Childebertus adoptivus

Childebertus adoptivus

Childebertus adoptivus (lat.), dt. Childebert der Adoptierte († vermutlich 662) war Franken-König in Austrasien von 656 bis wahrscheinlich 662. Er gehörte nicht zum Geschlecht der Merowinger, sondern war wohl ein Sohn des Hausmeiers Grimoald aus dem Geschlecht der Pippiniden, den späteren Karolingern.

Er regierte als Childebert III., ist aber nicht zu verwechseln mit dem in den offiziellen Listen geführten Childebert III.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wegen der schlechten Quellenlage ist der genaue Ablauf der Ereignisse um Childeberts Herrschaft umstritten. Heute wird aber von den meisten Historikern der folgende Ablauf der Ereignisse angenommen: Der Hausmeier (= maior domus) Grimoald überzeugte den bis dahin kinderlosen Sigibert III. (* 633; † 1. Februar 656), seinen eigenen Sohn als Nachfolger zu adoptieren (analog zur Adoption des Childebert II., durch die dieser Burgund erwarb). Dieser nahm daraufhin den merowingischen Namen Childebert an, sein eigentlicher Geburtsname ist unbekannt geblieben. Danach wurde Sigibert allerdings wahrscheinlich 651 ein eigener Sohn (der spätere Dagobert II.) geboren. Die Macht Grimoalds reichte aber wohl doch aus, seinen Sohn zum neuen Herrscher zu erheben, Dagobert wurde von Bischof Desiderius oder Dido von Poitiers auf Betreiben Grimoalds nach Irland in ein Kloster gebracht. Bemerkenswert - und in der Forschung noch nicht erklärt - ist, dass Grimoald den Konkurrenten seines (Stief-)sohnes nicht umbringen ließ, wie dies des Öfteren in merowingischen Zeiten geschah[1]. In Neustrien wurde Grimoald der Prozess gemacht und noch im selben Jahr (656/657) wurde er für seinen „Staatsstreich“[2] hingerichtet. Die mindestens sechs Jahre dauernde Regierungszeit Childeberts spricht allerdings dafür, das die Erhebung als Herrscher Austrasiens durch die Adoption zumindest dort durchaus als rechtens und von den Zeitgenossen als angemessen angesehen wurde, zumal dadurch eine Einverleibung durch Neustrien verhindert werden konnte.

Möglich wäre auch, das Dagobert eine erste Amtszeit bis zum Jahre 661 innehatte und erst danach für nur ein Jahr Childebert den Thron besetzte. Diese Version der Ereignisse um Childebertus adoptivus wird heute aber allgemein als unwahrscheinlich angesehen.

Nach dem Ende der Regierungszeit Childeberts wurde nicht Dagobert II. als König eingesetzt, sondern der minderjährige Neustrier Childerich II., der mit Sigiberts und Chimnechilds Tochter Bilichild verlobt wurde; für ihn regierte vormundschaftlich Chimnechild. Dagobert II. regierte nach Childerich II. bzw. Chimnechild.

Unsichere Quellenlage

Diese und alle anderen Interpretationen der Geschehnisse müssen sich jedoch mit der schlechten Quellenlage auseinandersetzen: An Quellen stehen der Liber historia Francorum (726/727 verfasst und im karolingischen Sinn überarbeitet), das Barberini-Diptychon[3], eine Weißenberger Urkunde vom 24. Februar 661, Königkataloge in drei Varianten (ca. Mitte 8. Jh. bis Beginn 9. Jh.), St. Gallener Königskatalog (Lex Salica; aus karolingischer Zeit) sowie einige Viten, u. a. die Vita Geretrudis zur Verfügung. Als Hauptquelle gilt bei den meisten Autoren der Liber historiae Francorum, obwohl einige Autoren Fehler in der Darstellung nachgewiesen haben.

