Wendisch Musta

Wendisch Musta

Wendisch Musta (1936–1945 Birkfähre; sorbisch und polnisch Mosty) ist eine Wüstung in der polnischen Gemeinde Przewóz (deutsch Priebus) im Powiat Żarski, Woiwodschaft Lebus.

Das 1464 erwähnte Dorf am rechten Neißeufer wurde in den Abendstunden des 20. Februars 1945 durch Wehrmachtsangehörige zerstört.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Wendisch Musta mit Ortsteil Kutschig: Verlauf der Neiße zwischen Priebus und Muskau auf einer Karte Schreibers von 1745. Die in Wendisch Musta eingezeichnete Kirche ist nicht belegbar.

Das Dorf lag auf der rechten, oberen Talterrasse der Lausitzer Neiße und lehnte sich an das nördlich davon liegende Höhenland an. Auf diesem verlief die Chaussee zwischen den damaligen Landstädten und lokalen Machtzentren Muskau und Priebus. Noch heute führt die Woiwodschaftsstraße 350 an der früheren Ortslage vorbei, von der noch einige Obstbäume zeugen. Am anderen Neißeufer liegt Skerbersdorf, zu dem früher eine Fährverbindung bestand. Etwa zwei bis vier Kilometer vom Dorf entfernt lagen die Ortsteile Kutschig, Lichtenberg und Schrothammer.

Historisch gesehen lag das Dorf im Priebussischen Kreis des schlesischen Fürstentums Sagan an der Grenze zur oberlausitzischen Standesherrschaft Muskau.

Geschichte

Ortsgeschichte

Das Dorf Mustau wurde am 15. Mai 1464, dem Dienstag vor Pfingsten, erstmals urkundlich erwähnt, als Johann II. als Herzog von Sagan die Heidemühle am Schrotwasser in Richtung Dubrau an Heinze Unwürde zu Reichenau verlieh und dabei den Mahlzwang für die Einwohner von Hermsdorf, Mühlbach und Wendisch Musta festlegte.[1]

Von 1490 bis 1590 war das Dorf der Familie von Metzerode oder von Metzerad verlehnt. Der gutsherrliche Besitz wurde 1527 auf 1600 Mark geschätzt, ebenso hoch wurde der Besitz der Dorfbewohner geschätzt. Damit zählte das Dorf zu den größeren und wohlhabenderen des Priebussischen Kreises, Pechern beispielsweise wurde auf 800 und 500 Mark, die Stadt Priebus auf 11768 und 7297 Mark geschätzt. Mit der Stadt Priebus wurde 1548 ein Vergleich geschlossen, der unter anderem das Brau- und Schankrecht für die Gutsherrschaft vorsah. Der Kretschmer war verpflichtet, einen bestimmten Anteil Priebussischen Bieres auszuschenken, der ihm jedoch nicht teurer als für Stadtbürger verkauft werden durfte. Da das Dorf außerhalb der Bannmeile der Stadt lag, blieben die Handwerksrechte des Schneiders und des Schusters unangetastet.

Das Dorf wurde später an Nicol von Nostitz verlehnt, dem auch die angrenzenden Dörfer Pechern und Hermsdorf gehörten. 1657 kamen Pechern und Wendisch Musta in den Besitz von Otto Heinrich von Bibran.

Im September 1757 nahmen österreichische Korps während des Siebenjährigen Krieges den Bürgermeister von Sagan sowie einige weitere Persönlichkeiten gefangen und brachten sie nach Wendisch Musta. Erst nach der Übergabe von je 100 Scheffeln Roggen und Hafer durch die Stadt wurden die Geiseln freigelassen. Nach den Schlesischen Kriegen wurden zwei Kolonien angelegt, die auch als Vorwerke dienten.

