St. Louis (Schiff)

St. Louis (Schiff)
Die St. Louis im Juni 1939 im Hafen von Havanna

St. Louis war ein Linienschiff der HAPAG-Reederei Hamburg. Das 1929 in Dienst gestellte Schiff wurde auf der Werft Bremer Vulkan gebaut und ab 1933 für Fahrten der NS-Organisation „Kraft durch Freude" eingesetzt. Sie war das Schwesterschiff der im selben Jahr in Dienst gestellten Milwaukee. Von 1940 an wurde sie in Kiel bis zu einem Bombentreffer im August 1944 als Wohnschiff der Kriegsmarine verwendet und nach der Reparatur in gleicher Funktion nach Hamburg verlegt. Im Hamburger Hafen brannte das Schiff nach einem Luftangriff aus und sank. Nach der Hebung wurde das Schiff als Reparationsgut verwertet.

Besondere Bekanntheit erlangte die St. Louis, als sie auf Initiative des NS-Regimes am 13. Mai 1939 mit 906 jüdischen Flüchtlingen an Bord Hamburg in Richtung Amerika verließ.[1]

Inhaltsverzeichnis

Scheitern der Emigration und Rückfahrt nach Antwerpen

Jüdische Flüchtlinge an Bord der MS St. Louis im Hafen von Havanna, wo sie nicht an Land dürfen.

In der Karibik begann die Auswanderung zu scheitern, weil das Schiff nirgends eine Anlegeerlaubnis erhielt. Denn trotz zuvor erfolgter Zusage weigerte sich die kubanische Regierung, das Schiff den Hafen von Havanna am Pier anlaufen zu lassen; ebenso weigerte sich Kanada zu helfen. Die Besatzung bat dann US-Präsident Franklin Roosevelt persönlich um Hilfe, die jedoch verweigert wurde.

Die Odyssee des Schiffs führte zu heftigen Diskussionen in den Vereinigten Staaten, da Präsident Roosevelt zwar anfangs einige der Flüchtlinge aufnehmen wollte, aber sich dem Druck seines Außenministers Cordell Hull und der Demokratischen Partei beugen musste. Einige Parteimitglieder sollen ihm gedroht haben, die Unterstützung für die Präsidentschaftswahlen 1940 zu versagen. Am 4. Juni 1939 lehnte Roosevelt das Anlegen des Schiffes in den USA ab, das in der Karibischen See zwischen Florida und Kuba wartete.

Das Schiff musste auf Anweisung der Reederei im Juni 1939 nach Europa zurückkehren, woran auch ein Versuch der Passagiere, das Kommando über das Schiff zu übernehmen, nichts änderte. Aber Kapitän Gustav Schröder setzte sich für die Flüchtlinge ein: Er erreichte, dass die Passagiere von Antwerpen aus auf einige westeuropäische Staaten verteilt werden konnten. Mit der Besetzung Belgiens, der Niederlande und Frankreichs durch Truppen der Wehrmacht ab 1940 geriet die Mehrzahl der an der Emigration Gehinderten jedoch in den Herrschaftsbereich des NS-Regimes und wurde deportiert. So überlebte nur annähernd die Hälfte der Flüchtlinge den Holocaust.

Das Drama der MS St.Louis war Gegenstand des 1976 erstaufgeführten amerikanischen Films Reise der Verdammten (Voyage of the Damned).

Analyse des Geschehens bei Hannah Arendt

Hannah Arendt setzt sich in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft indirekt mit dem Geschehen im Kapitel „Die Aporien der Menschenrechte“ auseinander und zeigt, wie die Nationalsozialisten vorgegangen sind, um die Juden zunächst auszubürgern und damit rechtlos zu machen, bevor sie umgebracht wurden. Als absolut Rechtlose ausgesondert, seien sie zunächst aller Welt öffentlich angeboten worden, „um zu sehen, ob sich einer fände, der sie reklamiere; erst als ihre ‚Überflüssigkeit‘ oder Standlosigkeit in der gesamten Menschenwelt als erwiesen gelten konnte, ging man dazu über, sie auszurotten“.[2]

Anmerkungen

  1. Georg Reinfelder, MS "St. Louis". Die Irrfahrt nach Kuba Frühjahr 1939. Kapitän Gustav Schroeder rettet 906 deutsche Juden vor dem Zugriff der Nazis. Berlin 2002. ISBN 3-933471-30-3.
  2. Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, Piper, München 2001, S. 612. – Siehe zur Bestätigung von Arendts Analyse Irving Abella / Harold Troper: None Is Too Many, Toronto: Lester & Orpen Dennys Publishers 1982, S. 63-64 u. S. 66.

Siehe auch

Literatur

  • Gustav Schröder: „Heimatlos auf hoher See“, 1949
  • Gordon Thomas und Max Morgan-Witts: Das Schiff der Verdammten. Die Irrfahrt der St. Louis (Originaltitel: Voyage of the Damned). Deutsch von Helmut Kossodo. Edition Bergh und WMP-Verlagsauslieferungsdienst, Tübingen und Zug (Schweiz) 1976, 382 S., ISBN 3-88065-044-6.
  • Diane Afoumado: Exil impossible. L'errance des Juifs du paquebot St. Louis, Paris, L'Harmattan, 2005, 286 S.; Vorwort von Serge Klarsfeld. (frz.)
  • Julian Barnes: Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln, deutsch 1990, ISBN 3-499-22134-9.
  • Georg Reinfelder, MS "St. Louis". Die Irrfahrt nach Kuba Frühjahr 1939. Kapitän Gustav Schroeder rettet 906 deutsche Juden vor dem Zugriff der Nazis. Hentrich & Hentrich Verlag Berlin 2002. ISBN 3-933471-30-3.
  • Gilbert Sinoué: Un bateau pour l'enfer. 2005 (frz.)
  • Sarah A. Ogilvie und Scott Miller: ''Refuge Denied: The St. Louis Passengers and the Holocaust'', 2006. ISBN 978-0-299-21980-2.
  • Art Spiegelman, St. Louis-Flüchtlingsschiff-Blues, in: Die Zeit vom 27. August 2009, S. 47.

Weblinks

 Commons: SS St. Louis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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