Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburg

Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburg

Willibald Leo Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (* 8. Juli 1856 in Augsburg; † 31. Dezember 1937 in Weimar) war ein deutscher Historien- und Genremaler, Kunsterzieher und Kunsthistoriker des ausgehenden 19. wie des beginnenden 20. Jahrhunderts, der ab 1901 in Lübeck auch als Museumsdirektor des damaligen Dom-Museums tätig war.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur am Maximiliansgymnasium München studierte er Kunst zunächst an der Münchner Akademie unter den Historienmalern Carl von Piloty, Alexander von Liezen-Mayer und August Eisenmenger und sodann an der Wiener Akademie. Nach Erfolgen bei ersten Ausstellungen mit einem Gemälde in Budapest (1880) und dem Entwurf von Wandgemälden für das Theater in Pressburg (1885) erhielt er mehrere Aufträge für monumentale Bilder und die Ausmalung einiger Kirchen, unter anderem auch in Kiel und Schwerin, so dass der Lübecker Stadtbaudirektor Adolf Schwiening auf ihn aufmerksam wurde. Dieser baute gerade das backsteingotische Lübecker Rathaus im neugotischen Stil um und benötigte hierfür einen gewandten Historienmaler. Dieser Auftrag zur Ausmalung des Admiralszimmers sowie des Hansesaals im Lübecker Ratskeller führte von Lütgendorff dauerhaft in die Hansestadt an der Trave. Auch die Gestaltung der neugotischen Nordfassade des Rathauses wurde ihm überlassen. Die dort in den Nischen der Fassade geschaffenen 22 Porträts herausragender Lübecker Bürgermeister seit dem Mittelalter fielen allerdings den Flammen und der Hitze nach dem Luftangriff auf Lübeck am 29. März 1942 zum Opfer und waren nicht wiederherzustellen.

Dom-Museum in Lübeck, um 1900
Dom-Museum nach dem Luftangriff 1942

Lütgendorff fasste mit diesen Aufträgen, die ihm große Anerkennung in der Stadt zuteil werden ließen, in Lübeck Fuß und eröffnete 1890 in Lübeck eine Malschule. 1901 bestellte ihn die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit in der Nachfolge von Theodor Hach zum Leiter ihrer Gemälde- und Kunstsammlung einschließlich der Gipsabgüsse, die im damals um 1890 neu erbauten Dom-Museum, direkt am Lübecker Dom und mit diesem und den Resten des alten Kreuzgangs verbunden, untergebracht war. Das neugotische Gebäude fiel mit großen Teilen seiner Sammlungen dem Luftangriff 1942 zum Opfer. Der Senat verlieh dem Leiter der neuen Kunstschule 1905 den Titel des Professors. 1919 übernahm er den Vorsitz der "Gemeinschaft Lübecker Maler und Bildhauer", unter deren etwa 25 Mitgliedern Ulrich Hübner sicher der bekannteste war.

Seine Kunstschule fand schließlich eine dauerhafte Bleibe im Domviertel und prägte das Lübecker Kunstleben für rund fünfzig Jahre entscheidend mit. Die frühere Domkurie an der Ecke Kapitelstraße war 100 Jahre zuvor Wohnhaus des Kunsthistorikers Karl Friedrich von Rumohr gewesen. Zu seinen Schülern, die von ihm für den Besuch der Kunstakademie vorbereitet wurden, gehörten Karl Gatermann der Ältere und Erich Klahn und viele andere. Er bildete aber auch künstlerisch interessierte Lübecker Handwerker aus wie beispielsweise den Glasermeister Carl Berkentien, der sich um viele Glasfenster Lübecker Kirchen, allen voran St. Marien, verdient machte.

Als Kunsthistoriker wirkte v. Lütgendorff in einer Zeit, in der die Aufarbeitung der mittelalterlichen Kunstschätze auf Initiative Rumohrs und umgesetzt durch Carl Julius Milde als Pionier der Kulturgutpflege im Anschluss an die Arbeit von Adolph Goldschmidt (1889) auch eine zunehmend breitere internationale wissenschaftliche Aufarbeitung erfuhr. Als Leiter der Gemäldesammlung der gemeinnützigen Gesellschaft lag ein Schwerpunkt der Arbeit Lütgendorffs auch auf den Nazarenern Friedrich Overbeck und dessen Schwager Theodor Rehbenitz, deren Werke er der Lübecker Sammlung auch mit eingeworbenen Spendengeldern örtlicher Mäzene zuführte. Sein Wirken als Kustos dieser Sammlung geriet schon vor dem 1. Weltkrieg außerhalb Lübecks in die Kritik.[1] Die Kritik verstärkte sich deutschlandweit nach dem Krieg.[2] Kernpunkt war in etwa, das die Gemäldesammlung so schlecht sei, das sie noch nicht einmal einer Kritik zugänglich sei. Dies führte schließlich zur Auflösung der Sammlung. Mehrere hundert Bilder unter Galerieniveau wurden am Kunstmarkt veräußert, die qualitätvolleren Stücke wurden von dem Museumsdirektor Carl Georg Heise in die Sammlung des Behnhauses übernommen, der es verstand, eine der Stadt angemessene Sammlung unter Einbeziehung der Strömungen der Zeit aufzubauen. Neben seinem Engagement für Nazarener und den Nazarener-Nachfolger Milde legte v. Lütgendorff den Grundstock der Sammlung von Gemälden des Lübecker Malers Gotthardt Kuehl, die sich heute ebenfalls in der Sammlung des Behnhauses befinden.