Bis 1827 erfolgte der Unterricht in der Schule von Pechern, danach gründete man in Wendisch Musta eine eigene Schule. Der Unterricht fand zunächst in der Schenke statt, bis 1828 das Schulgebäude fertiggestellt war. Dieses wurde durch das Neißehochwasser 1897 unbrauchbar, so dass der Unterricht danach im Gut erteilt wurde. Am Rande der höher gelegenen Chaussee wurde 1899 ein neues Schulhaus erbaut. Beim Hochwasser 1930 konnten die Dämme, wenn auch nur mit Mühe, gehalten werden.

Zum 1. Oktober 1932 wurde der Kreis Sagan, der ungefähr aus dem Fürstentum Sagan hervorgegangen war, aufgelöst und auf die benachbarten Kreise verteilt. Wendisch Musta kam zusammen mit weiteren umliegenden Orten der Stadt Priebus zum Kreis Rothenburg i. Ob. Laus.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden ausgebombte Deutsche vorübergehend im Dorf untergebracht. Unter ihnen befand sich 1943 für ein paar Tage auch Harald Juhnke.[2][3] Am 20. Februar 1945 verließ der letzte Flüchtlingstreck das Dorf. In den Abendstunden des gleichen Tages zerstörten Wehrmachtsangehörige das Dorf und steckten es in Brand, bevor es die Rote Armee in der Nacht zum 21. Februar einnehmen konnte.

Nach Kriegsende wurde das Dorf, nun auf der polnischen Seite der Oder-Neiße-Linie, nicht wieder aufgebaut. Verwertbares Baumaterial wurde nach und nach von der umgesiedelten polnischen Bevölkerung geborgen und beim Wiederaufbau in den umliegenden Orten verwendet.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner
1910 [4] 269
1933 [5] 251
1939 238

Obwohl Wendisch Musta ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf war, hatte es schon um 1800 keine Bauern mehr. Die 23 Gärtner bildeten dadurch eine recht homogene Bevölkerung.[6]

Im 20. Jahrhundert sank die Bevölkerungszahl von 1910 bis 1939 um rund 10 % auf 238 Einwohner. Gepfarrt waren Katholiken wie Evangelikale zuletzt in die Kirchen von Priebus.

Nach dem Krieg siedelte sich ein Teil der früheren Bevölkerung Wendisch Mustas im benachbarten Skerbersdorf an.

Ortsname

Der deutsche Ortsname ist 1464 als Mustau belegt, spätere Formen sind unter anderem Mosta (1548), Wendisch-Musta (1577), Windisch-Mosta (1602), Wendisch-Moßkau (1689) und Wendischmusche (1749).[7]

Der sorbische Name wird in Wörterbüchern des 19. Jahrhunderts uneinheitlich wiedergegeben, darunter Most (1847[8] und 1856[9]) und Mósty (1891[10]); zumeist findet sich noch ein Hinweis auf Heinersbrück (niedersorbisch Móst). Robert Pohl gab ihn 1934 in seinem zweiten Teil des Heimatbuches des Kreises Rothenburg als Mosty an.[11]

Abgeleitet ist der Name vom altslawischen Wort most ‘Brücke’. Der deutsche Namenszusatz könnte zur Unterscheidung von der nahegelegenen Stadt Muskau entstanden sein, die zeitweilig ähnliche Namensformen aufweist. Auf Schreibers Karte von 1745 beispielsweise finden sich Muska (Stadt) und Wendisch Muska (Dorf). Im allgemeinen wird Muskaus Name auf muž ‘Mann’ zurückgeführt,[12] jedoch halten einige Forscher eine Herkunft von most für wahrscheinlicher, zumal die Stadt ein alter Brückenort an der Neiße ist.[13]

Im Zuge der Germanisierung slawischstämmiger Ortsnamen wurde Wendisch Musta 1936 in Birkfähre umbenannt. Diese Bezeichnung fand nach dem Krieg unter den früheren Einwohnern im Gegensatz zum vorherigen Namen Wendisch Musta keine dauerhafte Verwendung.

