St. Martin (Biberach)

St. Martin (Biberach)
St. Martin von Süden
Deckenfresko des Mittelschiffs von Johannes Zick, 1746
Blick von der Orgelempore

Die Kirche St. Martin und Maria, meist nur „St. Martin“ genannt, ist die Stadtpfarrkirche der Kreisstadt Biberach an der Riß in Baden-Württemberg. Es handelt sich um eine Simultankirche, die von der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde genutzt wird. Sie befindet sich in zentraler Lage inmitten der Biberacher Altstadt und ist die älteste und zugleich die größte Kirche Biberachs.

Inhaltsverzeichnis

Mittelalter

Aufgrund des St.-Martin-Patroziniums wird darauf geschlossen, dass es hier schon im 7. Jahrhundert eine Kirche oder Kapelle gegeben haben muss. Um 1100 wurde dann eine romanische Kirche errichtet und zwischen 1320 und 1370 durch eine gotische, dreischiffige Basilika ersetzt. Die an den Chor angrenzenden Kapellen und dessen Einwölbung stammen aus dem 15. Jahrhundert.

Reformation

Die Reformation in Biberach gipfelte in einem Bildersturm, bei dem am 29. Juni 1531 unter anderem der Hochaltar der Kirche mit Tafeln von Martin Schongauer zerstört wurde. Die römisch-katholische Messe wurde verboten, durch das Augsburger Interim von 1548 aber wieder zugelassen. Gesellschaftlich stand in der Stadt Biberach zu dieser Zeit eine überwiegend protestantische Bevölkerungsmehrheit von etwa 90 % einer römisch-katholisch verbliebenen Adelsschicht von etwa 10 % gegenüber. So nutzten Protestanten und Katholiken die Kirche seit dem 13. August 1548 gemeinsam. Das galt vor allem für das Kirchenschiff, der Chor blieb rein römisch-katholisch. Dieser Zustand wurde durch den Westfälischen Frieden, der sich auf das Normaljahr 1624 bezog, festgeschrieben und besteht noch heute. 1584 wurde die Kirche nach einem Brand, verursacht durch einen Blitzschlag, schwer beschädigt.

Neuzeit

Ausgestaltung

Selbstportrait von Johannes Zick im Deckenbild, 1748

1746 wurde die gotische Kirche im Innern weitgehend barockisiert, erhielt Rundbogenfenster und Johannes Zick malte das Deckenbild im Mittelschiff. Ein Jahr später wurden die Seitenschiffe ausgestaltet. Die eindrucksvollen Deckengemälde im Stil des Rokoko haben im (bikonfessionell genutzten) Kirchenschiff Themen, die für beide Konfessionen tragbar waren, im Chor dagegen – ausschließlich von den Katholiken genutzt - herrscht ein römisch-katholisches Bildprogramm, das etwa eine Allegorie der Kirche zeigt, gekrönt von der päpstlichen Tiara.

Simultaneum

Die Kirche wird auch heute noch von beiden Konfessionen nach dem überkommenen Schlüssel genutzt. Die römisch-katholische Gemeinde besitzt zudem zwei Gemeindehäuser in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche, das Gemeindehaus St. Martin und das neuere Gemeindehaus St. Maria, die evangelische Gemeinde das Martin-Luther-Gemeindehaus.

Ausstattung

Orgel

Hauptorgel

Schon vor 1484 muss die Kirche eine Orgel besessen haben, denn es gab eine Pfründe für einen Priesterorganisten. Vor 1490 war eine Orgel im Chor vorhanden, ab 1490 wurde eine neue große Orgel gebaut.[1] Joseph Höß schuf dann zwischen 1777 und 1778 die Hauptorgel.[2] Die Werkstatt Reiser aus Biberach errichtete zwischen 1966 und 1967 einen Neubau, der inzwischen 56 Register auf drei Manualen samt Pedal besitzt. Das Werk wurde 2003 umfassend in Stand gesetzt, neu intoniert und erhielt einen neuen Spieltisch.[3] Die Hauptorgel hat folgende Disposition:[4]