Vor allem über folgende Aspekte herrschen noch Unklarheiten: Zum einen ist die Herkunft Childeberts noch nicht genau geklärt. Meist wird davon ausgegangen, dass Grimoalds Sohn von Sigibert III. adoptiert wurde (so. z. B. Ewig, 1993); entscheidend ist hierbei die exakte Übersetzung des folgenden Satzes, die meist im o. g. Sinn getätigt wird: „Childebertus adoptivus filius Grimoald regnavit annos VII“ (Königskatalog; wobei zu beachten ist, dass es sich bei dem "d" aus Grimoald um ein durchstrichenes d handelt, eine sog. lateinische f-Abbreviatur. Die Mittellateiner streiten um den Kasus dieses Buchstaben, daher die unterschiedlichen Interpretationen). So z. B. Eckhardt: „Childebert (Adoptivsohn seines Vorgängers, leiblicher Sohn Grimoalds)…“[4] Becher ist jedoch der Meinung, es müsse „Childebert, der adoptierte Sohn Grimoalds, regierte sieben Jahre.“ heißen. Zudem weise der Name „Childebert“ auf eine merowingische Abstammung hin (Becher und Eckhardt). Dieser Annahme widerspräche der Königskatalog, der die vor Childebert regierenden Könige in ein Verwandtschaftverhätlnis mit Chlothar I. setzt. Analog dazu müsste man dann erwarten, dass auch diesem eine Verwandtschaftsbezeichnung zugestanden würde. Dem ist jedoch nicht so[5]. Unsicherheit besteht darüber hinaus über die genaue Regierungszeit Childeberts. Vermutlich regierte Childebert jedoch von 656 bis 661/2[6]. Die Vermutung, Childebert habe von 651 bis Sommer 657 regiert[7], wird durch die Weißenberger Urkunde widerlegt. Auch ist Grimoalds Todeszeitpunkt noch nicht geklärt. Laut der Liber historiae Francorum wurde Grimoald 657 von den Neustriern umgebracht. Gegen die Datierung spricht jedoch, dass seine Tochter Wulfetrude als Äbtissin (658/659 - 13. November 669) „aus Hass gegen den Vater“ von „Königen, Königinnen und Bischöfen“ (Vita Geretrudis) zur Amtsniederlegung gedrängt wurde. Es sei unwahrscheinlich, dass sie diesem Druck nach dem Tod des Vaters ausgesetzt gewesen sei[8].

Quellen

  • Liber hist. Fr. 43 (MGH SRM II)
  • Königskataloge (MGH SRM VII)

Literatur

  • Matthias Becher: Der sogenannte ‚Staatsstreich Grimoalds‘. Versuch einer Neubewertung. In: Jörg Jarnut, Ulrich Nonn, und Michael Richter (Hgg.): Karl Martell in seiner Zeit. Sigmaringen 1994.
  • Eugen Ewig: Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973). München 1976.
  • Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich (Kohlhammer Urban-Taschenbücher). Stuttgart – Berlin – Köln. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 1993.
  • Eugen Ewig: Die fränkischen Königskataloge und der Aufstieg der Karolinger. In: DA 51 (1995), S. 1-28.
  • Patrick J. Geary: Die Merowinger. München 1996.
  • Stefanie Hamann: Zur Chronologie des Staatsstreichs Grimoalds. In: DA 59 (2003), S. 49-96. PDF
  • Reinhold Kaiser: Das römische Erbe und das Merowinger-Reich. Oldenbourg, München 1993 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 26).
  • Brigitte Kasten: Königssöhne und Königsherrschaft. Untersuchungen zur Teilhabe am Reich in der Merowinger- und Karolingerzeit. Hannover 1997.
  • Reinhard Schneider: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter. Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern. Stuttgart 1972.
  • Heinz Thomas: Die Namensliste des Diptychon Barberini und der Sturz des Hausmeiers Grimoald. In: DA 25 (1969) S. 17-63.

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. vgl. z.B. den gewaltsamen Tod von Dagoberts Neffen Childerich II.
  2. so der Begriff in der älteren Forschung, vgl. z.B. Kaiser
  3. so Thomas; Eckhardt ist anderer Meinung; auf ihm sind die Namen der Verstorbenen und noch lebenden Herrscher notiert; es wurde für Fürbitten in Messen verwandt
  4. Eckhardt, S. 153 f.
  5. Ewig, 1995
  6. so z. B. Thomas
  7. Gerberding 1987, nach Ewig 1995
  8. vgl. Thomas


Vorgänger Amt Nachfolger
Sigibert III. König der Franken/Teilreich Austrasien
656–662
Childerich II.

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