Verweise

Literatur

  • Robert Pohl (Hrsg.): Heimatbuch des Kreises Rothenburg O.-L. für Schule und Haus. Band 2 = Ergänzung und Register: Priebus und die Dörfer des ehemals Saganer Westteils. Buchdruckerei Emil Hampel, Weißwasser O.-L. 1934, S. 37 ff.
  • Arthur Heinrich: Geschichte des Fürstentums Sagan. Kommissions-Verlag Rud. Schoenborns Buchhandlung Max E. Beyer, Sagan 1911.

Weblinks

Fußnoten

  1. Heinrich: Geschichte des Fürstentums Sagan. S. 164
  2. Brigitte Lachmann: Wendisch-Musta/Birkfähre – ein Dorf, das es nicht mehr gibt
  3. Tolle Juhnke-Erinnerungen beim Treffen in Skerbersdorf. In: Lausitzer Rundschau, Lokal-Rundschau für Weißwasser und Niesky. 6. Oktober 2009. (Online-Artikel)
  4. Gemeindeverzeichnis Deutschland 1900. Abgerufen am 16. Juli 2009.
  5. Deutsche Verwaltungsgeschichte Schlesien, Kreis Rothenburg. Abgerufen am 16. Juli 2009.
  6. Johann Adam Valentin Weigel: Die Fürstenthümer Sagan und Breslau. In: Geographische, naturhistorische und technologische Beschreibung des souverainen Herzogthums Schlesien. 6, Himburgische Buchhandlung, Berlin 1802, S. 26 (Digitalisat auf Wikisource).
  7. Pohl: Priebus und die Dörfer des ehemaligen Saganer Westteils. 2. Teil vom Heimatbuch des Kreises Rothenburg O.-L. S. 37
  8. Johann Georg Zwahr; J. C. F. Zwahr (Hrsg.): Niederlausitz-wendisch-deutsches Handwörterbuch. Carl Friedrich Säbisch, Spremberg 1847, S. 213 (Namensgleichheit von „Heinersbrück, Kr. Cottbus und Wendisch Musta, Kr. Sagan“, Google Books).
  9. Alexander Puttmann: Die deutschen Ortsnamen mit besonderer Berücksichtigung der ursprünglich wendischen in der Mittelmark und der Niederlausitz. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin 1856, S. 135 („wendisch Musta im Kr. Sagan an der Görlitzer Neiße (wend. bloß most, welcher Name auch übersetzt wird, wie Heinersbrück nordöstlich von Kottbus an einem Bach und Bruchland)“, Google Books).
  10. Dr. Karl Ernst Mucke: Historische und vergleichende Laut- und Formenlehre der niedersorbischen (niederlausitzisch-wendischen) Sprache. Mit besonderer Berücksichtigung der Grenzdialekte und des Obersorbischen. S. Hirzel, Leipzig 1891, S. 165 („Móšćany ein Bewohner von Móst Heinersbrück bei Cottbus oder von Mósty Wendisch-Musta bei Muskau“, Google Books (US)).
  11. Pohl: Priebus und die Dörfer des ehemaligen Saganer Westteils. 2. Teil vom Heimatbuch des Kreises Rothenburg O.-L. S. 37 („Der wendische Name des Dorfes ist Mosty, abgeleitet vom altslawischen most = Brücke, wohl den Übergang ins Wendische bezeichnend“).
  12. Ernst Eichler und Hans Walther: Ortsnamenbuch der Oberlausitz – Studien zur Toponymie der Kreise Bautzen, Bischofswerda, Görlitz, Hoyerswerda, Kamenz, Löbau, Niesky, Senftenberg, Weißwasser und Zittau. I Namenbuch. In: Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. 28, Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 193.
  13. Hermann Graf von Arnim, Willi A. Boelcke: Muskau. Standesherrschaft zwischen Spree und Neiße. Verlag Ullstein, Frankfurt/M, Berlin, Wien 1978, S. 20 f.
51.50611111111114.8375

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