesetz -- gelten, folgt, dass Ladung weder erzeugt, noch vernichtet werden kann. Nicht ausgeschlossen hingegen ist die paarweise Erzeugung von positiver und negativer Ladung.


Gravitation

Im Rahmen der newtonschen Gravitationstheorie lassen sich die oben dargestellten Prinzipien ebenfalls auf das Gravitationsfeld anwenden. Die Gravitationsbeschleunigung einer Masse M ergibt sich aus dem Gravitationsgesetz zu

\mathbf g=-\frac{GM}{r^2}\frac{\mathbf r}{r}.

Der Fluss durch die Oberfläche eines beliebigen Volumens ist dann

\int\,\!\!\!\!\!\int_{\partial V}\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\;\;\;\bigcirc\,\,\mathbf g\;\cdot\mathrm{d}\mathbf A  = -\int\,\!\!\!\!\!\int_{\partial V}\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\;\;\;\bigcirc\,\,\frac{GM}{r^2}\frac{\mathbf r}{r} \cdot \mathbf n \, \mathrm d A =  -4 \pi G M,

wobei \mathbf n der Normalenvektor ist.

Somit lässt sich das gravitative Beschleunigungsfeld einer Massenverteilung bestimmen mit

 \int\,\!\!\!\!\!\int_{\partial V}\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\!\;\;\;\bigcirc\,\,\mathbf g\;\cdot\mathrm{d}\mathbf A  = - 4 \pi G M

In differentieller Form und für allgemeine Massenverteilungen ergibt sich

\nabla \cdot \mathbf g = -4 \pi G \rho(\mathbf r)

was das gravitative Äquivalent der ersten Maxwellgleichung ist.


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