Bristol 407

Bristol 407
Bristol 407

Der Bristol 407 war ein Sportwagen des britischen Automobilherstellers Bristol Cars Ltd., der von 1961 bis 1963 produziert wurde. Er basierte technisch und stilistisch auf seinem Vorgänger, dem Bristol 406, setzte im Gegensatz dazu aber erstmals einen Achtzylinder-Motor amerikanischer Herkunft ein. Er begründete damit eine Tradition, die bei Bristol bis zum heutigen Tag andauert. Die Einführung des 407 fiel in zeitlicher Hinsicht zusammen mit der Loslösung von Bristol Cars Ltd. aus dem Mutterkonzern Bristol Aeroplane.

Inhaltsverzeichnis

Die Hintergründe

Obwohl der von 1958 bis 1961 produzierte Bristol 406 ein solide konstruiertes Auto war, litt es doch unter einem spürbaren Leistungsmangel: Die 105 PS des Bristol-Motors waren mit dem 1,5 Tonnen schweren Fahrzeug deutlich überfordert. Die Suche nach mehr Leistung bedingte letzten Endes einen vollständig neuen Motor, da der bisherige Bristol-Sechszylinder, dessen Konzeption noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammte, in seiner letzten, Typ 110 bezeichneten Form zweifellos das Ende seines Entwicklungspotentials erreicht hatte.

Seit Mitte der 1950er Jahre begann Bristol, einen neuen, eigenen Motor zu entwickeln. Als Eckdaten war eine Sechszylinder-Konfiguration und ein Hubraum von 3,0 bis 3,5 Litern vorgegeben, ein Wert, der im Bereich der zeitgenössischen Alvis-Triebwerke angesiedelt war. Die Leistungsausbeute der ersten Prototypen überzeugte allerdings nicht; jedenfalls war der Mutterkonzern der Ansicht, dass der finanziellen Aufwand der Neukonstruktion nicht in angemessenem Verhältnis zu ihrem Nutzen stand. Deshalb - und weil sich zwischenzeitlich eine Alternative aufgetan hatte - beendete Bristol seine Planungen für einen eigenen Motor im Laufe des Jahres 1958. Die Alternative kam aus Amerika: Ein großer, starker Achtzylinder von Chrysler. Auf wen die Initiative zur Verwendung amerikanischer Triebwerke zurückzuführen war, ist nicht geklärt. Tony Crook jedenfalls, der spätere (Mit-) Inhaber von Bristol Cars, erzählte hierzu wiederholt folgende Geschichte: Eigentlich habe man bei Chrysler nur ein Torque-Flite Automatikgetriebe zu Testzwecken bestellen wollen. Chrysler hätte allerdings neben dem bestellten Getriebe zur Überraschung der Bristol-Mitarbeiter gleich einen hauseigenen Achtzylinder mitgeliefert. Bristol habe dann den Motor eingehenden Tests unterzogen und sich im Hinblick auf die hohe Leistung und die Wirtschaftlichkeit des Konzepts - damit war die Ersparnis eigener Entwicklungskosten gemeint - für die Verwendung des amerikanischen Triebwerks entschieden.[1] Um weitere Kosten zu sparen, bezog Bristol die Triebwerke nicht unmittelbar aus den USA, sondern aus Kanada, das zum Commonwealth gehörte. Damit fielen, wenn die Motoren nach Großbritannien überführt wurden, keine Einfuhrzölle an.

Grundlage für den Bristol-Motor war ein älteres amerikanisches Triebwerk, das 1956 bei der Chrysler-Marke Plymouth debütiert hatte und ursprünglich einen Hubraum von 260 CID (4,2 Liter) aufwies. Bristol bezog die Motorblöcke aus den USA und ließ sie in einer kanadischen Chrysler-Werkstatt in Handarbeit komplettieren. Dort wurden gleichzeitig eine Reihe tiefgreifender Modifikationen durchgeführt, durch die sich die Bristol-Triebwerke von ihren Großserien-Pendants unterschieden:

  • Die Bohrung des Motors wurde von 3,56 inches auf 3,87 inches vergrößert. Daraus ergab sich - bei nur marginal verändertem Hub - letztlich ein Hubraum von 5,2 Liter; einen Motor mit entsprechender Größe hatte Chrysler nicht in seinem Serien-Portfolio.
  • Die Motoren erhielten einen neuen, von Bristol entworfenen Zylinderkopf, der den ursprünglichen "polysphärischen" Kopf des Plymouth-Produkts ersetzte.
  • Schließlich wurden die Ansaugkanäle überarbeitet.