Bis heute ungebrochen ist seine Leistung als Fachautor eines Standardwerkes zum Geigenbau, den er vor Ort in Mittenwald ergründete. Er begründete die Sammlung von historischen Musikinstrumenten, die sich heute im St. Annen-Museum befindet.

Ende 1937 reiste er zu seiner Familie nach Weimar, wo er an den Folgen einer Lungenentzündung verstarb. Die Stadt Lübeck gewährte ihm ein Ehrengrab auf dem Lübecker Burgtorfriedhof. Vor dem anstelle des Dom-Museums neu errichteten Museum für Natur und Umwelt Lübeck wurde am Mühlenteich eine Grünanlage an der Ecke Mühlendamm/Musterbahn als Lütgendorff-Park benannt.

Weitere bekannte Schüler Lütgendorffs

Malschule im Hause Pferdemarkt/ Ecke Kapitelstraße

Werke (Auswahl)

Gemälde

Abendmahl, Aufnahme von 1904

Schriften

  • (als Willibald Leo): Die gesammte Literatur Walthers von der Vogelweide: Eine kritisch-vergleichende Studie zur Geschichte der Walther-Forschung (1880). Ergänzter Neudruck mit einer Walther-Bibliographie 1880-1969 von Erich Carlsohn. Niederwalluf b. Wiesbaden: M. Sändig 1971
  • (als Willibald Leo): Gedichte eines Malers. München: Schaefer 1885
  • Materialien zu einer Geschichte des Freiherrn v. Lütgendorff-Leinburg vornehmlich im XVIII. Jahrhundert: Vorläufige Mittheilung.(Als Manuscript gedruckt). St. Petersburg: Buchdruckerei des "St. Petersburger Herold" 1890
  • Das Stammbuch Davids von Mandelsloh: Ein Beitrag zur Adelsgeschichte des 17. Jahrhunderts. Hamburg 1893
  • (als Willibald Leo): Lübecker Bilderbogen: Scherz und Ernst aus dem Kleinleben der alten Hansestadt. Lübeck: Borchers 1897
  • Der Maler und Radierer Ferdinand von Lütgendorff 1785-1858. Sein Leben und seine Werke. Frankfurt/M.: H. Keller 1906.
  • Nöhrings neuer Führer durch Lübeck für Einheimische und Fremde mit besonderer Berücksichtigung seiner Bau- und Kunstdenkmäler. 8. Aufl., Lübeck: Nöhring 1907
  • Familiengeschichte, Stammbaum und Ahnenprobe. Frankfurt/M.: H. Keller 1910.
  • Die Träger in Lübeck. (2. Ausg.) Lübeck: Borchers 1913
  • Die Kunstsammlungen des Museums zu Lübeck.
  • Band 1: Die Sammlung von Gipsabgüssen klassischer Bildwerke in kunstgeschichtlicher Anordnung Lübeck: Borchers (um 1908)
  • Band 2: Beschreibendes Verzeichnis der Gemäldesammlung. Lübeck: Borchers 1908
  • Band 3: Das Overbeck-Zimmer im Museum am Dom zu Lübeck: ein beschreibendes Verzeichnis. Lübeck: Borchers 1915
  • Carl Julius Milde (Milde-Album). Lübeck: Borchers 1919
  • Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart. (1922) 2 Bände. Unveränderter Nachdruck der 6., durchgesehenen Auflage, Tutzing: Schneider 1975 ISBN 3-7952-0061-X Mit einem Ergänzungsband von Thomas Drescher, 1990 ISBN 3-7952-0616-2
  • Die Geschichte des Lübecker Maleramtes und der Malerinnung von 1425 bis 1925. Lübeck: Borchers 1925
  • Kurzer Rückblick auf die Geschichte Lübecks (Geschichtstabellen). Lübeck: Lübeckische Anzeigen 1926
  • Die Königin der Hanse: Bilder aus der Glanzzeit Lübecks. Lübeck: Coleman 1931
  • Lübeck zur Zeit unserer Großeltern. 4 Bände. Lübeck: Borchers (ab Bd. 3: Coleman) 1931-1938
  • Julius Milde. In: Der Wagen 1938.

Offenbar wurde Lütgendorffs umfangreiche Privatbibliothek schon 1930 über das Kieler Antiquariat Lipsius & Tischer verkauft:

  • Bibliothek des Museumsdirektors W. Leo Freiherr v. Lütgendorff-Leinburg, Lübeck. T. 1. Lipsius & Tischer, Kiel (ca. 1930)

Literatur

Quellen und Anmerkungen

  1. So Grautoff 1908 aaO., S. 138 ff.
  2. Nachweise bei Enns, aaO, S. 31 ff.

Weblinks


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