Willigis Jäger

Willigis Jäger

Willigis Jäger OSB (* 7. März 1925 in Hösbach), auch bekannt unter dem Namen Ko-un Rōshi, ist ein deutscher Benediktinermönch, Zen-Meister der Sanbo-Kyodan-Linie und Mystiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Willigis Jäger trat 1946 in die Abtei Münsterschwarzach ein. Ab 1948 studierte er Philosophie und Theologie in Sankt Ottilien und an der Universität Würzburg. 1952 wurde er zum Priester geweiht und war bis 1964 Präfekt und Lehrer im Internat der Abtei Münsterschwarzach, ab 1960 Referent für Mission und Entwicklung beim Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) in Düsseldorf. Im folgenden Jahr gründete er die ökumenische Aktion missio. Viele Reisen führten ihn in die Dritte Welt, nach Asien und besonders Japan, wo er erstmals mit Zen in Kontakt kam. Ab 1969 übte er Zen in Japan, zuerst im Zentrum von Hugo Makibi Enomiya-Lassalle in Shinmeikutsu, dann ab 1972 als Schüler des Zen-Meisters Yamada Ko-Un Rōshi. Er lebte sechs Jahre in Japan.

1980 erhielt er von Yamada Rōshi den Auftrag, selbst Zen zu lehren. Der Nachfolger des inzwischen verstorbenen Yamada, Kubota Rōshi, übertrug Jäger 1996 eine volle Lehrerlaubnis „Inka shōmei“, welche Jäger als 87. Nachfolger von Buddha Shakyamuni ausweist und ihn ermächtigt, andere in dieser Sukzession zu bestätigen.

Das leerstehende Abtei-Internat St. Benedikt in Würzburg wurde 1983 zu einem Kurshaus umgebaut und Jäger anvertraut. Darin gründete er das Meditationszentrum St. Benedikt, das er bis 2001 leitete.

Würzburger Schule der Kontemplation

Anfang 1990 wurde unter Leitung von Willigis Jäger ein Ökumenischer Arbeitskreis kontemplatives Gebet gebildet, als Vorläufer der Mitte der 1990er Jahre daraus entstandenen und von ihm gegründeten Würzburger Schule der Kontemplation (WSdK). Diese ist Teil des Vereins Spirituelle Wege e.V. und hat ihr lokales Zentrum am Benediktushof Holzkirchen in Unterfranken. Mittlerweile wirken über 120 Kontemplationslehrer und von Jäger bestätigte Zen-Lehrer der Sanbo-Kyodan-Schule international mit.[1] Die Kurse verfolgen das Ziel, das kontemplative Gebet und die Mystik in den Kirchen wieder zu beleben.

Exklaustrierung

Unter Leitung des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger warf ihm 2001 die Glaubenskongregation vor, Glaubenswahrheiten der persönlichen Erfahrung unterzuordnen und erteilte ihm ein Rede-, Schreib- und Auftrittsverbot.[2] Im Januar 2002 untersagte ihm das Bischöfliche Ordinariat in Würzburg deshalb die Ausübung jeder öffentlichen Tätigkeit.[3] Jäger beansprucht dagegen, alte Glaubenswahrheiten für die Gegenwart neu zu deuten.[4][5]

Jäger bat in der Folge von der Abtei Münsterschwarzach exklaustriert zu werden, dabei handelt es sich um eine Art Beurlaubung aus dem Kloster. Er ist aber nach wie vor Mitglied seiner Klostergemeinschaft. Deren Abt und Gemeinschaft standen zu ihm.[6] Michael von Brück meint hierzu, dass dies weniger ein Konflikt sei, den Jäger mit der Kirche habe, als ein Konflikt, den die Kirche mit sich selbst habe.[4]

Neue Lehrtätigkeit

2003 wurde Jäger spiritueller Leiter des Benediktushofes in Holzkirchen (Unterfranken), wo er bis heute lebt und arbeitet. Er hält im In- und Ausland zahlreiche Kurse und Vorträge. Damit trägt er zur Wiederbelebung des mystischen Weges der christlichen Tradition durch die Kontemplation bei.[7] Peter Lengsfeld ist der Ansicht, Jäger habe Hervorragendes auf den Weg gebracht, um zu erklären, was man unter Mystik verstehe und wie sich eine der mystischen Erfahrung dienende spirituelle Praxis gestalte.[7]