Insgesamt gab der Motor nach den handwerklichen Modifikationen eine Leistung von 250 PS ab. Damit hatte sich das Leistungspotential gegenüber dem Vorgänger-Modell mehr als verdoppelt. Bristol war wieder auf dem Weg, ein Hersteller von Sportwagen zu werden.

Die Umstellung auf amerikanische Motoren war nicht unproblematisch. Zwar war dieser Schritt nicht ohne Vorbild: Facel-Vega aus Frankreich hatte diesen Weg bereits einige Jahre zuvor eingeschlagen, und der britische Konkurrent Jensen war im Begriff, das gleiche zu tun. Die konservative britische Kundschaft war gleichwohl skeptisch, und nicht wenige sollen laut Tony Crook darin einen Sündenfall gesehen haben. Die meisten Kritiker seien aber durch die überragenden Fahrleistungen des Wagens versöhnt worden.

Bristols altgedienter 2,0 Liter-Sechszylinder-Motor wurde über die Einführung des 407 hinaus noch einige Zeit weitergebaut. Er wurde in erster Linie an AC Cars geliefert, wo er bis Ende 1962 in die Modelle Ace, Aceca und Greyhound eingebaut wurde.

Das Auto

Für das neue Auto übernahm Bristol das bekannte Fahrwerk weitgehend unverändert. Federung, Dämpfung und Lenkung wurden allerdings dem deutlich höheren Gewicht des Autos angepasst. Das Fahrzeug trug weiterhin eine Karosserie aus Aluminiumblechen, die auf einem massiven Stahlgerüst beruhten. Anders als beim Vorgänger, wurde das Gerüst nun von Park Royal Vehicles hergestellt, jenem Unternehmen, das auch die legendären Londoner Doppeldecker-Busse produzierte.

Äußerlich schien der 407 dem Vorgängermodell 406 exakt zu entsprechen: Das bloße Auge nahm selbst im direkten Vergleich beider Modelle kaum einen Unterschied war. Tatsächlich aber waren die Karosserieteile des 407 nahezu vollständig neu entworfen worden - allerdings mit der Maßgabe, sich so weit wie möglich an das Design des 406 zu halten. Anlass für die Änderungen war der Umstand, dass Chryslers Achtzylinder-Motor deutlich niedriger baute als das alte Bristol-Triebwerk. Dies ermöglichte eine flacher verlaufende Motorhaube, eine niedrigere Gürtellinie und - um die Proportionen im Lot zu halten - ein anders verlaufendes Dach. Der Bristol Owners Club behauptet, dass kein Karosserieteil des 406 an den 407 passte. Wenn dies zutrifft, dann war der Schritt vom 406 zum 407 sicher einer der am besten getarnten Modellwechsel der Automobilgeschichte.

Der 407 wurde anfänglich sowohl mit Automatik angeboten als auch mit Schaltgetriebe. Die Automatik war - typisch für amerikanische Konstruktionen dieser Zeit - vom Armaturenbrett aus über Tastschalter (Push-Buttons) zu bedienen. Für die kritische Kundschaft hatte Tony Crook darüber hinaus noch ein manuelles Getriebe von Pont-à-Mousson im Angebot (das eigene Bristol-Getriebe hielt dem Drehmoment des Chrysler-Motors nicht stand); Crook berichtete indes später, dass kein einziger Kunde das manuelle Getriebe geordert hätte.

Die britische Presse nahm den neuen Bristol freundlich auf. Gelobt wurde, dass die Fahrleistungen wieder überzeugten: Die Höchstgeschwindigkeit des 407 ermittelte die Zeitschrift autocar bei einem Test aus dem Oktober 1961 mit 122 Meilen pro Stunde (196 km/h), und für die Beschleunigung von 0 auf 60 Meilen pro Stunde (96 km/h) brauchte das Auto nur 9,9 Sekunden. Der Verbrauch lag im Durchschnitt bei 20,4 Litern auf 100 km.

Der Bristol 407 blieb bis zum Sommer 1963 in Produktion. In dieser Zeit sollen etwa 300 Exemplare hergestellt worden sein.

