Über das Marionettentheater

Über das Marionettentheater

Über das Marionettentheater ist der Titel eines Essays von Heinrich von Kleist, erstmals erschienen in den „Berliner Abendblättern“ um 1810. In exemplarischer Weise illustriert der Autor ein Grundthema: die Frage, wie Bewusstsein und Anmut das menschliche Verhalten beeinflussen.[1] Kleists Aufsatz wurde auch als versteckte Satire auf das Berliner Theater unter August Wilhelm Iffland gedeutet.

Die Literaturwissenschaftlerin Hanna Hellmann veröffentlichte die Schrift Über das Marionettentheater, die sich als wegweisend für das Verständnis von Kleists Philosophie des Lebens und der Kunst erwies.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Erzähler gibt sein Zwiegespräch mit einem wegen seiner Anmut bewunderten Tänzer wieder, den er mehrere Male beim Besuch eines Marionettentheaters gesehen hat. Der Angesprochene schildert ihm, wie sehr er die „natürliche Grazie“ der Bewegungen der Puppen bewundert und welche Lehre er für sich daraus zieht: dass es eine natürliche Anmut gebe, die sich in völliger Abwesenheit von Bewusstsein manifestiere. Der Erzähler gibt seinerseits ein Beispiel – ein ihm bekannter Knabe habe in einem Augenblick dem Dornauszieher, geglichen, aber unter der Kontrolle seines Verstandes die Bewegung in ihrer Schönheit nicht mehr nachahmen können. Der Tänzer schildert daraufhin ein weiteres Beispiel eines Bären, der Fechtstöße (unbewusst) pariert und auf Finten (bewusst) nicht eingeht.

Im Gespräch wird ausgehend von diesen drei Beispielen die These aufgestellt, dass entweder völlige Abwesenheit von Bewusstsein (wie der „Gliedermann“ des Marionettentheaters) oder aber, das Gegenteil, ein vollständiges Bewusstsein über (wie ein Gott) das gewünschte „natürliche“ Verhalten erzeugt. Vollendete Anmut und Natürlichkeit besitzt demnach jemand, der sich entweder völlig unbefangen und unbewusst wie ein Kind verhält oder aber sein Verhalten durch totale rationale Kontrolle steuert.

„[…] so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so, dass sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewusstsein hat, d. h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott.“

Der Erzähler zieht daraus die Schlussfolgerung: „Mithin […] müssten wir wieder vom Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?“

Literatur

  • Heinrich von Kleist: "Über das Marionettentheater" (mit einem Vorwort v. Wilfried Nold und einem Beitrag v. Wolfgang Kurock, S. 19-24) Frankfurt: Puppen & Masken 2007, ISBN 978-3-935011-64-8
  • Reinhold Steig: Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe. Berlin, Stuttgart: Spemann 1901 (Reprint: Kleist-Archiv Sembdner, Heilbronn, 2005)
  • Walter Müller-Seidel (Hg.): Kleists Aufsatz über das Marionettentheater. Studien und Interpretationen. Berlin: Schmidt 1967 (enthält als Nachdruck Hanna Hellmann: Über das Marionettentheater, S. 17-31)
  • Ingeborg Scholz (Hg.): Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater. Analysen und Reflexionen, Bd. 33. Hollfeld: Beyer 2003. ISBN 3921202558

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Josef Kunz: Nachwort zu Kleist: Über das Marionettentheater. Inselbücherei Nr. 481, Frankfurt/Main 1980, ISBN 978-3-458-08481-5

Quellentexte

 Wikisource: Über das Marionettentheater – Quellen und Volltexte

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