Denken

Nach Jäger sind Religionen auf eine letzte Wirklichkeit gerichtet,[8] aber nur Verstehenshilfen, Landkarten,[8] Modelle, die veralten, wenn sie nicht von der Erfahrung her immer neu belebt werden.[9] Er erachtet wie die katholische Kirche[10] alle Religionen als wichtige und notwendige Errungenschaften,[11] bemängelt aber, dass die Religionen ihre Starre überwinden sollten, um den Menschen Antwort auf die ganz neu gestellten alten Menschheitsfragen geben zu können,[12] und dass das mystische Gebet nicht gelehrt werde.[13] Er ist der Ansicht, dass die Evolution neue Bewusstseinsebenen hervorbringen werde.[8] Jäger meint außerdem, dass Gotteserfahrung Erfahrung von Liebe sei. Das sagten zwar alle Religionen, aber solange dies ein Gebot bleibe, entfalte es keine Wirkung, wie die Geschichte der Religionen und ihre Irrwege zeigten.[8] Jede Religion solle transzendiert werden zur Sophia perennis, der ewigen Weisheit, die heute nur von einer Minderheit gelebt werde, die aber eines Tages als das wahre Ziel jeder Religion erkannt werde.[9] Mystik werde immer dann lebendig, wenn die spirituellen Erfahrungen der Religionsstifter in objektiven, rechtlichen und dogmatischen Formen erstarrten. Wenn das Recht über das Leben und das Dogma über die persönliche Erfahrung zu dominieren beginne, entstünden mystische Bewegungen, die einen direkten Kontakt mit Gott suchten. Deshalb hätten sich die theistischen Religionen mit der Mystik immer schwer getan.[11]

„Jede Religion hat heilige Schriften, Rituale und Gebote. Sie sollen dem Menschen helfen, das zu finden, was mit Gott, Gottheit, Wesensnatur, Sunyata usw. bezeichnet wird. Schriften und Rituale können immer nur auf Gott deuten. [...] Wer Gott erfahren will, muss Bücher, Rituale und alles mentale Begreifen übersteigen. Darum suchten alle Religionen Wege, die in die Erfahrung der letzten Wirklichkeit führen. Im Buddhismus entwickeln sich Zen, Vipassana und die tibetischen Wege. Bei den Hindus entstanden die verschiedenen Formen des Yoga. Im Islam entfaltete sich der Sufismus, im Judentum die Kabbala und im Christentum die Kontemplation. Es sind das spirituelle Wege, die in die Erfahrung dessen führen sollen, was die Heiligen Schriften und Gebote der verschiedenen Religionen lehren. [...] Sie wollen in die Erfahrung der Urwirklichkeit führen. [...] Die transzendentalen Erfahrungsräume zählen zur Grundbegabung unserer menschlichen Existenz, wenn auch viele Menschen davon nichts wissen.“

Willigis Jäger[6]

Kritik

Die Standpunkte Jägers werden teilweise kontrovers diskutiert.[14][15][16] Gegen eine Auflösung des Ich in Gott und gegen die Sichtweise, der zufolge nur noch Gott sei und alle Differenz radikal negiert wird, wird eingewandt, dass die christliche Gotteserfahrung auf ein personales Du verweise. Ohne Beziehung sei weder Liebe noch Freiheit möglich. Gott dürfe deshalb nicht als reine Einheit, sondern müsse als Einheit in Verschiedenheit und damit trinitarisch gedacht werden.[17]

Literatur

Werke von Willigis Jäger (Auswahl)

Viele Werke sind auch in mehreren Sprachen oder als Tonträger erschienen.