Sondermodelle

Bristol 407 GTZ Zagato

Wie bereits im Falle des Bristol 406, ließ Bristol auch für den 407 eine Sonderkarosserie von Zagato entwerfen. Das Ergebnis, der Bristol 407 GTZ Zagato, hatte mit dem 406 Zagato nichts zu tun. Der neue Entwurf trug eine langgestreckte, rundliche Karosserie mit sehr niedriger Gürtellinie, einem "Hüftschwung" über den Hinterrädern und einem üppig verglasten Fließheck. Der Wagen war deutlich leichter als der werksmäßige 407 und erreichte Höchstgeschwindigkeiten von über 200 km/h.

Der Bristol 407 GTZ Zagato wurde erstmals im Oktober 1961 auf der Earls Court Motorshow ausgestellt. Das Auto befand sich allerdings nicht auf dem Bristol-Stand, sondern auf dem unscheinbaren Stand von Zagato. Urheber des Projekts war wiederum Anthony Crook (und nicht Bristol Cars Ltd.). Von der Idee zum fertigen Produkt vergingen nur 10 Wochen. Das allerdings merkte man dem Wagen an. Vieles war improvisiert. Das galt nicht nur für das Kühlergitter mit einem wappenförmigen Schild, das ganz offensichtlich einem Lancia entliehen war. Das Auto wurde freundlich aufgenommen, die wenigen Journalisten, die den Wagen fahren durften, bemängelten allerdings die Frontlastigkeit der Konstruktion. Das Schwergewicht des Wagens war der amerikanische Motor. Die ausgesprochen leichte Zagato-Karosserie führte deshalb zu einer ungünstigen Gewichtsverteilung. Tony Crook, der anfänglich auf einige Bestellungen gehofft hatte, gab das Projekt im Sommer 1962 auf, da das Werk die Probleme mit der Gewichtsverteilung nicht in den Griff bekommen hatte. Nach allem, was bekannt ist, blieb der 407 GTZ ein Einzelstück. Es existiert heute noch.

Bristol 407 Viotti

Ein weiteres Sondermodell war ein viersitziges Cabriolet, das die Carrozzeria Viotti aus Turin auf einem ungekürzten Chassis des 407 herstellte.[2] Die Karosserie war vergleichsweise schlicht und nahm in mancher Perspektive das Design des Fiat 1500 Spider vorweg. Der Wagen wurde erstmals auf dem Turiner Automobilsalon 1960 auf dem Stand von Viotti präsentiert. Danach erfolgte eine weitere Vorstellung in Großbritannien, diesmal auf dem Stand von Bristol Cars. Der Schauspieler Peter Sellers, der Bristol-Fahrzeuge schätzte, übernahm das Auto für einige Zeit und ließ seine Berufskollegin Britt Ekland neben dem Wagen ablichten. Das Viotti-Cabriolet blieb ein Einzelstück. Es existiert noch heute.

Konkurrenten

Literatur

  • L.J.K. Setright: A private car, 2 Bände, UK 1999 (engl.).
  • R.M. Clarke: Bristol Cars: A Brooklands Portfolio: 132 Contemporary Articles Drawn from International Motoring Journals, UK 2001 (engl.).
  • Bristol 407. Ausführliche Vorstellung der Technik in: Auto Car vom 8.September 1961
  • Bristol 407 - the Autocar Road Test. Testbericht zum Fahrzeug in: Auto Car vom 6.Oktober 1961.
  • Automatic GT - Forecast for the future? Vorstellung des Bristol 407 GTZ Zagato in: Raod & Track, Februar 1962.
  • Close-up: Bristol´s 407 GT Zagato, in: Sports Car World, Mai 1962.
  • I did it my way. Portrait von Tony Crook anlässlich des 50. Markenjubiläums von Bristol Cars im jahr 1996. In: Classic and Sportscar, Heft 5/1996, S. 124 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Classic and Sportscar, Heft 5/1996, S. 125.
  2. Die Carrozzeria Viotti beschäftigte sich bis in die 1960er Jahre hinein vornehmlich mit dem Umbau von Fiat-Limousinen in Kombifahrzeuge; daneben entstanden einige Cabriolets auf Fiat-Basis. Zur Geschichte des Karosseriewerks s. www.autopuzzles.com (abgerufen am 26. Februar 2011).

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