Carl Georg Heise

Carl Georg Heise

Carl Georg Heise (* 28. Juni 1890 in Hamburg; † 11. August 1979 ebenda) war ein deutscher Kunsthistoriker. Von 1945 bis 1955 leitete er die Hamburger Kunsthalle.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Heise wuchs in einer kunstinteressierten Hamburger Kaufmannsfamilie auf. Um 1906 wurde Aby Warburg sein Mentor, der ihm ein Studium der Kunstgeschichte bei Wilhelm Vöge in Freiburg empfahl. Anschließend ging er zu Adolph Goldschmidt nach Halle und, gegen Warburgs Rat, zu Heinrich Wölfflin nach München. 1910 unternahm er mit Wilhelm Waetzoldt und Warburg eine Italienreise, die ihn nach Venedig, schließlich nach Ferrara führte, wo Warburg an den Fresken im Palazzo Schifanoia forschte, 1912 reiste Warbug mit ihm zum Kunsthistorikerkongreß nach Rom. 1914 wurde er als Kriegsfreiwilliger abgewiesen, studierte in Berlin und Kiel. Dort wurde er 1915 bei Graf Vitzthum mit einer Arbeit über die Norddeutsche Malerei des Mittelalters, die er Warburg widmete, promoviert. 1916 wurde Heise Mitarbeiter an der Hamburger Kunsthalle, wo er im Auftrag von Gustav Pauli einen Bestandskatalog der älteren Gemälde des Museums erstellt. [1] 1919 bis 1921 gab er zusammen mit Giovanni Mardersteig und anfänglich auch Kurt Pinthus die Zeitschrift Genius. Zeitschrift für werdende und alte Kunst heraus.

Wirken

St.-Annen-Kloster Lübeck
Kunsthalle Hamburg, Altbau

Am 1. Mai 1920 begann er seine Tätigkeit als Museumsdirektor des St.-Annen-Kloster in Lübeck. 1926 entwickelte Heise die Jubelkugel als Lotterie zur privaten Finanzierung der 700-Jahr-Feier der Stadt Lübeck, die mit einer Ausstellung Lübeckische Kunst außerhalb Lübecks auch zu einer großen Darstellung der Bedeutung Lübecks für die Kunst in ganz Nordeuropa wurde. Carl Georg Heise initiierte im Jahr 1929 eine der ersten Ausstellungen für Fotografen. Gezeigt wurden Bilder von Albert Renger-Patzsch, Emil Otto Hoppé, Hugo Erfurth und Wilhelm Castelli, einem jungen Lübecker Fotografen. 1931 veranstaltete er eine Ausstellung in der Overbeck Gesellschaft aus Anlass des 400 jährigen Bestehens des Katharineums zusammen mit dem Zeichenlehrer Hans Peters mit Arbeiten der Schüler.

Durch sein vehementes Eintreten für die neuere deutsche Kunst wurde er im Zuge der Gleichschaltung am 29. September 1933 aus seinem Amt entlassen, das er noch bis zum 1. Januar 1934 versah. 1928 bis 1933 bewohnte er in Lübeck das Zöllnerhaus am Burgtor, das zuvor Ehrenwohnung der Schriftstellerin Ida Boy-Ed gewesen war. Heise erwarb während seiner Lübecker Zeit Werke von Expressionisten wie Ernst Barlach (für die Katharinenkirche), Franz Marc und besonders Edvard Munch sowie Fotografien der Neuen Sachlichkeit von Albert Renger-Patzsch. Auf seine Initiative hin wurde 1921 das heutzutage unter dem Namen Behnhaus bekannte Gebäude für die Stadt erworben und als Museum ausgebaut. Er ist auch der Wegbereiter der Museumskirche St. Katharinen, die er visionär als Skulpturenhalle Lübecker Kunst im Ostseeraum sah, woran der Gipsabguß der St.-Jürgen-Gruppe von Bernt Notke noch heute erinnert. Viele seiner Erwerbungen wurden später im Rahmen der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt.

Nach dem Krieg leitete er von 1946 bis 1956 die Hamburger Kunsthalle und hatte eine Professur an der Universität Hamburg inne. Die kunstgeschichtliche Sammlung Heise mit 9000 Titeln ist heute in der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen untergebracht. Er gilt als bedeutender Förderer der deutschen Klassischen Moderne.

Schriften

  • als Herausgeber, Unterhaltung mit Friedrich dem Großen. Tagebücher des Henri de Catt 1758–1760. Übersetzt von Clara Hertz. Kiepenheuer, Weimar 1916.
  • Norddeutsche Malerei. Studien zu ihrer Entwicklungsgeschichte im 15. Jahrhundert von Köln bis Hamburg. Wolff, Leipzig 1918.
  • Giovanni Mardersteig (Hrsg.): Genius. Bilder und Aufsätze zu alter und neuer Kunst. Wolff, München 1920.
  • Lübecker Plastik. Cohen, Bonn 1926.
  • Lübecker Kunstpflege 1920–1933. Im Auftrage der Vorsteherschaft des Museums für Kunst- u. Kulturgeschichte herausgegeben. Lübeck 1934.
  • Fabelwelt des Mittelalters. Phantasie- und Zierstücke Lübeckischer Werkleute aus drei Jahrhunderten. 120 Aufnahmen von W. Castelli. Rembrandt, Berlin 1936.
  • Deutsche Bildschnitzer der Dürerzeit. Günther und Co., Berlin um 1940.
  • Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg. New York 1947.
  • Der Lübecker Passionsaltar von Hans Memling. Ellermann, Hamburg 1950.
  • Führer durch die Hamburger Kunsthalle. Christians, Hamburg 1955.
  • (Hrsg.): Rembrandt von Rijn, Die Nachtwache 1642. Reclam, Stuttgart 1957.
  • Lovis Corinth. Bildnisse seiner Frau. Reclam, Stuttgart 1958.
  • Der gegenwärtige Augenblick. Reden und Aufsätze aus vier Jahrzehnten. Gebr. Mann, Berlin 1960.
  • Das Museum in Gegenwart und Zukunft. Festvortrag zur Jahrhundertfeier des Wallraff-Richartz-Museums. Köln 1961.
  • Grosse Zeichner des XIX. Jahrhunderts. Gebr. Mann, Berlin 1959.

Literatur

  • Peter Betthausen, Peter H. Feist, Christiane Fork: Metzler-Kunsthistoriker-Lexikon. Zweihundert Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten. Metzler, Stuttgart u. a. 1999, ISBN 3-476-01535-1, S. 166–169.
  • Abram Enns: Kunst und Bürgertum. Die kontroversen zwanziger Jahre in Lübeck. Christians, Hamburg 1978, ISBN 3-7672-0571-8.
  • Carl Georg Heise: Persönliche Erinnerungen an Aby Warburg (= Gratia 43). Herausgegeben und kommentiert von Björn Biester und Hans-Michael Schäfer. Wiesbaden, Harrassowitz 2005, ISBN 3-447-05215-5.
  • Albert Renger-Patzsch: Lübeck. Mit einer Einleitung von Carl Georg Heise. Im Auftrag der Nordischen Gesellschaft herausgegeben von Ernst Timm. Wasmuth, Berlin 1928, Einbandentwurf Alfred Mahlau.
  • Ortrud Westheider: Die neue Sicht der Dinge. Carl Georg Heises Lübecker Fotosammlung aus den 20er Jahren. Katalog zur Ausstellung 1995. Kunsthalle, Hamburg 1985.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter Betthausen, Peter H. Feist und Christiane Fork: Metzler-Kunsthistoriker-Lexikon. Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01535-1, S. 167

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