Christlich-buddhistischer Dialog

Christlich-buddhistischer Dialog

Der christlich-buddhistische Dialog steht zunächst vor dem großen Problem, dass der Buddhismus keinen Schöpfergott anerkennt, während das Christentum gerade einen solchen voraussetzt. Dennoch haben sich auf verschiedenen Ebenen fruchtbare Verbindungen von Christentum und Buddhismus ergeben.

Inhaltsverzeichnis

Praktische Ebene

Da der Buddhismus die Vorstellung eines Schöpfergottes ablehnt, sind Christentum und Buddhismus in ihren Zielen scheinbar unüberbrückbar voneinander getrennt. Doch andererseits ermöglicht diese Trennung wiederum eine Verbindung, da die buddhistische Methode der Meditation von vielen Christen gerade wegen einer fehlenden buddhistischen Dogmatik als bloßes Mittel zu einem christlich-spirituellen Weg genutzt werden kann. Die aus dem Buddhismus stammenden Meditationsmethoden, insbesondere die des Zen, füllen hier scheinbar ein empfundenes Defizit in der christlichen Tradition, deren eigene meditativen Praktiken (Jesusgebet, Lectio divina, Ruhegebet nach Cassian, Schriftmeditation nach Ignatius von Loyola) einige Zeit in Vergessenheit zu geraten schienen. Ein Beispiel dafür, wie weit diese Verbindung zwischen Buddhismus und Christentum gehen kann, aber auch welche Probleme dabei entstehen, sind der Benediktinermönch und Zen-Meister Willigis Jäger, der von katholischer Seite ein Lehrverbot erhalten hat, sowie der Jesuitenpater und Zen-Meister Hugo Makibi Enomiya-Lassalle.

Ebenfalls zu nennen sind die teils sehr intensiven Kontakte zwischen buddhistischen und christlichen Mönchen. Zumindest seit Anfang der achtziger Jahre ist der Austausch hier üblich. Im deutschen Sprachraum spielt hier die Erzabtei Sankt Ottilien eine besondere Rolle. Hier sind das Verbindende sowohl die ähnliche Lebensweise als auch ähnliche Erfahrungen. Zu den Pionieren auf internationaler Ebene gehörte der Trappist und Mystiker Thomas Merton.

Theoretische, wissenschaftliche Ebene

Eine andere, eher philosophische Verbindung ergibt sich durch den christlichen Mystiker Meister Eckhart. In seiner negativen Theologie transzendiert er das personale christliche Gottesbild zu einem nichterkennbaren Einen, das er darin als Nichts bezeichnet, wie etwa in folgendem Zitat aus der Predigt 42 (nach der Quint-Zählung): „Du sollst ihn lieben wie er ist ein Nicht-Gott, ein Nicht-Geist, eine Nicht-Person, ein Nicht-Bild, mehr noch: wie er ein lauteres, reines, klares Eines ist, abgesondert von aller Zweiheit. Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu verhelfe uns Gott. Amen.“

In der negativen Theologie Meister Eckharts lassen sich viele sachliche Parallelen zur buddhistischen Lehre herstellen, wie insbesondere die des Nichts der negativen Theologie zur buddhistischen Leerheit. Der christliche Religionsphilosoph Bernhard Welte stellt fest, dass sich über Meister Eckhart Christentum und Buddhismus gleichsam „zuwinken“. Besonders durch die beiden japanischen Religionsphilosophen Shizuteru Ueda und Daisetz Teitaro Suzuki hat auf der wissenschaftlichen Ebene ein christlich-buddhistischer Dialog über Meister Eckhart stattgefunden.

Mögliche historische Verbindung und Beeinflussung

Es lassen sich einige Argumente dafür anführen, dass der Buddhismus schon in der Geschichte einen Einfluss auf die abendländische, griechische Philosophie besaß oder zumindest dort bekannt war:

  • Das antike ägyptische Alexandria war einerseits als Hauptstadt des griechischen Ptolemäer-Reiches das alles überragende geistige Zentrum in den Jahrhunderten um die Zeitenwende. Die Alexandrinische Schule war die erste Universität im modernen Sinn und verfügte mit der Bibliothek von Alexandria über die beste Bibliothek des Altertums. Daneben war Alexandria auch eine Wirtschaftsmetropole. Insbesondere der Indienhandel erhielt einen neuen Aufschwung, als der Alexandriner Harpalos um die Zeitenwende herum an der Universität Alexandrias die Monsun-Winde und ihren Einfluss auf die Schifffahrt nach Indien beschrieb [1]. Durch den Handel verbreiteten sich auch die philosophischen und religiösen Lehren.
Entsendung buddhistischer Botschafter durch Ashoka
  • Die ptolemäischen Herrscher in Alexandria bemühten sich ihre Bibliothek nicht nur mit griechischen Werken auszustatten, sondern mit den Texten aller Völker und Kulturen. So ist überliefert, dass Ptolemaios I. einen Brief an alle Könige und Herrscher der Erde geschrieben und sie aufgefordert habe, ihm die Werke jedweder Autoren zu schicken: „Dichter und Prosaiker, Rhetoren und Sophisten, Ärzte und Weissager, Historiker und alle anderen auch“ [2]. Von Ptolemaios III., einem Zeitgenossen des indischen Kaiser Ashokas, ist bekannt, dass er gar den Befehl gab, alle einlaufenden Schiffe zu durchsuchen, die dabei gefundenen Bücher zu konfiszieren, um sie abschreiben zu lassen und den Eigentümern schließlich anstelle des Originals die Kopie auszuhändigen [2].
  • Andererseits war der indische Kaiser Ashoka derjenige, der für die Verbreitung des Buddhismus auch über sein Großreich hinaus sorgte. In seinem XIII. Felsenedikt werden fünf außerindische Herrscher genannt, mit denen der Kaiser in Verbindung stand: Antiochos II. von Syrien, Ptolemaios II. von Ägypten, Antigonos von Makedonien, Magas von Cyrene und Alexander von Epirus [3].
  • Als Plotin, der eigentliche Begründer des Neuplatonismus, nach dem Tod seines Lehrers Alexandria verließ, schloss er sich dem Bericht seines Schülers Porphyrius zufolge einem gefahrvollen römischen Feldzug nach Persien an, mit dem ausdrücklichen Wunsch die persische und indische Philosophie näher kennenzulernen. Der Feldzug scheiterte jedoch und Plotin gründete danach in Rom seine philosophische Schule.
  • Der von Plotin entworfene Neuplatonismus mit seiner mystischen Übersteigung des Denkens, in dem das Eine vollzogen wird, ist in diesem Punkt der vorangegangenen griechischen Philosophie fremd, dagegen "der Grundstimmung der indischen Philosophie zutiefst wesensverwandt" [4].

Sollte es diesen historischen indischen bzw. buddhistischen Einflüsse auf die griechische Philosophie gegeben haben, wären davon besonders der Neuplatonismus und darüber auch die negative christliche Theologie betroffen. Es wäre ein Anhalt dafür, dass die geistige Nähe von Meister Eckhart zum Buddhismus nicht rein zufällig besteht.

Siehe auch

Quellen

  1. M. Clauss, Alexandria – Schicksale einer antiken Weltstadt, Stuttgart 2003, S. 140.
  2. a b M. Clauss 2003, S. 97
  3. Hans Wolfgang Schumann: Der historische Buddha – Leben und Lehre des Gotama. Diederichs, München 1988, S. 23
  4. Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Fischer, Frankfurt/M. 1988, S. 205

Literatur

Weblinks


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