Ernst Wagemann

Ernst Wagemann

Ernst Wagemann (* 18. Februar 1884 in Chañarcillo, Chile; † 20. März 1956 in Bad Godesberg) war ein deutscher Nationalökonom und Statistiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach seinem Studium in Göttingen, Berlin und Heidelberg promovierte Wagemann 1907 zum Doktor der Philosophie. Von 1908 bis 1910 war er Dozent am Hamburger Kolonialinstitut. 1914 wurde er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin habilitiert. 1919 folgte die Berufung zum außerordentlichen Professor an der Universität Berlin und er war gleichzeitig Regierungs- und Landesökonomierat im Preußischen Landwirtschaftsministerium sowie Vortragender Rat im Reichswirtschaftsministerium.

Von 1923 bis 1933 war Wagemann Präsident des Statistischen Reichsamtes. In dieser Eigenschaft war er auch von 1924 bis 1933 Reichswahlleiter. 1933 enthoben ihn die Nationalsozialisten seiner Stellung.

Wagemann gilt als Begründer der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland. 1925 gründete er das Institut für Konjunkturforschung, das spätere Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, dessen erster Direktor er bis 1945 war. 1932 legte er den sog. Wagemann-Plan zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise vor, in dem er ohne Absprache mit dem Kabinett Brüning eine moderate Ausweitung der Geldmenge, kombiniert mit einer strukturellen Reform des Bankwesens, empfahl.

1949 folgte er einem Ruf an die chilenische Staatsuniversität in Santiago de Chile.

Ernst Wagemann als Bevölkerungstheoretiker

Das demodynamische Alternationsgesetz ist ein Bevölkerungsgesetz von Ernst Wagemann. Es unterscheidet sich grundlegend von dem Bevölkerungsgesetz des Thomas Robert Malthus. Während Malthus jede Zunahme der Bevölkerungszahl wegen einer vermeintlich nur gering steigerbaren Bevölkerungskapazität negativ bewertete, sah Wagemann bei steigenden Bevölkerungsdichten eine endogene Verbesserung der Bevölkerungskapazität. Diese Steigerung erfolgt durch eine aus der Not geborenen Umstellung des Wirtschafts- und Sozialsystems auf eine höhere Intensität und eine Verbesserung des Handels durch erhöhte Kooperation.[1] Da diese Verbesserung der Bevölkerungskapazität nicht sofort eintritt, sondern zeitversetzt, ist es im Verlauf der soziokulturellen Evolution bei steigender Bevölkerungszahl (Demodynamik) immer wieder zu Phasen der Über- und Untervölkerung (Alternation) gekommen.[2]

Dieser neue Ansatz von Ernst Wagemann warf ein neues Licht auf einige Fragen der Nationalökonomie: Er erklärt einerseits die in den letzten 200 Jahren aufgetretene Bevölkerungsexplosion und andererseits das nebeneinander von Wohlstand als auch von Armut und Hunger. Jedoch lassen sich heute nicht mehr exakte Grenzwerte der Bevölkerungsdichte nachweisen, bei denen Übervölkerung in Untervölkerung umschlägt. Wohl aber lassen sich bestimmte sozialstrukturelle Veränderungen aufzeigen. Ein auffälliges Beispiel ist die ethnische Fraktionalisierung der verschiedenen Staaten, also das Maß inwieweit sich in dem Staatsgebiet verschiedene Bevölkerungsgruppen gegenüberstehen. Bei zunehmender Bevölkerungsdichte im Laufe der soziokulturellen Evolution verschmelzen verschiedene wegen der zunächst geringen Bevölkerungsdichte abgeschottet lebende Gruppen nach und nach zu einen einheitlicheren ethnischen Block.[3]

Rezeption

Das Gesetz, das Ernst Wagemann in den 1940er Jahren entwickelt hatte, geriet in Vergessenheit. Die dänische Agrarwissenschaftlerin Ester Boserup veröffentliche ab den 1960er Jahren ähnliche Überlegungen.[4]

Literatur

  • Thomas Pickhardt, Bevölkerungsdichte und sozialer Wandel: Ernst Wagemanns demodynamisches Alternationsgesetz - Entstehung, Rezeption, Gültigkeit, Marburg 2010.
  • Jürgens, Hans-Wilhelm, Zur „Neuentdeckung“ des demodynamischen Alternationsgesetzes, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft 13/2, 1987, S.265-266.
  • Ernst Wagemann, Das Alternationsgesetz wachsender Bevölkerungsdichte: ein Beitrag zur Frage des Lebensraums, in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, Bd. 16, 1941/42, S.173-219.
  • Ernst Wagemann, Menschenzahl und Völkerschicksal - eine Lehre von den optimalen Dimensionen gesellschaftlicher Gebilde, Hamburg 1948.

Einzelnachweise

  1. Vgl.Wagemann (1948)
  2. Vgl. Wagemann (1948), S.92.
  3. Vgl. Pickhardt (2010), S.197
  4. Jürgens (1987).

Weblinks


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