I Rückpositiv C–g3
31. Gedackt 8′
32. Quintviola 8′
33. Kleinpraestant 4′
34. Koppelflöte 4′
35. Kleinoktave 2′
36. Nachthorn 2′
37. Paletta III–IV 2′
38. Sifflöte 11/3
39. Scharf V–VI 1′
40. Musette 8′
41. Vox Humana 8′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
1. Grossprästant 16′
2. Quintadena 16′
3. Prinzipal 8′
4. Flötgedackt 8′
5. Spillpfeife 8′
6. Oktave 8′
7. Gemshorn 4′
8. Scharfquinte 4′
9. Waldflöte 22/3
10. Larigot III–IV 2′
11. Mixtur V–VII 11/3
12. Fagott 16′
13. Helltrompete 8′
III Schwellwerk C–g3
14. Stillbourdon 16′
15. Hölzernflöte 8′
16. Spitzgedackt 8′
17. Harfpfeife 8′
18. Schwellprinzipal 4′
19. Rohrflöte 4′
20. Schwebend Harfe 4′
21. Quintflöte 22/3
22. Oktavflöte 2′
23. Terzflöte 13/5
24. Septimflöte 11/7
25. Blockflöte 1′
26. Grobmixtur VI 2′
27. Zimbelpfeife 1/6
28. Dulzian 16′
29. Hautbois 8′
30. Schalmey 4′
Tremulant
Pedal C–f1
42. Untersatz 32′
43. Prinzipalbaß 16′
44. Subbaß 16′
45. Oktavbaß 8′
46. Spitzflöte 8′
47. Rohrpommer 4′
48. Dolkan Piffaro 4′+2′
49. Baßzink III 51/3
50. Rauschpfeife 22/3
51. Posaunenbaß 16′
52. Dunkeltrompete 8′
53. Clarine 4′
54. Singend Kornett 2′
  • Koppeln: III/II, I/II, III/I, I/P, II/P, III/P.
  • Spielhilfen: 4 freie Kombinationen (A, B, C, D); Auslöser; Organo pleno; Tutti; Pedalumschaltung; Zungen ab; 2 freie Pedalkombinationen (E, F); Auslöser; Tremulanten ab; Crescendo Walze.

Sonstige Ausstattung

Von der vor-barocken Ausstattung ist eine spätgotische Kanzel erhalten. Der barocke Hochaltar stammt aus dem Jahr 1718. Neuestes Ausstattungsstück ist der Ambo, geschaffen von Michaela Fischer und aufgestellt 2001.

Wissenswert

Im Braith-Mali-Museum ist in der Abteilung zur Stadtgeschichte auch die Eigenschaft von St. Martin als Simultankirche thematisiert. In einer Vitrine ist dort ein katholischer und ein evangelischer Putzeimer ausgestellt.

Siehe auch

Literatur

  • Otto Beck: Stadtpfarrkirche St. Martinus und Maria Biberach a. d. Riß. 5. Auflage. Schnell und Steiner, Regensburg 2006, ISBN 3-7954-4322-9
  • Wolfgang Manecke, Johannes Mayr: Historische Orgeln im Landkreis Biberach. Schnell und Steiner, Regensburg 1995, ISBN 3-7954-1069-X
  • Helmut Völkl: Orgeln in Württemberg. Hänssler-Verlag, Stuttgart-Neuhausen 1986

Einzelnachweise

  1. Völkl, S. 12.
  2. Völkl, S. 20
  3. Völkl, S. 361. Die ausführliche Geschichte der Hauptorgeln und der Chororgel findet sich bei Manecke, S. 64-74.
  4. Wolfgang Manecke, Johannes Mayr: Historische Orgeln in Oberschwaben. Der Landkreis Biberach. Schnell & Steiner, Regensburg 1995, ISBN 3-7954-1069-X, S. 68sq..

Weblinks

 Commons: St. Martin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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