Ernst Müller-Meiningen

Ernst Müller-Meiningen

Ernst Müller-Meiningen (* 11. August 1866 in Mühlhof bei Schwabach; † 1. Juni 1944 in München) war bayerischer Justizminister, Senatspräsident am Bayerischen Obersten Landesgericht und Reichstagsabgeordneter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geboren als Ernst Müller wurde er von seinem Vater, einem freisinnigen Lehrer aus Mittelfranken, liberal geprägt. Sein Abitur legte er am Melanchthon-Gymnasium Nürnberg 1886 ab. Der Abschluss ermöglichte ihm seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim 1. bayerischen Infanterieregiment abzuleisten. Nach dem anschließenden Jurastudium promovierte er 1892 in Erlangen. 1895 trat er in den Staatsdienst ein. 1896 wurde er Staatsanwalt in Schweinfurt, 1898 Amtsrichter in Fürth. Im selben Jahr wurde er Mitglied des Reichstages. Er gewann für die Freisinnige Volkspartei den thüringischen Wahlkreis Meiningen-Hildburghausen und behielt ihn bis 1918. Zur Unterscheidung von gleichnamigen Parlamentariern wurde seinem Namen der des Wahlkreises beigegeben. Als Süddeutscher in einer norddeutsch geprägten Fraktion gehörte Müller-Meiningen zum Anhang Eugen Richters. Nach der Jahrhundertwende wandelte er sich zu einem Befürworter der deutschen Weltpolitik mit dem Platz an der Sonne. 1903 wurde zum Landgerichtsrat, 1906 zum Oberlandesgerichtsrat ernannt. Während des Ersten Weltkriegs bewegten sich die Anschauungen dieses „nationalpatriotischen Linksliberalen“ immer mehr in Richtung nationalistischer Positionen. Eine Begebenheit schildert Rosa Luxemburg. Nach dem sich die Kriegsgegner unter den Reichstagsabgeordneten allmählich Anfang 1915 um Karl Liebknecht sammelten, versuchten sie ihre Ansichten in die Reichstagsdebatten einzubringen. „Unter dem Schrei „Landesverrat!“ stürzen sich die Hubrich und Müller-Meiningen mit Fäusten auf jeden, der die Reichstagstribüne besteigt, um Kritik an der Regierung zu üben.“ Seine Position zur Revolution 1918 lässt sich daran ablesen, dass er die Urheberschaft des Begriffs des Dolchstosses für sich beanspruchte.[1]

Als Mitglied der DDP leitete Müller-Meiningen ab Mai 1919 das bayrische Justizministerium. Er trat für die militärische Niederschlagung der Münchner Räterepublik ein. Als Justizminister war Müller-Meiningen an maßgeblicher Stelle daran beteiligt, die in der Revolutionszeit geschaffenen[2] Volksgerichte in das berüchtigte Instrument der Ordnungszelle Bayern umzuwandeln. Die nach der Weimarer Reichsverfassung rechtswidrigen Volksgerichte waren für zahlreiche kritisierte Urteile – harte Strafen gegen die Anhänger der Räterepublik (Ernst Toller, Felix Fechenbach), Milde gegenüber politischen Extremisten von rechts (Anton Graf von Arco auf Valley, Hitler) – verantwortlich. Kurt Tucholsky [3] charakterisiert ihn 1921: „Der Demokrat Müller-Meiningen, ein besserer Herr, der sich schon im Kriege dadurch auszeichnete, dass er eine Schrift unter sich ließ: Wir brauchen eine Reichsjugendwehr! (man stelle sich das vor!) – dieser Demokrat hat die wehrlosen Gefangenen seinerzeit in der Presse verleumdet, und dann hat er als Justizminister durch eine Verordnung, entgegen den Bestimmungen des Strafgesetzbuches, die Vergünstigungen der Festungsgefangenen aufgehoben.“ Er amtierte nahtlos in der bayerischen Landesregierung unter Gustav von Kahr als Justizminister weiter und wurde stellvertretender Ministerpräsident gar. Nach der Niederlage der DDP in der Landtagswahl im Juli 1920 musste er abtreten. Da er die Wahl Paul von Hindenburgs zum Reichspräsidenten befürwortete und die Republik, als eine „durch bitterste Not aufgezwungene Staatsform“ betrachtete, schied Müller-Meiningen 1924 zunächst aus dem Landtag, im folgenden Jahr auch aus der DDP aus. Obwohl von der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei umworben, zog sich Müller-Meiningen aus der Politik vollkommen zurück. Seine juristische Karriere gipfelte 1928 in der Ernennung zum Senatspräsidenten am Obersten Landesgericht, dem er seit 1920 angehörte. 1934 wurde er in den Ruhestand versetzt und lebte zurückgezogen in München bis zu seinem Tod 1944.

Engagement

Von 1920 bis 1928 war Ernst Müller-Meiningen Präsident des TSV 1860 München.[4]

Familie

Sein gleichnamiger Sohn, der seinem Namen zur Unterscheidung vom Vater den Zusatz „jr.“ anfügte, war als Ernst Müller-Meiningen jr. über Jahrzehnte einer der führenden Journalisten der Süddeutschen Zeitung.

Literatur

  • Franz Neubert (Hrsg.): Deutsches Zeitgenossenlexikon. Schulze, Leipzig 1905
  • Gustav Adolf Müller (Hrsg.): Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild. Hannover 1908 (mit Bild)
  • Amtliches Handbuch des Bayerischen Landtages. München 1912 (mit Bild)
  • W. Zils (Hrsg.): Geistiges und künstlerisches München in Selbstbiographien. Kellerer, München 1913
  • Gerhard Lüdtke (Hrsg.): Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. 4. Ausgabe, Gruyter, Berlin [u. a.] 1931
  • Herrmann A. L. Degener: Wer ist's? 10. Ausgabe, Degener, Berlin 1935
  • Wilhelm Kosch, fortgeführt von Eugen Kuri: Biographisches Staatshandbuch. Francke, Bern [u. a.] 1963.
  • Kürschners Deutscher Literaturkalender. Nekrolog 1936–1970. Gruyter, Berlin 1973
  • Hellmuth Rössler und Günther Franz (Begründer); Karl Bosl, Günther Franz und Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.): Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. 2. Auflage, Band 2, Francke, München 1974
  • Erika Bosl: Müller-Meiningen, Ernst. In: Karl Bosl (Hrsg.): Bosls Bayerische Biographie. Pustet, Regensburg 1983, S. 536 (Digitalisat)
  • Walther Killy und Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. Band 7, Saur, München [u. a.] 1998.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lars-Broder Keil, Sven Felix Kellerhoff: Deutsche Legenden: vom „Dolchstoss“ und anderen Mythen der Geschichte. Berlin 2003, ISBN 3-86153-257-3, S. 36.
  2. Franz J. Bauer und Eduard Schmidt: Die bayerischen Volksgerichte 1918–1924. Das Problem ihrer Vereinbarkeit mit der Weimarer Reichsverfassung. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Band 48, 1985, S. 449–478 (Digitalisat)
  3. Ignaz Wrobel: Gib ihm Saures – er kann sich nicht wehren! In: Welt am Montag. 21. November 1921. zit. nach http://www.textlog.de/tucholsky-saures-wehren.html
  4. Offizielle Homepage des TSV 1860, abgerufen am 12. Juli 2011.

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