  • Geh den inneren Weg: Texte der Achtsamkeit und Kontemplation; Herder Freiburg, 1999, ISBN 3-451-05027-7
  • Der Himmel in dir: Einübung ins Körpergebet; (mit Beatrice Grimm), Kösel München, 2000, ISBN 3-466-20452-6
  • Kontemplation: Gott begegnen – heute; Herder Freiburg, 2002, ISBN 3-451-05278-4
  • Aufbruch in ein neues Land: Erfahrungen eines spirituellen Lebens; Herder Freiburg, 2003, ISBN 3-451-05381-0
  • Wohin unsere Sehnsucht führt: Mystik im 21. Jahrhundert; Via Nova Petersberg, 2003, ISBN 3-936486-21-2
  • In jedem Jetzt ist Ewigkeit: Worte für alle Tage; Christoph Quarch Hg., Kösel München, 2003, ISBN 3-466-36640-2
  • Wiederkehr der Mystik: das Ewige im Jetzt erfahren; Herder Freiburg, 2004, ISBN 3-451-05399-3
  • „... denn auch hier sind Götter“: Wellness, Fitness und Spiritualität; Herder Freiburg, 2004, ISBN 3-451-05457-4
  • 27 Perlen der Weisheit; Keiko Nimura-Eckert Hg., Via Nova Petersberg, 2004, ISBN 3-936486-44-1
  • Gesang der Stille: spirituelle Gedichte der Weggemeinschaft Willigis Jäger; Via Nova Petersberg, 2004, ISBN 3-936486-75-1
  • Das Leben ist Religion: Stationen eines spirituellen Weges; Kösel München, 2005, ISBN 3-466-36676-3
  • In jedem Jetzt ist Ewigkeit: Worte für alle Tage; Knaur München, 2007, ISBN 3-426-87348-6
  • Anders von Gott reden; Via Nova Petersberg, 2007, ISBN 3-86616-061-5
  • Das Leben endet nie: über das Ankommen im Jetzt; Theseus Stuttgart, 2008, ISBN 978-3-7831-9529-3
  • Geh den inneren Weg: Texte der Achtsamkeit und Kontemplation; Herder Freiburg, 2008, ISBN 978-3-451-05999-5
  • Westöstliche Weisheit: Visionen einer integralen Spiritualität; Theseus Stuttgart, 2008, ISBN 978-3-7831-9531-6
  • Zen im 21. Jahrhundert; Kamphausen Bielefeld, 2009, ISBN 978-3-89901-197-5
  • Über die Liebe; Kösel München, 2009, ISBN 978-3-466-36842-6
  • Die Flöte des Unendlichen: mystische Rezitationstexte aus Ost und West; Wege der Mystik Gerbrunn, 2009, ISBN 978-3-9810310-5-8
  • Ewige Weisheit: das Geheimnis hinter allen spirituellen Wegen; Kösel München, 2010, ISBN 978-3-466-36887-7
  • Das Leben endet nie: über das Ankommen im Jetzt; Herder Freiburg, 2010, ISBN 978-3-451-06152-3
  • Die Welle ist das Meer: mystische Spiritualität; Kreuz Freiburg, 2010, ISBN 978-3-7831-3460-5
  • Kontemplation – ein spiritueller Weg; Kreuz Freiburg, 2010, ISBN 978-3-7831-8012-1

Sekundärliteratur

  • Thomas Wittstadt: Diese kosmische Religion kennt keinen Erlöser. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen von Willigis Jäger (3 Teile). In: Theologisches. Katholische Monatsschrift (Hrsg. von Dr. David Berger), Jg. 33 (2003) 387 ff. 461 ff., 601 ff.
  • Peter Lengsfeld (Hrsg.): Mystik – Spiritualität der Zukunft: Erfahrungen des Ewigen; P. Willigis Jäger OSB zum 80. Geburtstag /, Herder Freiburg, 2005, mit Beiträgen von 28 Autoren, ISBN 3-451-28573-8
  • Hartmut Meesmann (Hrsg.): Mystik – der wahre Weg zu Gott?: die Kontroverse um den Benediktinerpater und Zen-Lehrer Willigis Jäger; Oberursel: Publik-Forum 2010, ISBN 978-3-88095-205-8
  • Christoph Quarch (Hrsg.): Perlen der Weisheit – Die schönsten Texte von Willigis Jäger; Herder Freiburg, 2010, ISBN 978-3-451-06208-7

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Lehrer der Würzburger Schule der Kontemplation
  2. Betroffene Artikel des neuen Katechismus der Katholischen Kirche: 70–73, 199–301, 261–267, 413–421, 436–440, 479–483, 490–511.
  3. Stellungnahme der Diözesanleitung
  4. a b Buch: Das Leben ist Religion – Stationen eines spirituellen Weges, S. 89, 122
  5. Willigis Jägers Biografie auf „West-Östliche Weisheit“
  6. a b Buch: Aufbruch in ein neues Land – Erfahrungen eines spirituellen Lebens (Autobiografie) S. 121, 24–26
  7. a b Peter Lengsfeld (Hrsg.): Mystik – Spiritualität der Zukunft. Erfahrungen des Ewigen. Pater Willigis Jäger OSB zum 80. Geburtstag. Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-28573-8, S. 164, 10.
  8. a b c d Buch: Wohin unsere Sehnsucht führt S. 261, 308, 229, 231
  9. a b Aufsatz: „Zen im Westen“
  10. Erklärung „Nostra Aetate“ des Vatikanum II
  11. a b Aufsatz: „Mystik und Konfession“ S. 1, 2
  12. Aufsatz: „Integrale Spiritualität“
  13. Aufsatz: „Reif für einen anderen Gott?“
  14. Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft: 3/2007 S. 152 ff. von Werner Thiede
  15. Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft: 5/2007 von Hajo Petsch
  16. Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft: 06/2007 S. 308 von Klaus Stüwe
  17. Klaus von Stosch, Einführung in die systematische Theologie, 2. Aufl., Schöningh UTB, Paderborn 2009, S. 264

Weblinks


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